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Zum Auftakt zeigen wir am Eröffnungsabend in der Uraufführung VILLA WATCH (2005) von Natascha Sadr-Haghighian und Judith Hopf. Der Film bezieht sich auf eine spezifische Szene in Luis Buñuels Würgeengel und interpretiert diese in der Gegenwart: Eine Gruppe von Personen ist aus unerklärlichen Gründen in einer Villa eingeschlossen und außer Stande, sie zu verlassen. Die Türen der Villa stehen offen, aber keiner geht hinaus oder hinein. VILLA WATCH greift drei Perspektiven auf, um die Ereignisse zu schildern, und setzt diese mit drei unterschiedlichen Kameras um. An diesem und dem Folgeabend zeigen wir außerdem Arbeiten von: Judith Hopf & Katrin Pesch, Meggie Schneider, Silke Helmerdig, Steffen Ramlow, Niklas Goldbach, Gunter Krüger, Karl Kels, Milena Gierke, Bärbel Freund & Rainer Bellenbaum, Karola Schlegelmilch, Wolfgang Lehmann, Deborah Phillips, Michael Brynntrup, Isabell Spengler, Florian Zeyfang, Ute Aurand & Bärbel Freund, Karl Heil, Anne Quirynen, Natascha Sadr-Haghighian. (19. & 20.1., im Arsenal 1, im Foyer und in der Black Box) Die in Zusammenarbeit mit Katrin Pesch entstandene Videoarbeit THE UNINVITED – EIN DOKUMENTARFILM (2005) von Judith Hopf zeigt den Tagesablauf einer jungen Familie, die durch die „Neue Mitte“ Berlins flaniert. Geisterfiguren, die als Personifizierungen gesellschaftlichen Unbehagens angesehen werden können, kreuzen stets von Neuem den Weg der Familie. In WELCOME (2004/05) von Meggie Schneider öffnet sich der Blick auf die zur Megalomanie tendierende Architektur der aufstrebenden chinesischen Metropole Guangzhou. In einer Pa- rallelmontage werden kehrende Frauen am Strand von Cheung Chau mit den kehrenden Männern auf dem Vorplatz des Bahnhofs in Guangzhou zu einer Choreographie des Alltags verbaut, Tradition und Moderne verschmelzen. HAVE A GOOD TIME (2000/2005) von Silke Helmerdig entstand während ihres ersten Besuchs von Familienangehörigen in Israel. Die Praxis der 60er Jahre aufgreifend, filmt sie ihre Reiseerlebnisse auf Super8 und sammelt parallel dazu mit dem Kassettenrekorder Toneindrücke. Durch die Überlagerungen entstehen Brüche und Bestätigungen, eine Mischung aus Vertrautem, Erwartetem und Überraschungen. Die Videoarbeit (2001) von Steffen Ramlow nähert sich der Frage nach dem Verhältnis von Trauma, Erinnerung und Selbstwahrnehmung. Unterschiedlichste Materialien – Röntgenbilder, Fotomontagen, Videomaterial, Super8-Filme, die von Körpersounds überlagert werden spüren der Beschaffenheit der Abbildung des Inneren im Äußeren nach. Die Videoarbeit MY BARRIO (2005) von Niklas Goldbach ist der erste Teil einer Trilogie, die sich mit den Veränderungen im städtischen Raum und der städtischen Kultur auseinandersetzt: Die Privatisierung öffentlichen Raums unterminiert die soziale Struktur der Städte. Ein einzelner Mann bewegt sich durch diese künstlichen öffentlichen Räume, in denen er wie ein Fremdkörper erscheint.
Gunter Krüger scratched und sampled in seinem Found Footage Film DRAMA, STRINGS AND HORNS (1999) ein 60 Sekunden langes Fundstück des DDR-Fernsehens aus dem Jahre 1968. Die sich anfangs abzeichnende Konzentration auf eine narrative Struktur wandelt sich unmerklich in eine allein über die rhythmische Bildfolge sich vermittelnde Spannung. (19.1.). Auf eine ganz besondere Art und Weise bieten die Tierfilme von Karl Kels eine Reflexion über das Sehen. Für seinen stummen, experimentellen Dokumentarfilm ELEFANTEN (2000) war der Filmemacher über fünf Jahre hinweg immer wieder im Wiener Zoo, um das Elefantenhaus während des Umbaus zum Affengehege zu filmen, in festen, unbeirrten Einstellungen. Die Bewegung vollzieht sich im Bild. Während man innerhalb dieses festgesteckten Rahmens Dickhäuter, Bulldozer, Schuttcontainer, Bäume, Paviane, Wärter und vieles mehr beobachten kann, sieht man vor allem auch sich selbst beim Sehen zu und wird sich dabei seiner Erwartungen bewusst, die mal enttäuscht und dann wieder überrascht werden. (19.1.) Zum Auftakt des zweiten Abends wird Milena Gierke am Super8-Projektor LE CORBUSIER AU MISTRAL (2005) vorführen. Während des Mistral filmt sie in der Nachmittagshitze in Marseille einen großen Komplex von Le Corbusier. Ein intensives Blau, wiederkehrende bühnenartige Durchblicke, die eine zweite Bildebende eröffnen, und eine bestechende Tiefenschärfe bleiben in der Erinnerung des Betrachters haften. In der Zeit von März bis August 1990 haben Bärbel Freund und Rainer Bellenbaum für ihren Film FÄRBLEIN (1990/92) in Ostberlin und Umgebung auf Kodak-Material das Design und die Farben eines sich in Auflösung befindlichen Landes aufgezeichnet. In der Konzentration auf die malerische und formale Komponente alltäglicher Gegenstände entfaltet sich eine visuelle Dramaturgie, in der das Bewusstsein durchscheint, im Moment der Aufnahme eine der Vergänglichkeit anheim fallende Welt festzuhalten und sie in den Raum der Erinnerung zu überführen. Karola Schlegelmilch sammelt in DIE RESONANZ VON AUGENBLICKEN II (2001) Eindrücke, die größtenteils auf Super8 bei Aufenthalten in Westafrika, Italien, Paris und verschiedenenen Teilen Deutschlands entstanden, und von ihr thematisch strukturiert und assoziativ miteinander verknüpft wurden. Die Aufnahmen sammeln Scheinhandlungen oder Imitationen, die hinter ihrer Leichtigkeit in Bereiche vordringen, die aus dem konkreten Alltag oft ausgespart werden.
Inspirationsquelle für Wolfgang Lehmanns stummes Filmpoem über das Meer DER KLANG DES MEERES (2005), das in Zusammenarbeit mit Telemach Wiesinger entstand, waren die von Herman Melville beschriebenen „Seelenbilder“ in seinem Roman „Moby Dick“. In klaren Schwarzweiß-Bildern, die in der Montage stark rhythmisiert werden, entfaltet sich in der Stille eine Musikalität, die sich zu einer imaginären Reise in die Wellenlandschaft der Atlantikküste verdichtet. Die Super8 Aufnahmen für 71 entstanden 2004 während eines kurzen Aufenthalts Deborah Phillips in Taipeh. Durch bewusstes Experimentieren mit dem Farbmaterial, die Verflechtung desselben mit Dias und Fotonegativen und die für die Künstlerin kennzeichnende Arbeit mit Mehrfachbelichtungen und Überblendungen entstand eine lyrische Reiseimpression, die mit Musik von Urban Myth und Betel Nut Brothers (Taiwan) untermalt ist. (20.1.) In Michael Brynntrups Miniatur THE HONGKONG SHOWCASE (2005) wird das Schaufenster des Emporio Armani Megastore in Hongkong zur Bühne, indem die Kamera in einiger Entfernung die Arbeit eines Schaufensterputzers festhält. In der Dokumentation dieses einfachen Arbeitsvorgangs entfaltet sich eine stille Differenz zwischen den Erscheinungen einer zunehmend globalisierten Konsumwelt und dem Beharren auf der Individulität des Einzelnen.
Isabell Spenglers Film PERMANENT RESIDENTS (2005) kombiniert extremes Kostümdesign mit einer dokumentarischen Inszenierung von Alltagshandlungen im zeitgenössischen Stadtraum von Los Angeles. In kompositorisch ausgefeilten Bildkadern entfaltet sich in der Entsprechung der malerischen Textur der jeweiligen Kostüme und des Environments auf Seiten des Betrachters ein imaginärer Raum kollektiver Vorstellungswelten. In dem Animationsvideo PATHOS OF DISTANCE (1996) von Florian Zeyfang verdichtet sich das Loblied auf die Universalität technologischer Kommunikationsformen eines während des Internet-Booms im Fernsehen ausgestrahlten IBM-Werbespots durch die zeichnerische Aneignung des Tracing und durch die Distanzierung mittels eingefügter Texttafeln zu einer kritischen Hinterfragung der Vermittlung von Technologie als Selbstzweck und sinnstiftendem Moment. Die grafische Überzeichnung existierender Film- und TV-Bilder findet sich, neben dem Einsatz von Bildstörungen, auch in der Videoarbeit TRANSMISSION ATTEMPTS (1998), die sich mit der Rolle von Film und Video als propagandistisches und politisches Medium auseinandersetzt. In QUOTE FASSBINDER UNQUOTE (2002) wird anhand der von einer Frauenstimme vorgetragenen Textpassage von R.W. Fassbinder zu Berlin Alexanderplatz und unter Verwendung abstrahierender Zeichnungen im Stile eines Storyboards, sowie Fotos vom Set der Fernsehserie das Verhältnis der zentralen Charaktere Franz Biberkopf und Reinhold untersucht. Im Rahmen des Projekts A-Clip entstand in Zusammenarbeit mit Ulrich Heinke und Rolf Pilarsky DEMONCRAZY (2003), ein Video, das die Pervertierung von Demokratie als amerikanisches Billigprodukt und Exportschlager kritisch beleuchtet. Natascha Sadr-Haghighians und Michael Guggenheims Videoarbeit POINT OF VIEW, ON ART IN HOSPITALS (1998-2001) basiert auf Interviews und Fotos aus Krankenhäusern in Berlin und London. Das Rechercheprojekt befasst sich mit der Frage, welche Rolle Kunst im Krankenhaus spielt und wer entscheidet, was dort aufgehängt und betrachtet wird. In Karl Heils Miniatur BÄRBEL ERZÄHLT EINEN FILM (2005) entfaltet sich eine Momentaufnahme zur Verdichtung des Themas Film im Film. Eine Frau sitzt auf einem Baumstamm am See und erzählt aus Abbas Kirostamis Der Geschmack der Kirsche. Das Filmgedicht IM GARTEN (2002) von Bärbel Freund und Ute Aurand ist ein Porträt des Karl-Foerster-Gartens in Potsdam Bornim. In stummen Bildern von intensiver visueller Kraft erzählt der Film vom Werden und Vergehen der Pflanzen über den Zeitraum von einem Jahr. (20.1.) An beiden Abenden zeigen wir in der Black Box im Foyer des Kinos drei installative Arbeiten. Die als Single-Channel-Video und Installation angelegte Arbeit PROPRIO APERTO (2005), von Judith Hopf, Natascha Sadr-Haghighian und Florian Zeyfang zeigt einen Spaziergang durch die Giardini, das Gelände der Biennale von Venedig, im Winter. Die dabei geführten Gespräche resultieren in einen Text, der um Ruinenlandschaften, Gespenster und das Dasein in der Kulturhegemonie kreist. Die Bilder – eigentlich Fotos – werden in langsamen Schwenks abgetastet, wobei der unterschiedliche Zerstörungsgrad der Pavillons mehr und mehr in den Mittelpunkt rückt. In VICE/VIRTUE (2003) reflektiert Natascha Sadr-Haghighians spielerisch vorgegebene Perspektivkonstruktionen. Ein kurzer Videoloop zeigt abwechselnd zwei animierte Zeichnungen, einen Gefängnishof und eine Bühne. Zwei große Suchlichter durchwandern beide Bilder. Alle 20 Sekunden fängt das Bild an sich zu drehen. Die Elemente fallen auseinander und setzen sich zum jeweiligen Gegenbild wieder zusammen. So wird in einer Endlosschleife aus dem Gefängnishof die Bühne, aus der Bühne wieder der Gefängnishof. Der Loop wird von oben auf einen Stapel DIN A3 Papier projiziert. Anne Quirynen macht in MAXIMILIANS DARKROOM (2004) den Betrachter zum Protagonisten seiner selbst. Der Kopf des Zuschauers schließt die offene Rückseite der Installationsblackbox, sein Gesichtsfeld ist so groß wie die Leinwand, und nichts als sein Blick erfüllt den Raum. Eine Laterna Magica der besonderen Art, die die Frühzeit des Kinos als Avantgarde begreift: Ein offener Raum der ästhetischen Grenzerfahrung, in dem Stummfilm, Performance und Queer Cinema ineinander übergehen.
Beide Abende finden in Anwesenheit der Filmemacher und Filmemacherinnen, Künstler und Künstlerinnen statt.

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