F I L M L A N D    V I E T N A M




Das Internationale Forum des Jungen Films widmet seinen diesjährigen Länderschwerpunkt dem neuen vietnamesischen Kino. Im Rahmen der Filmfestspiele präsentieren wir acht Filme, die auf beeindruckende Weise Innenansichten von vietnamesischer Gegenwart und Geschichte bieten. Nach wie vor ist der Vietnamkrieg das beherrschende Thema, doch erst seit jüngster Zeit ist es den Filmschaffenden möglich, auf sehr bewegende Art und Weise zu erzählen, wie die Kriegsjahre - trotz des Sieges über die USA - die Gesellschaft bis in die Grundfesten erschüttert haben.
Eine herausragende Produktion ist BEN KHONG CHONG (Das Ufer der Frauen ohne Männer, 2000) von Luu Trong Ninh. Der Film spielt in einem kleinen Dorf, das fast ausschließlich von Frauen, Alten und Kindern bewohnt wird. Frei von propagandistischer Beschönigung erzählt BEN KHONG CHONG, wie die Jahrzehnte dauernde Abwesenheit von kriegsführenden Männern die zurückbleibenden Frauen zu den eigentlichen Heldinnen des südostasiatischen Landes macht. Auf sich allein gestellt, müssen sie ihr Dorf nicht nur gegen den äußeren Feind verteidigen. Neid auf jedes kleine Glück in der Nachbarschaft und ein fast terroristisches, feudales Denken gehören zu den Auswirkungen des kriegsbedingten Ausnahmezustands, über dessen abgründigen Alltag Filme zu drehen lange unmöglich war.
Auch DOI CAT (Auf Sand gebaut, 1999) von Nguyen Thanh Van erzählt eine tragische Liebesgeschichte: wie unzählige andere Soldaten kann der Protagonist des Films nach dem Sieg über die Franzosen für Jahrzehnte nicht zu seiner Ehefrau in den Süden zurückkehren. Er verliebt sich neu, wird Vater - und stellt nach Kriegsende verzweifelt fest, daß im Süden seine Ehefrau auf ihn gewartet hat.
AI XUOI VAN LY (Die lange Reise, 1997) von Le Hoang spielt im heutigen Vietnam: ein Veteran entschließt sich, die Asche seines Kameraden zu dessen Mutter zu bringen. Die ereignisreiche Reise wird zu einer subtilen Studie der Mentalität eines Landes, dessen landschaftliche Besonderheit selten so eindrucksvoll auf der Leinwand zu sehen war.
Für viel Diskussionsstoff sorgt derzeit in Vietnam der Film VAO NAM RA BAC (In den Süden und zurück, 2000) des in Babelsberg ausgebildeten Regisseurs Phi Tien Son. Der Film portraitiert erstmalig im vietnamesischen Kino einen kriegsmüden, aber lebenslustigen Deserteur und beruht, so Son, durchaus auf eigenen Erfahrungen.
Mit dem komplizierten Zusammenleben ehemaliger 'Klassenfeinde' in einem Haus beschäftigt sich Viet Linhs CHUNG CU (Das Wohnhaus, 1999), wie auch Dang Nhat Minh die Geschichte einer Kolonialvilla in MUA OI (Die Zeit der Guaven, 2000) erzählt. Beide Filme kritisieren überraschend offen die habgierige Siegermentaliät der kommunistischen Machthaber.
In TRO LAI NGU THUY (Wiedersehen in Ngu Thuy, 1999) kehrt einer der bekanntesten Dokumentarfilmer Vietnams, Le Manh Thich, zurück in das Dorf jener Frauen, deren heldenhafte Kriegsleistungen er bereits 1971 filmte - und dafür auf dem Dokumentarfilmfestival in Leipzig preisgekrönt wurde. Dreißig Jahre später sind aus den begeisterten Soldatinnen alte Frauen geworden, deren Lebensrückblicke beim Anblick der historischen Aufnahmen zu einem bewegenden Plädoyer für den Frieden werden. Luu Trong Ninhs NGA BA DONG LOC (Kreuzung Dong Loc, 1997) zeigen wir als Dokument des vietnamesischen Kinos, das auf Tatsachen beruhend einem anderen, berühmten Frauenbatallion ein fast skurriles Denkmal setzt.
Auch in der Reihe "Neue Deutsche Filme" geht es mit EISLIMONADE FÜR HONG LI von Dietmar Ratsch um Vietnam: Ratsch begleitet den ostdeutschen Fotografen Thomas Billhardt zu den Orten, wo er zu Kriegszeiten unter anderem die Bombardierung Hanois miterlebte. Bei seiner Recherche trifft Billhardt unter anderem seinen Freund Nguyen Van Nhiem wieder, der wie Son später in Babelsberg Film studierte. Son und Nhiem werden wie die Regisseure der anderen vietnamesischen Filme während der Berlinale als Gäste des Forums über das gegenwärtige Kinoschaffen in Vietnam ausführlich berichten.

Wir danken „Vietnam Airlines“ für die großzügige Unterstützung.

16. Januar 2001
email: presse@fdk-berlin.de