Das Internationale Forum des Jungen Films ist ein selbständiger Teil der Internationalen Filmfestspiele Berlin, der sich speziell dem innovativen und experimentellen Film widmet. Das Forum der Berlinale gehört zu den angesehensten Festspiel-Veranstaltungen in Europa und der Welt, die sich dem unabhängigen oder alternativen Film, dem Film der Entwicklungsländer oder dem Kino abseits der Genres und der Marktforderungen widmen. Das Forum wird im Rahmen der Berliner Filmfestspiele von den Freunden der Deutschen Kinemathek e.V. in eigener Verantwortung veranstaltet.
1971 ging das Forum aus einer Krise der Berliner Filmfestspiele hervor. Eine Einrichtung wurde gesucht, die sich neuartigen Filmgenres, dem Kino als Laboratorium oder dem Kino der Zukunft widmen sollte. Den Auftrag dazu übergab man den "Freunden der Deutschen Kinemathek". Leiter des Forums war von 1971 bis 2001 Ulrich Gregor.
Das Forum ist inzwischen zu einem unverzichtbaren Teil der Berliner Filmfestspiele mit eigener Zielsetzung und eigenem Profil geworden, das hohes internationales Renommee gewonnen hat.
Neuer Leiter des Forums ist seit Mitte 2001 Christoph Terhechte. Das Auswahlkomitee
besteht aus Erika Gregor, Ulrich Gregor, Anna Hoffmann, Erika Richter, Peter
B. Schumann, Christoph Terhechte und Dorothee Wenner.
Zielsetzung:
Das Forum stellt Filme in den Mittelpunkt, die sich durch eine experimentelle
filmische Form auszeichnen, die Stilmittel des Kinos weiterentwickeln, zeitgenössische
Erfahrungen reflektieren oder neue Horizonte erschließen. Dazu gehören
alle Genres, Stilarten und Formate des Kinos. Wir suchen Filme, die aufregen,
stimulieren, zum Nachdenken anregen, eine Diskussion erzeugen. Uns interessieren
Filme, die nicht im Hinblick auf den Markt entstanden, die als "unspielbar"
gelten, die aber eine Vision enthalten.
Mit "jungem Film" meinen wir nicht notwendigerweise Filme von jungen Regisseuren
(obwohl auch diese einen Schwerpunkt im Programm des Forums bilden), sondern
neuartige, ungewöhnliche Filme. Dabei spielt das Alter der Regisseure keine
Rolle. Deshalb und zur Vermeidung von Mißverständnissen nennen wir
das Forum im Englischen "International Forum of New Cinema" und im Französischen
"Forum du Nouveau Cinéma".
Profil:
Zu den Prinzipien des Forums gehört es, die Filme nach der Vorführung
im Kino mit den Zuschauern zu diskutieren (anstelle von Pressekonferenzen, auf
denen meistens nur die gleichen Fragen gestellt werden), ausführliches
Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen und im Anschluß an
das Festival auch für den Verleih der Filme zu sorgen. Die Filme sollen
nach dem Festival nicht verschwinden, sondern weiterhin im Bewußtsein
lebendig bleiben. Dazu bieten die Freunde der Deutschen Kinemathek ihre Mithilfe
an. Seit 1971 haben die Freunde eine umfangreiche Sammlung von Forums-Filmen
zusammengetragen, die im Rahmen von Verträgen für Kommunale Kinos,
Programmkinos und Filmkunsttherater, Goethe-Institute, Kultureinrichtungen,
Filmarchive und Festivals zur Verfügung stehen.
Auswahl:
Bei der Auswahl der Filme werden jene Beiträge bevorzugt, die noch nicht
auf anderen Festivals gezeigt worden sind. Dokumentarfilme sind ebenso zugelassen
wie Spielfilme oder Filme anderer Genres. Die Filme sollen in der Regel eine
Mindestlänge von 60 Minuten besitzen und dürfen in Deutschland noch
nicht im Kino oder im Fernsehen gezeigt worden sein. Die Filme werden von einer
Auswahlkommission in Berlin sowie auf Auswahlreisen ausgesucht. Das Forum zeigt
Filme im 35 mm- und 16 mm-Format und im Rahmen einer besonderen Programmreihe
auch Original-Videos aller Formate.
Kinos:
Die Filme des Forums werden in verschiedenen Spielstellen in Berlin gezeigt,
im Jahr 2002 werden dies voraussichtlich die folgenden Kinos sein (Stand: September
2001):
die Kinos CinemaxX 3 und 5 am Potsdamer Platz
die Kinos CineStar 8 und 5 am Potsdamer Platz
der Delphi-Palast am Zoo
das Kino Arsenal Kino 1 im Filmhaus am Potsdamer Platz
das Filmkunsthaus Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz
Das Hauptprogramm des Forums besteht aus täglich vier Veranstaltungen, daneben gibt es das Video-Programm und ein Mitternachts-Programm, das im Delphi um Mitternacht, in anderen Kinos jedoch auch zu anderen Zeiten gezeigt wird.
Information:
Die Filme des Forums werden durch eine Informationsbroschüre (Format A5)
sowie durch einen Katalog (Format A4) dokumentiert, in dem jeder Film mit einer
oder mehreren Seiten vorgestellt wird. Broschüre und Katalog sind zweisprachig
angelegt (deutsch und englisch). Darüberhinaus publiziert das Forum sein
Programm auch im Internet (unter der Adresse http://www.fdk-berlin.de/).
Das Kalendarium der öffentlich zugänglichen Veranstaltungen wird als
zusammenfaltbares Plakat (Leporello) gedruckt, daneben gibt es ein Bildplakat,
das meist auf einem Bildmotiv eines Forums-Films basiert.
Aus Anlaß seines 30-jährigen Jubiläums hat das Internationale Forum im Januar 2000 einen Dokumentationsband unter dem Titel "Zwischen Barrikade und Elfenbeinturm" herausgebracht, der Texte, Dokumente und Fotos aus der Geschichte des Forums zusammenstellt.
Resonanz/Echos/Urteile
"Das Internationale Forum, immer noch das wichtigste Nebenprogramm der Berliner
Filmfestspiele, ist für die Neugierigen unter den Cineasten schon seit
Jahren zu deren Hauptprogramm geworden." (Peter W. Jansen)
"Das Forum ist nach wie vor eine der wichtigsten internationalenPlattformen
für unabhängige Produktionen, die sich nicht bloß oder in erster
Linie als erfolgversprechende Massenprodukte am Kinomarkt verstehen... Das Forum
ist unentbehrlich für die Wahrnehmung der Vielstimmigkeit an filmischen
Ausdrucksformen."
(Robert Richter)
"Cineasten, die sich während der 10tägigen Mammutveranstaltung mit der Absicht tragen, innovative Filme zu entdecken, sind wie alle Jahre eher beim Internationalen Forum an der richtigen Adresse." (Josef Lederle)
"Das internationale Forum des Jungen Films erfüllt jene Aufgaben, die allein die sich rapide vermehrenden Filmfestivals und erst recht öffentliche Subventionen rechtfertigen: jene Spielarten der Filmkunst zu präsentieren, die - aus unterschiedlichen Gründen - im kommerziellen Betrieb keine Chance haben und im Fernsehen, wenn sie denn dahin gelangen, ihre Wirkung nur begrenzt entfalten können." (Thomas Rothschild)
Das Forum bisher - Highlights
Das Programm des Forums spiegelt in den drei Jahrzehnten seiner Geschichte
die Entwicklungslinien des internationalen Kinos im Bereich der unabhängigen
Produktion wieder. Verschiedene Regisseure, die im Forum ihre ersten Filme zeigten,
fanden später breite Anerkennung. So waren Raoul Ruiz, Derek Jarman, Peter
Greenaway Stamm-Regisseure des Forums; der frühe Schweizer Film (Tanner,
Soutter) sowie die Regisseure Allio, die Tavianis; Jean-Luc Godard war häufig
vertreten sowie Jean Eustache mit seinem Meisterwerk LA MAMAN ET LA PUTAIN;
Jacques Rivette präsentierte 1973 in einer Weltpremiere seinen 4 1/2 stündigen
Film OUT ONE SPECTRE (1991 lief der Film einer ungekürzte Fassung, Spieldauer
750 Minuten). Auf besondere und seltene, schwierige Filmwerke wie dieses hat
sich das Forum vor allem spezialisiert. Das Forum zeigte 1986 als erste Institution
in Deutschland Claude Lanzmanns "Shoah" und 1994 Bela Tarrs "Satantango", Filme,
die Geschichte machten und zur Welt-Kinematographie gehören.
Das Forum hat stets eine besondere Verpflichtung gegenüber der Geschichte empfunden und deswegen immer wieder Filme über die deutsche Vergangenheit, das Naziregime und den Holocaust, aber auch über Diktaturen in anderen Ländern (so den Stalinismus) und über Geschichtsmythen gezeigt. Wichtigstes Beispiel in der Geschichte des Forums unter den Filmen dieser Thematik war Claude Lanzmanns SHOAH, aber auch LODZ GHETTO Alan Adelson), PARTISANS OF VILNA (Josh Waletzky und Aviva Kempner), Marcel Ophuls' HOTEL TERMINUS oder Erwin Leisers PIMPF WAR JEDER.
Generell hat das Forum auch Filme von ungewöhnlichen Dimensionen bevorzugt,
so TAIGA von Ulrike Ottinger, 8 Stunden 21 Minuten; SATANTANGO, von Bela Tarr,
7 Stunden 16 Minuten. Zu den deutschen Regisseuren, die mit ihren Werken im
Forum präsent waren, gehören Rudolf Thome, Ulrike Ottinger, Jutta
Brückner, Hans-Jürgen Syberberg, Helma Sanders-Brahms, Rosa von Praunheim,
Werner Schroeter, Wim Wenders, die Dokumentaristen Rolf Schübel, Klaus
Wildenhahn und Helga Reidemeister; zwei Filmemacherinnen waren 1978 gleichzeitig
mit ihren Erstlingsfilmen im Forum vertreten: Margarethe von Trotta und Helke
Sander.
Geographie: Nachdem das Forum in den siebziger und achtziger Jahren seine Akzente
auf das europäische bzw. osteuropäische Kino sowie die US-Independents,
Lateinamerika und den internationalen Avantgardefilm setzte, folgte in den späten
achtziger und neunziger Jahren verstärkt die Entdeckung des unabhängigen
Kinos der asiatischen Filmländer wie Taiwan, Japan, Hongkong, Korea, Indien
(zweimal gab es eigene Panoramen des indischen Kinos), Singapur, Thailand, Philippinen,
Burma, Indonesien. Auch im Jahr 2000 hat das Forum diesen besonderen Akzent
aufrechterhalten und präsentiert 9 Filme und Videos aus Japan, aber auch
unabhängige Filme sowie Videos aus China und Hongkong.
Die Liste der Filmemacher, die durch das Forum bekanntgeworden sind, deren Filme in Berlin zu Ereignissen wurden, ist - neben den schon genannten Namen - lang und kann nur in Auszügen zitiert werden.
Deutschland: Winfried und Barbara Junge, Volker Koepp, Helke Misselwitz, Fred Kelemen, Erwin Leiser, Ula Stöckl, Wim Wenders, Gordian Maugg, Alexander Kluge, Edgar Reitz, R.W. Fassbinder, Romuald Karmakar, Herbert Achternbusch, Werner Schroeter, Andres Veiel, Jutta Brückner, Angela Schanelec, Pepe Danquart, Didi Danquart, Andreas Dresen, Fred Kelemen, Ulrike Ottinger, Helma Sanders-Brahms, Rudolf Thome, Thomas Arslan, Hans-Dieter Grabe, Ebbo Demant
Ost- und Mittelleuropa: Krzyzstof Kieslowski, Gabor Body, Istvan Szabo, Wassilij Schukschin, Andrej Tarkowskij, Otar Iosseliani, Sergej Paradshanow, Alexander Sokurow, Sergej Bodrow, Lucian Pintilie, Bachtiar Chudonasarow, Konstantin Lopushanski, Lidijy Bobrowa, Juri Chaschtschewatski, Oleg Kowalow, Eduard Sachariew, Miklos Jancso, Pjotr Luzik, Wladimir Chotinenko
Westeuropa: Jacques Rivette, Chantal Akerman, Aki und Mika Kaurismäki, Olivier Assayas, Derek Jarman, Leos Carax, Jean Rouch, Robert Kramer, Manoel de Oliveira, Edgardo Cozarinsky, Raymond Depardon, Claire Denis, Ken Loach, Mike Leigh, Gianni Amelio, Claude Lanzmann, Marcel Ophuls, Richard Dindo, Clemens Klopfenstein, Pappi Corsicato, Olivier Assayas, Dominique Cavrera, Richard Dindo, Fridrik Thor Fridriksson, Michael Haneke, Ruth Beckermann, Ron Havilio, Stefan Jarl, Johan van der Keuken, Boris Lehman, Theo Angelopoulos, Tsipi Reibenbach, Pantelis Voulgaris, Vincent Dieutre, Markku Lehmuskallio und Anastasia Lapsui, Yolande Zauberman, Jean-Claude Biette, Amos Gitai, Annik Leroy, Michael Kreihsl, Chris Marker
Lateinamerika: Jorge Sanjinez, Carlos Diegues, Nelson Pereira dos Santos, Eliseo Subiela, Fernando Solanas, Fernando Birri, fernando Perez
Afrika: Ousmane Sembène, Safi Faye, Djibril Diop Mambety, Souleymane Cissé, Gaston Kaboré, Abderrahmane Sissako, Jean-Marie Téno
Asien: Mrinal Sen, Buddhadeb Dasgupta, Hou Hsiao-hsien, Edward Yang, Stan Lai, King Hu, Wong Kar-wai, Shu Kei, Chen Kaige, Shinsuke Ogawa, Ning Ying, Rituparno Ghosh, Jia Zhang Ke, Koki Mitani, Kohei Oguri, Sabu, Shinobu Yaguchi, Fruit Chan, Kyoshi Kurosawa, Dariush Mehrjui, Mani Ratman. Johnnie To, Wu Wengguan
USA/Kanada: Jim Jarmusch, Atom Egoyan, Tom DiCillo, Todd Solondz, Yvonne Rainer, Frederick Wiseman, Don Alan Pennebaker, Jon Jost, Michael Snow, James Benning, Alan Berliner, Daniel Eisenberg, Ernie Gehr, Ken Jacobs, Michael Moore, Amos Poe, Todd Verow, Iara Lee, Michael Almereyda, Jennifer Fox, Peter Wintonick, David Gordon Green
Australien: Jane Campion
Das Internationale Forum des Jungen Films vergibt selbst keine Preise, jedoch
vergeben folgende unabhängige Jurys Preise für Filme des Internationalen
Forums des Jungen Films:
Wolfgang-Staudte-Preis (DM 20.000),
Caligari-Filmpreis (DM 5.000) des Bundesverbandes Kommunale Filmarbeit,
Preis der Leserjury der Berliner Zeitung (DM 5.000),
FIPRESCI-Preis der Internationalen Filmkritik,
Netpac Award (Network for the Promotion of Asian Films),
Preis der Ökumenischen Jury,
FICC-Jury,
CICAE-Preis (DM 5.000)
Friedensfilmpreis (DM 10.000)
Präsentationen auf anderen Festivals
Das Forum wurde von zahlreichen Institutionen, Archiven und Festivals eingeladen, eine Auswahl seines Programms zu zeigen. Forums-Hommagen bzw. Retrospektiven fanden an folgenden Orten statt: Cinémathèque Francaise, Paris; Cinémathèque Royale de Belgique, Brüssel; Filmoteca Espanola, Madrid; Filmoteca de Catalunya, Barcelona; Filmmuseum Moskau (Retrospektive 1995 mit 70 Filmen bzw. 40 Programmen), Filmpodium Zürich, Filmfestival Singapur, Europäisches Filmfestival Athen, Kurzfilmfestival in Grimstadt/Norwegen, Ungarisches Filminstitut/Budapest, Filmoteca in Mexico City, Verband der Filmschaffenden von Georgien in Tbilissi u.v.a.
Berlin, im September 2001