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Wir eröffnen mit Ulrich Weiß' vielleicht bekanntestem Film DEIN UNBEKANNTER BRUDER (1982, 15.9., Eröffnung mit Gästen). Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Willi Bredel erzählt der Film von dem jungen Kommunisten Arnold Clasen, der beim Anbringen antifaschistischer Losungen entdeckt und verhaftet wird, ins KZ kommt und nach seiner Entlassung versucht, seine Widerstandsaktionen fortzusetzen. Doch sein neuer Kontaktmann, ein erfahrener KPD-Genosse, erweist sich als Verräter. Weiß beschreibt die Vorgänge aus der Sicht eines Menschen, der die Zeit des Faschismus selbst nicht bewusst erlebt hat, der bestrebt ist, "… den inneren Zustand eines Menschen in jener Zeit für heute Lebende zu übersetzen. Es ist der Versuch einer Vermittlung. Wir geben weiter, was wir nicht selbst erlebt haben".

MEINE WAFFEN SIND NICHT GEBROCHEN – NUR MEIN HERZE BRACH
(1972, 16.9.) entstand für das DDR-Fernsehen zum 175. Geburtstag von Heinrich Heine. Die groteske Collage bringt uns Heine mit seiner Klarheit, Frechheit, Radikalität des Denkens, seinen gebrochenen Gefühlen, der pathetisch-ironischen Form vieler seiner Werke als Zeitgenossen nahe. In einer zweiten Fernseh-Produktion POTEMKIN FREI (1975, 16.9., zu Gast: Peter von Herwarth, Kamera) verfolgt Weiß die Rezeption des berühmten Eisenstein-Films in Deutschland und anderen Ländern mit ihren teilweise absurden Momenten.

BLAUVOGEL
(1979, 17.9., zu Gast: Peter Rabenalt, Musik), nach einer Erzählung von Anna Jürgen, ist ein Indianerfilm besonderer Art. Der etwa zehn Jahre alte englische Einwandererjunge Georg Ruster wird von Irokesen entführt und anstelle des im gleichen Alter gestorbenen In-dianerjungen Blauvogel von ihnen adoptiert und sozialisiert. Er lebt sieben Jahre bei ihnen, muss aber schließlich zu seiner englischen Familie zurückgehen, in deren wohlgeordneter Enge er es nicht mehr aushalten kann. Er geht weg, man weiß nicht, wohin.

OLLE HENRY
(1983, 20.9., zu Gast: Michael Gwisdek, angefragt, Peter Rabenalt) schildert im Berlin der unmittelbaren Nachkriegszeit die Situation des ehemaligen Profiboxers Henry, der nicht mehr zuschlagen kann. Eine Tragigroteske über einen zerstörten Menschen, der vom Krieg aus der Bahn geworfen wurde. Die Nachkriegsgesellschaft ohne alles Aufbaupathos, gesehen von einem, der das, was später aus ihr geworden ist, als nicht zukunftsfähig ansah und den Ausgangspunkt mit mitleidloser Schärfe betrachtet.

Weiß' erster Spielfilm, TAMBARI (1977, 21.9., zu Gast: Peter Rabenalt), nach dem Kinderbuch von Benno Pludra, erzählt von dem Jungen Jan, der für den Erhalt des Zeesenbootes seines verstorbenen Freundes, des alten Fischers Luden Dassow, kämpft, um dessen Testament zu erfüllen. Damit stellt er sich gegen die Engstirnigkeit, den Egoismus und das Geschäftsinteresse der Fi-scher des Dorfes – und scheitert. Vorfilm: MONTAGE ADÉ … – EIN BRIGADIER ERZÄHLT (1972, 21.9.) porträtiert einen Brigadier, der Hochspannungsleitungen repariert und von seinem Beruf, der Mischung aus Gefahr und Glück, fasziniert ist.

Die vier Spielfilme von Ulrich Weiß erregten in der DDR in erster Linie Befremden. Sie spalteten die Meinung der Kritik und der Kultur-Offiziellen, ließen Ulrich Weiß mehr und mehr als unkalkulierbar und potentielle Gefahr erscheinen. Nach OLLE HENRY konnte er in der DDR kein weiteres Projekt realisieren. In dieser Zeit ergab sich die Zusammenarbeit mit Maria Knilli an dem Drehbuch zu FOLLOW ME (Maria Knilli, BRD 1988, 28.9.), der melancholischen Geschichte eines tschechischen Philosophieprofessors, der nach dem Prager Frühling aus der Universität geworfen wird, zunächst in Prag als Totengräber und später als Gepäckträger auf einem Flughafen in einem westlichen Land arbeitet, wo die Maschinen seines Heimatlandes starten und landen …

Erst die temporären Freiheiten der unmittelbaren Wendezeit ermöglichten es Ulrich Weiß, nochmals einen Spielfilm zu inszenieren: MIRACULI (1992, 30.9., zu Gast: Tamara Trampe, Dramaturgie und Eberhard Geick, Kamera), in dem er Motive verarbeitet, mit denen er sich schon lange beschäftigt hatte. Den roten Faden bildet die tragikomische Geschichte eines jungen Mannes, der es nach einem Bagatelldelikt als moralische Buße auf sich nimmt, als ehrenamtlicher Kontrolleur bei der Straßenbahn zu arbeiten. In einer Art betäubendem Traum mit seinen seltsamen, bedrohlichen Verzerrungen der Realität erleben wir Bilder einer universellen Ungewissheit.

Im Anschluss an MIRACULI entstand dessen dokumentarisches Pendant, Weiß'letzter Film: ABSTECHER (1992, 30.9.). Eine Zugfahrt von Potsdam nach Jüterbog und Wittenberg und zurück im Herbst 1991, mit verschiedensten Bruchstücken der Alltags-Realität der ostdeutschen Provinz jener Zeit, wird zur Metapher einer Welt, die ins Schleudern gekommen ist. Vorfilm: ZUM ACHTENMAL (1972, 30.9.) stellt auf spielerisch-vertrackte Weise Arbeiter aus dem Braunkohlen-Tagebau Espenhain vor, die zum achten Mal ein Konzert klassischer Musik in Leipzig besuchen. (Erika Richter)
Mit Unterstützung der DEFA-Stiftung.

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