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So beginnen wir den Monat mit Filmen der deutschen und französischen Avantgarde der 20er Jahre. Wir haben diese Filme nach ihrer jeweiligen künstlerischen Zielsetzung diesmal in vier Gruppen aufgeteilt : abstrakte Experimente, Konstruktivismus und "absoluter Film" (hierzu gehören die deutschen Avantgardisten Walter Ruttmann, Hans Richter und Viking Eggeling, aber auch László Moholy-Nagy), Dadaismus und "Cinéma pur" (die französische Avantgarde mit Fernard Léger, Marcel Duchamp, Man Ray), Realismus/Dokumentarismus/Impressionismus (Dimitri Kirsanoff, Alberto Cavalcanti, Joris Ivens) und schließlich der Surrealismus (Germaine Dulac, Luis Buñuel). Genau lassen sich die Filme dieser einzelnen Stilrichtungen nicht voneinander abgrenzen, jedoch gibt es deutlich verschiedene Schwerpunkte zwischen den abstrakten Formspielen von Richter und Ruttmann, der fröhlichen Vermischung verschiedener Wirklichkeiten bei den Franzosen, dem Experimentmit Realität und Zeit bei Cavalcanti und Ivens und der Abbildung traumhafter Zustände bei den Surrrealisten. Von den Avantgarde-Filmen, die oft der Malerei nahestanden, gingen bedeutende Impulse und Anregungen aus, sie erweiterten den Horizont der Kinematografie und stellten ganz neue Modelle von Kino vor. Die Avantgarde-Filme entstanden außerhalb des filmindustriellen Systems, ohne das Ziel einer kommerziellen Verwertung. Sie wurden allerdings (so in Deutschland) nur unregelmäßig und selten aufgeführt, dafür aber häufig in Büchern, Katalogen oder Zeitschriftenartikeln kommentiert. In Frankreich entstanden dagegen schon in den 20er Jahren Filmclubs und spezialisierte Kinos als Plattformen für die avantgardistischen und experimentellen Filme. In Frankreich ist auch die Übergangszone zwischen avantgardistischem Film und narrativem Kino eher fließend. Regisseure wie Epstein oder René Clair begannen mit Experimenten und wandten sich dann dem Fiktionsfilm zu; auch die erzählenden Filme sind im Frankreich der Stummfilmepoche oft mit experimentellen Momenten ausgestattet (das Stilmittel der Montage gab es im französischen Film schon lange vor den Russen, so bei Abel Gance). Germaine Dulac drehte Filme in verschiedenen Genres, darunter auch einen Klassiker des Surrealismus, LA COQUILLE ET LE CLERGYMAN (Die Muschel und der Kleriker, 1927) nach einem Drehbuch von Artaud. Antonin Artaud, der Begründer des "Theaters der Grausamkeit", trat auch als Darsteller in verschiedenen Filmen der 20er Jahre auf, so spielte er den Marat in NAPOLEON von Abel Gance und einen Mönch in Dreyers LA PASSION DE JEANNE D'ARC. Die auf das Kapitel "Avantgarde" folgende kurze Übersicht über den französischen Stummfilm enthält solche Preziosen wie René Clairs lustige Fantasie PARIS QUI DORT (1924, ein Erfinder versetzt ganz Paris in Schlaf ), verschiedene Filme von Jean Epstein, so auch die Poe-Verfilmung LA CHUTE DE LA MAISON USHER (Der Fall des Hauses Usher) von 1928, die wegen ihrer fantastischen Bildsprache auch zum Avantgarde-Kino gerechnet werden könnte. Als Höhepunkt zeigen wir Abel Gances gewaltigen NAPOLEON mit Albert Dieudonné in der Hauptrolle, ein Abriss französischer Geschichte, filmisch orchestriert, visionär gesteigert und verdichtet, am Schluss mit der berühmten dreigeteilten Leinwand, dem "triple écran". Wir blenden danach ein Kapitel mit deutschen Filmen der späten 20er Jahre ein (noch sind diese Filme stumm). Als Auftakt zeigen wir einen "Bergfilm" (das Genre ist umstritten, Kracauer bringt es mit dem Faschismus in Verbindung) von Arnold Fanck, DER HEILIGE BERG (1926). Darauf folgen Beispiele realistisch orientierter Filme, die das deutsche Kino der späteren 20er Jahre charakterisieren, so MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK von Piel Jutzi (1929). Auch Ruttmanns BERLIN. DIE SINFONIE DER GROSSTADT (1927) muss man in diesem Zusammenhang sehen, obwohl dieser Film auch zur Avantgarde gerechnet werden kann. MENSCHEN AM SONNTAG (1930) von Siodmak/Ulmer/Wilder ist ein Abschluss dieser Epoche, der alle Strömungen und Impulse der Stummfilmzeit auf erfrischende Weise noch einmal zusammenfasst, dabei aber einem dokumentarisch-realistischen Ideal nahesteht. Es ging hier um die Darstellung von Alltag, um einen sozialen Querschnittsfilm mit satirischen Akzenten. Zum Abschluss des Monats ein erster Einstieg in den amerikanischen Stummfilm der 20er Jahre. Es dominieren hier Griffith (mit WAY DOWN EAST, 1920, einem Film, der die Russen beeinflusste), Erich von Stroheim, sein wichtigster Film ist der monumentale GREED (1923). Im Programm sind ferner John Ford und Lubitsch mit frühen Werken sowie die Meister der Filmkomödie, Chaplin, Buster Keaton und Harold Lloyd, jeweils mit einigen ihrer schönsten Filme, die reich sind an emblematischen Bildern (so Harold Lloyd, in SAFETY LAST an der Fassade eines Wolkenkratzers an den Zeigern einer Uhr hängend).

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