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"Jack Smith war ein herausragender Filmemacher, radikaler Fotograf, bahnbrechender Performancekünstler und Idol der Queer-Szene. Sein ganzes Leben hindurch war er dem abgetakelten Zauber und Glanz Hollywoods, das auch seinen Geist entscheidend prägte, verfallen. Smith externalisierte seine Obsession mit diesem heruntergekommenen Glamour. So gelang es ihm, dem fortschrittsvernarrten Konservatismus eines von wirtschaftlichen Spekulationen und Kaltem Krieg gezeichneten Amerika exotische und humane Seiten gleichermaßen abzugewinnen. Er war eine Schlüsselfigur in der Kulturgeschichte von Downtown-Film, -Performance und -Kunst. Von den späten 50er Jahren bis zu seinem AIDS-Tod im Jahr 1989 fanden vor allem seine Film- und Performance-Arbeiten Anerkennung. Innovativ und eigenwillig erforschte und entwickelte Smith eine trügerisch frivole Camp-Ästhetik." (Jerry Tartaglia) Als Eröffnungsprogramm zeigen wir Smiths bekanntesten Film FLAMING CREATURES (1963) zusammen mit einer Auswahl seiner eher unbekannten, zum größten Teil rekonstruierten Kurzfilme. FLAMING CREATURES feiert in schimmernden schwarz-weiß-Bildern eine tumultartige Harem-Party, die die Möglichkeit grenzenloser erotischer Ausschweifungen ergreift. SCOTCH TAPE (1959-62), Smiths erster veröffentlichter Film, benannt nach einem Stück Klebeband, das am Zelluloid kleben geblieben ist, zeigt in schönen Farben einen spielerischen Aufenthalt in einem Abstelllager. OVERSTIMULATED (1959-63) ist in Smiths Wohnung gedreht und zeigt den Filmemacher mit seinem damaligen Weggefährten Bob Fleischner beim Hüpfen vor dem Fernseher. RESPECTABLE CREATURES (50er Jahre/ 1966) besteht aus einer Zusammenstellung verschiedener Episoden, die Smiths Verehrung von Maria Montez zu verdanken sind, nebst einer Sequenz, die Smith 1966 beim Karneval in Rio gedreht hat. Die Entstehung von Smiths Farbfilm JUNGLE ISLAND/REEFERS OF TECHNICOLOR ISLAND (1967) bleibt immer noch im Dunkeln. Sicher ist, dass der Film als Teil von Smiths Präsentation "Horror and Fantasy at Midnight" 1967 beim New Cinema Playhouse an der 42. Straße uraufgeführt wurde. In SONG FOR RENT (1968/69) sehen wir Smith in seinem Drag-Alter ego als Rose Courtyard, die einen Rollstuhl benutzt, während sie Kate Smiths Hymne "God Bless America" zuhört. HOT AIR SPECIALISTS (70er Jahre) zeigt Smith in Drag bei einem erfolglosen Rendezvous mit einem Unbekannten. (2.2.) Das zweite Smith-Program wird mit Andy Warhols SCREEN TEST (1964) von Jack Smith eröffnet. Dazu kommt Smiths letzter 16mm-Spielfilm NO PRESIDENT (1967-70), der aus einer späteren Fassung seiner "Horror"- und "Fantasy"-Präsentationen von 1967 entstanden ist. Zwei Wochen nach Richard Nixons Amtseinführung im Februar 1969 fand die Premiere einer Fassung von NO PRESIDENT statt, die in den folgenden Monaten zahlreiche Eingriffe durch den Regisseur erleben sollte. Die heute kursierende, von Jerry Tartaglia rekonstruierte Version ist ein Hybrid aus phantasievollen Sequenzen, die in Smiths Studio mit Mario Montez, Irving Rosenthal, Tally Brown und anderen gefilmt worden sind, und aus Found Footage, die unter anderem den damaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Wendell Willkie bei einer Rede an die "Future Farmers of America" abbildet. Das Material zu I WAS A MALE YVONNE DE CARLO (1970) entstammt einer Reihe von Filmen und Diashows, in denen sich Jack Smith als "Mock Celebrity" iszeniert und seinen Selbstekel und die ständige Angst vor der Ausbeutung durch die Kulturindustrie als Travestie gestaltet. THE YELLOW SEQUENCE (NORMAL LOVE ADDENDUM REEL) (1963) besteht aus Aufnahmen mit dem späteren Kult-Entertainer Tiny Tim und dem Drag Performer Francis Francine (Flaming Creatures, Lonesome Cowboys). Angeblich als Teil von NORMAL LOVE gedacht, bleibt diese schillernde Sequenz aus der rekonstruierten Fassung des Filmes übrig. (4.2) Das dritte Programm besteht aus NORMAL LOVE (1963), der Film, den Smith als "kommerziellen" Nachfolger zu FLAMING CREATURES konzipiert hat. In einem Interview sprach der Regisseur von einem "hübschen, in Pastellfarben gehaltenen Film, der den definitiven weichen, milchigen Ausdruck bringen wird. Alle Charaktere tragen rosa Abendroben und grinsen und starren in die Kamera." Nach Smiths Aufzeichnungen sollte das Werk aus sechs ausladenden Sequenzen bestehen, die zum Teil von einer von Mario Montez gespielten Meerjungfrau inspiriert sind. Höhepunkt des bukolischen Reigens ist die berühmte "Cake Scene" – ein Ensemble halbnackter männlicher und weiblicher Chorschönheiten, darunter Andy Warhol und zahlreiche Underground-Künstlerinnen, windet sich auf einem riesigen, weißrosa gefärbten Baumkuchen, entworfen nach einem Modell von Claes Oldenburg. Der Hauptfilm wird begleitet von einem Andy Warhol-SCREEN TEST mit Smith-Star Beverly Grant und einem Gérard Courant-CINEMATON mit der vor kurzem verstorbenen Tochter von Maria Montez, dem französischen Underground-Star Tina Aumont. (6.2.) Die Retrospektive wird während der Berlinale beim "Forum expanded" mit einem letzten Programm, das unter anderem die von den Freunden der Deutschen Kinemathek neurestaurierten Super 8-Filme Smiths beinhaltet, zu Ende geführt. Vor der Vorführung am 4.2. findet um 18 Uhr eine Buchpräsentation des von "Editions Camera Austria" kürzlich publizierten Buchs Golden Years. Materialien und Positionen zu Queerer Subkultur und Avantgarde zwischen 1959-1974 (2006), in dem zahlreiche Quellentexte zur New Yorker Underground-Szene sowie zeitgenössische theoretische Ansätze zu finden sind. Diskussion mit Diedrich Diederichsen (Hg.), Matthias Haase (Hg.), Juliane Rebentisch (Hg.), Marc Siegel und Jerry Tartaglia. "Underground/Übersee" wurde kuratiert von Marc Siegel und wird realisiert mit der großzügigen Unterstützung durch den Hauptstadtkulturfonds. Unser Dank gilt Gérard Courant, Jerry Tartaglia und Kitty Cleary (MOMA/New York).

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