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LA CADUTA DEGLI DEI (Die Verdammten, 1969) ist Viscontis erster Teil seiner sogenannten "deutschen Trilogie". Der Film beginnt am 27.2.1933: die Nachricht vom Reichstagsbrand platzt in die opulente Geburtstagsfeier des Familienoberhaupts und Konzerndirektors Joachim von Essenbeck. Die kontroversen Meinungen innerhalb der großen Industriellenfamilie brechen auf, eine Tragödie beginnt. Der umstrittene Film – man warf Visconti vor, den deutschen Faschismus ins inadäquate Melodramatisch-Opernhafte übersetzt zu haben – ist ein überhöhtes Gemälde blutrünstiger Konspiration, abgründiger Dekadenz und schicksalhaften Verfalls. (22. & 25.12.) Viscontis vorletzter Film GRUPPO DI FAMIGLIA IN UN INTERNO (Gewalt und Leidenschaft, 1973) kann als sein künstlerisches Testament verstanden werden. Wie die wörtliche Übersetzung des Titels, "Familiengruppe in einem Interieur", andeutet, spielt der Film hauptsächlich an einem Ort: einem römischen Palazzo. Hier lebt der menschenscheue, ältere Professor, der sich ausschließlich mit Kunstwissenschaft beschäftigt. In sein zurückgezogenes Leben bricht eine Gruppe junger Leute ein, deren freizügigen Lebensstil er abwechselnd mit Entsetzen, Erstaunen und Sympathie betrachtet. Der Clan zieht den Professor in chaotische und hysterische Auseinandersetzungen, die ihn dazu zwingen, über sein eigenes Dasein nachzudenken. Am Ende des Films steht die Unüberbrückbarkeit der Generationen – ein Resümee ohne Bitterkeit, aber voller Verzweiflung und Pessimismus. (4. & 6.12.) Wir wiederholen einige Filme der Retro aus dem Novemberprogramm. Viscontis Filmdebüt und zentrales Werk des aufkommenden Neorealismus ist OSSESSIONE (Besessenheit, 1943). An einer Landstraße im Po-Delta liegt eine heruntergekommene Tankstelle mit Restaurant, die von einem grobschlächtigen Kneipier bewirtschaftet wird. Ein als Mechaniker eingestellter Landstreicher verliebt sich in die Frau des Wirts; gemeinsam beschließen sie, ihren Mann umzubringen. Vor dem Hintergrund der Kriminalgeschichte zeichnet Visconti ein Panorama des italienischen Provinzlebens und öffnet den Blick auf die trübselige, ungeschminkte Wirklichkeit Italiens. (3.12.) Viscontis LA TERRA TREMA (1948) zählt zu den Höhepunkten des italienischen Nachkriegsfilms. Der junge sizilianische Fischer Ntoni lehnt sich gegen das Preisdiktat der Fischgroßhändler auf und macht sich selbstständig. Als er sein Schiff verliert, muss er sich zwar dem Grossisten erneut unterwerfen, erkennt jedoch die Möglichkeit der zukünftigen Befreiung. Visconti präsentiert in LA TERRA TREMA nicht nur die gesellschaftliche Determiniertheit menschlicher Existenz, sondern auch ihre Eigenverantwortlichkeit. Trotz des dokumentarischen Gestus des Films – die Fischer und ihre Familien wurden von Einwohnern eines sizilianischen Dorfes gespielt, alle Dialoge wurden von den Laiendarstellern improvisiert – erinnert LA TERRA TREMA sowohl an eine antike Tragödie als auch an eine italienische Oper. (14.12) Der durchgehend von einem Gefühl der Resignation getragene Film IL GATTOPARDO (Der Leopard, 1963) spielt zur Zeit des "risorgimento". In Anlehnung an den gleichnamigen Roman von Lampedusa fächert Visconti ein großes Panorama der untergehenden sizilianischen Adelswelt auf. Der alternde Fabrizio, Fürst von Salina, erkennt, dass die Feudalzeit ihrem Ende entgegengeht. Auch wenn er sich zeitweise aus taktischen Gründen den Kräften des Neuen, des Bürgertums und den demokratischen Institutionen beugt, kann er sich ihnen doch nicht anschließen. Sinnbild dafür ist die glorreiche finale Ballsequenz – "ein Todestanz in nicht enden wollender Schönheit". (Harry Tomicek) (26.12.) "Was mich an der Geschichte interessiert", so Visconti über die literarische Vorlage von Thomas Mann, "ist das menschliche Drama eines Künstlers, die Geschichte seiner Einsamkeit und seiner Verzweiflung." Im Unterschied zu Manns Novelle ist die Hauptperson in Viscontis Film MORTE A VENEZIA/DEATH IN VENICE (1971) der kränkliche Komponist Aschenbach, der einen Urlaub in Venedig verbringt und auf der Suche nach dem absolut Schönen dem engelhaften Tadzio verfällt. Der Untergang Aschenbachs spiegelt sich in der morbiden Lagunenstadt, die von Scirocco und Cholera heimgesucht wird. "Die Evokation einer in Schönheit ihrem Untergang entgegentreibenden Welt ist Visconti in keinem anderen Film in solcher Meisterschaft geglückt." (Ulrich Gregor) (18.12.) Die Figur des Bayernkönigs in LUDWIG (1972) konzipierte Visconti als eine Art Parallelfigur zu Aschenbach. Beide widmen ihr Leben der Kunst und der Schönheit. Doch auch König Ludwigs ambitionierte Pläne, ein universelles Reich der Künste zu erschaffen, sind zum Scheitern verurteilt. Seine unerfüllte Liebe zur Schwägerin Elisabeth verstärken seine Vereinsamung und Verbitterung angesichts der ihn ungebenden widrigen Umstände. Kurz nachdem die Opposition den verschwenderischen König entmündigt hat, wird er tot aufgefunden. Visconti betrieb für LUDWIG einen beispiellosen inszenatorischen Aufwand, der zwiespältig aufgenommen wurde. Dennoch: "LUDWIG ist ein Film, wie es ihn wohl nie mehr geben wird; Summe und Höhepunkt einer von Jahrhunderten europäischer Kultur geprägten und durchdrungenen Einbildungskraft, eines von Geschichte und Erinnerung, Veranlagung und Sensibilität gestalteten Bewusstseins." (Martin Schaub) (8.12.) Mit Unterstützung und in Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut. Hinweisen möchten wir auf die Ausstellung "Hommage an Visconti", die vom 7. Dezember bis zum 5. März 2007 im Schwulen Museum zu sehen sein wird.

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