Avantgardistisches, Experimentelles, Essayistisches, Langzeitbeobachtungen, politische Reportagen, unbekannte Kinematographien - im Internationalen Forum des jungen Films begegnet sich alles, was jenseits des Mainstream liegt, neue und unkonventionelle filmische Wege geht. Dass diese Sektion der Berliner Filmfstspiele seit jeher auch einen Schwerpunkt auf politisch engagiertes Kino legt, hat mit ihrer Geschichte zu tun.

Mitte der sechziger Jahre zeigten die Berliner Filmfestspiele Ermüdungserscheinungen. Die politischen Umbrüche, die in der Luft lagen, spiegelten sich nicht in den gezeigten Filmen wider - während auf kleineren Festivals wie Oberhausen oder Mannheim das Medium Film bereits heftig als politisches Ausdrucks- und Kampfmittel diskutiert wurde. In dieser Situation gründeten Ulrich und Erika Gregor mit weiteren Mitstreitern der Freunde der Deutschen Kinemathek e.V. das Internationale Forum des Jungen Films.

Plötzlich stehen nicht mehr nur Stars und Glamour im Mittelpunkt, sondern das Kino wird auch als Ort kulturellen Austauschs und politischer Diskussion wahrgenommen. Nach den Vorführungen werden Gespräche zwischen Publikum und Regisseur organisiert. Zur Weiterführung gibt es die Forumsblätter mit Interviews, Hintergrundinformationen und Kritiken.

Der neue Forumsleiter Christoph Terhechte, der Ulrich Gregor 2001 ablöste, ist dem Konzept treu geblieben: "Das Forum hat meine eigene Filmbildung geprägt." Auch das 33. Forum versucht, den politischen und avantgardistischen Anspruch einzulösen, der das Forumsprogramm geprägt hat. Konsequent kümmert sich das Forum weiterhin um das unabhängige Kino aus aller Welt.


Resonanz
"Das Internationale Forum, immer noch das wichtigste Nebenprogramm der Berliner Filmfestspiele, ist für die Neugierigen unter den Cineasten schon seit Jahren zu deren Hauptprogramm geworden." (Peter W. Jansen)

"Das Forum ist nach wie vor eine der wichtigsten internationalenPlattformen für unabhängige Produktionen, die sich nicht bloß oder in erster Linie als erfolgversprechende Massenprodukte am Kinomarkt verstehen... Das Forum ist unentbehrlich für die Wahrnehmung der Vielstimmigkeit an filmischen Ausdrucksformen."
(Robert Richter)

"Cineasten, die sich während der 10tägigen Mammutveranstaltung mit der Absicht tragen, innovative Filme zu entdecken, sind wie alle Jahre eher beim Internationalen Forum an der richtigen Adresse." (Josef Lederle)

"Das internationale Forum des Jungen Films erfüllt jene Aufgaben, die allein die sich rapide vermehrenden Filmfestivals und erst recht öffentliche Subventionen rechtfertigen: jene Spielarten der Filmkunst zu präsentieren, die - aus unterschiedlichen Gründen - im kommerziellen Betrieb keine Chance haben und im Fernsehen, wenn sie denn dahin gelangen, ihre Wirkung nur begrenzt entfalten können." (Thomas Rothschild)

 

Das Forum bisher - Highlights 
Das Programm des Forums spiegelt in den drei Jahrzehnten seiner Geschichte die Entwicklungslinien des internationalen Kinos im Bereich der unabhängigen Produktion wieder. Verschiedene Regisseure, die im Forum ihre ersten Filme zeigten, fanden später breite Anerkennung. So waren Raoul Ruiz, Derek Jarman, Peter Greenaway Stamm-Regisseure des Forums; der frühe Schweizer Film (Tanner, Soutter) sowie die Regisseure Allio, die Tavianis; Jean-Luc Godard war häufig vertreten sowie Jean Eustache mit seinem Meisterwerk LA MAMAN ET LA PUTAIN; Jacques Rivette präsentierte 1973 in einer Weltpremiere seinen 4 1/2 stündigen Film OUT ONE SPECTRE (1991 lief der Film einer ungekürzte Fassung, Spieldauer 750 Minuten). Auf besondere und seltene, schwierige Filmwerke wie dieses hat sich das Forum vor allem spezialisiert. Das Forum zeigte 1986 als erste Institution in Deutschland Claude Lanzmanns "Shoah" und 1994 Bela Tarrs "Satantango", Filme, die Geschichte machten und zur Welt-Kinematographie gehören.

Das Forum hat stets eine besondere Verpflichtung gegenüber der Geschichte empfunden und deswegen immer wieder Filme über die deutsche Vergangenheit, das Naziregime und den Holocaust, aber auch über Diktaturen in anderen Ländern (so den Stalinismus) und über Geschichtsmythen gezeigt. Wichtigstes Beispiel in der Geschichte des Forums unter den Filmen dieser Thematik war Claude Lanzmanns SHOAH, aber auch LODZ GHETTO Alan Adelson), PARTISANS OF VILNA (Josh Waletzky und Aviva Kempner), Marcel Ophuls' HOTEL TERMINUS oder Erwin Leisers PIMPF WAR JEDER.

Generell hat das Forum auch Filme von ungewöhnlichen Dimensionen bevorzugt, so TAIGA von Ulrike Ottinger, 8 Stunden 21 Minuten; SATANTANGO, von Bela Tarr, 7 Stunden 16 Minuten. Zu den deutschen Regisseuren, die mit ihren Werken im Forum präsent waren, gehören Rudolf Thome, Ulrike Ottinger, Jutta Brückner, Hans-Jürgen Syberberg, Helma Sanders-Brahms, Rosa von Praunheim, Werner Schroeter, Wim Wenders, die Dokumentaristen Rolf Schübel, Klaus Wildenhahn und Helga Reidemeister; zwei Filmemacherinnen waren 1978 gleichzeitig mit ihren Erstlingsfilmen im Forum vertreten: Margarethe von Trotta und Helke Sander.
Geographie: Nachdem das Forum in den siebziger und achtziger Jahren seine Akzente auf das europäische bzw. osteuropäische Kino sowie die US-Independents, Lateinamerika und den internationalen Avantgardefilm setzte, folgte in den späten achtziger und neunziger Jahren verstärkt die Entdeckung des unabhängigen Kinos der asiatischen Filmländer wie Taiwan, Japan, Hongkong, Korea, Indien (zweimal gab es eigene Panoramen des indischen Kinos), Singapur, Thailand, Philippinen, Burma, Indonesien. Auch im Jahr 2000 hat das Forum diesen besonderen Akzent aufrechterhalten und präsentiert 9 Filme und Videos aus Japan, aber auch unabhängige Filme sowie Videos aus China und Hongkong.

Die Liste der Filmemacher, die durch das Forum bekanntgeworden sind, deren Filme in Berlin zu Ereignissen wurden, ist - neben den schon genannten Namen - lang und kann nur in Auszügen zitiert werden.

Deutschland: Winfried und Barbara Junge, Volker Koepp, Helke Misselwitz, Fred Kelemen, Erwin Leiser, Ula Stöckl, Wim Wenders, Gordian Maugg, Alexander Kluge, Edgar Reitz, R.W. Fassbinder, Romuald Karmakar, Herbert Achternbusch, Werner Schroeter, Andres Veiel, Jutta Brückner, Angela Schanelec, Pepe Danquart, Didi Danquart, Andreas Dresen, Fred Kelemen, Ulrike Ottinger, Helma Sanders-Brahms, Rudolf Thome, Thomas Arslan, Hans-Dieter Grabe, Ebbo Demant

Ost- und Mittelleuropa: Krzyzstof Kieslowski, Gabor Body, Istvan Szabo, Wassilij Schukschin, Andrej Tarkowskij, Otar Iosseliani, Sergej Paradshanow, Alexander Sokurow, Sergej Bodrow, Lucian Pintilie, Bachtiar Chudonasarow, Konstantin Lopushanski, Lidijy Bobrowa, Juri Chaschtschewatski, Oleg Kowalow, Eduard Sachariew, Miklos Jancso, Pjotr Luzik, Wladimir Chotinenko

Westeuropa: Jacques Rivette, Chantal Akerman, Aki und Mika Kaurismäki, Olivier Assayas, Derek Jarman, Leos Carax, Jean Rouch, Robert Kramer, Manoel de Oliveira, Edgardo Cozarinsky, Raymond Depardon, Claire Denis, Ken Loach, Mike Leigh, Gianni Amelio, Claude Lanzmann, Marcel Ophuls, Richard Dindo, Clemens Klopfenstein, Pappi Corsicato, Olivier Assayas, Dominique Cavrera, Richard Dindo, Fridrik Thor Fridriksson, Michael Haneke, Ruth Beckermann, Ron Havilio, Stefan Jarl, Johan van der Keuken, Boris Lehman, Theo Angelopoulos, Tsipi Reibenbach, Pantelis Voulgaris, Vincent Dieutre, Markku Lehmuskallio und Anastasia Lapsui, Yolande Zauberman, Jean-Claude Biette, Amos Gitai, Annik Leroy, Michael Kreihsl, Chris Marker

Lateinamerika: Jorge Sanjinez, Carlos Diegues, Nelson Pereira dos Santos, Eliseo Subiela, Fernando Solanas, Fernando Birri, fernando Perez 

Afrika: Ousmane Sembène, Safi Faye, Djibril Diop Mambety, Souleymane Cissé, Gaston Kaboré, Abderrahmane Sissako, Jean-Marie Téno

Asien: Mrinal Sen, Buddhadeb Dasgupta, Hou Hsiao-hsien, Edward Yang, Stan Lai, King Hu, Wong Kar-wai, Shu Kei, Chen Kaige, Shinsuke Ogawa, Ning Ying, Rituparno Ghosh, Jia Zhang Ke, Koki Mitani, Kohei Oguri, Sabu, Shinobu Yaguchi, Fruit Chan, Kyoshi Kurosawa, Dariush Mehrjui, Mani Ratman. Johnnie To, Wu Wengguan

USA/Kanada: Jim Jarmusch, Atom Egoyan, Tom DiCillo, Todd Solondz, Yvonne Rainer, Frederick Wiseman, Don Alan Pennebaker, Jon Jost, Michael Snow, James Benning, Alan Berliner, Daniel Eisenberg, Ernie Gehr, Ken Jacobs, Michael Moore, Amos Poe, Todd Verow, Iara Lee, Michael Almereyda, Jennifer Fox, Peter Wintonick, David Gordon Green

Australien: Jane Campion