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Bereits letztes Jahr wurde Pascale Ferrans LADY CHATTERLEY ET L'HOMME DES BOIS (Lady Chatterley, Frankreich 2006) im Programm der Berlinale präsentiert. Der Titel des Films verweist auf den literarischen Ursprung des Films. Doch Ferran wählte nicht den berühmten, bereits vielfach verfilmten Roman von D.H. Lawrence, "Lady Chatterley's Lover", sondern den zweiten in der Beschreibung des Liebespaares wesentlich zärtlicheren Entwurf des Autors, "John Thomas and Lady Jane". Pascale Ferrans präzise wie eigenständige "Übersetzung" der Vorlage greift u.a. diesen Aspekt der Zärtlichkeit auf. Die Liebesszenen zwischen der empfindsamen Aristokratin Constance, deren Ehemann querschnittsgelähmt aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt ist, und dem eigenbrötlerischen Jagdaufseher Larkin sind von berückender Körperlichkeit, inszeniert als ein inniges Herantasten und gegenseitiges Entdecken. Ganz ohne jeden Voyeurismus erforscht Pascale Ferran das Wesen des Begehrens. (7. & 9.8.) Melancholie und das Gefühl der Isolation bestimmen die düstere Gemütslage der Protagonisten in Nuri Bilge Ceylans viertem Film IKLIMLER (Jahreszeiten, Türkei/Frankreich 2006) über ein Paar in der Krise, dargestellt vom Regisseur und seiner Frau Ebru Ceylan selbst. Der Archäologe Isa und die Fernsehproduzentin Bahar verbringen einen gemeinsamen Sommerurlaub. Doch ihre Beziehung steuert auf ein Ende zu. Ein provozierter Eklat während eines Abendessens mit Freunden führt zur Trennung. Zurück in Istanbul lässt Isa seine alte Affäre mit Serap wieder aufleben; Bahar stürzt sich in die Arbeit. Als Isa Jahre später erfährt, dass Bahar längere Zeit an einem Projekt auf dem Land arbeiten wird, reist er ihr hinterher und versucht sie zurückzugewinnen. Mit diesem präzise komponierten, an wenigen Orten spielenden, stillen Drama um eine erloschene Liebe erweist sich der Filmemacher, Autor und Produzent Nuri Bilge Ceylan erneut als ein Chronist des Zerfalls und der Gegensätze von Stadt und Provinz. (10. & 13.8.) Kaum ein anderes Künstler-Multi-Talent hat sein öffentliches Erscheinungsbild in den letzten Jahrzehnten ähnlich oft neu erfunden und definiert wie Bob Dylan. Diesem Umstand Rechnung tragend wird die schillernde Musik-Ikone Dylan im Laufe des auf dem Festival von Venedig 2007 gefeierten und ausgezeichneten Films I'M NOT THERE (USA 2007) von Todd Haynes von sechs verschiedenen Darstellern (Christian Bale, Cate Blanchett, Marcus Carl Franklin, Heath Ledger, Ben Whishaw und Richard Gere) verkörpert. In einer Mischung aus Nähe und respektvoller Distanz zu seinem Protagonisten lässt Haynes, der mit seinen frühen Filmen in den 90er Jahren mehrmals Gast des Forums der Berlinale war, verschiedene Stationen aus Dylans Karriere Revue passieren. (15. & 16.8.) Weggehen hat selten etwas mit Glück oder gar Luxus zu tun, schon gar nicht für die ukrainische Krankenschwester Olga oder den jungen Pauli aus Wien, den beiden Hauptpersonen in Ulrich Seidls zweitem Spielfilm und Roadmovie IMPORT/EXPORT (Österreich 2007). Olga versucht sich in Österreich als Kindermädchen und später als Putzfrau zu verdingen, und Pauli macht sich mit seinem Schwiegervater auf den Weg in die Länder des Ostens, um dort Automaten aufzustellen. Ganz direkt, unausweichlich und insistierend zeigt Seidl Bilder vom Sterben, von sexueller und ökonomischer Ausbeutung und vom Verlieren der Hoffnung. Doch weder Olga noch Pauli wollen sich vollständig von den Verhältnissen bestimmen lassen und kämpfen um ihre Würde. (17. & 20.8.) Den jüngsten Teil seiner "Photographie und jenseits"-Serie widmet Heinz Emigholz dem österreichischen Architekten Adolf Loos: LOOS ORNAMENTAL (Österreich/D 2007), der seine Uraufführung im Rahmen des diesjährigen Forum der Berlinale hatte, zeigt 27 noch existierende Bauwerke und Innenausstattungen von Adolf Loos (1870–1933) in der Chronologie ihrer Entstehung. Loos war ein Begründer der europäischen architektonischen Moderne. Seine offensive Wendung gegen eine ornamentale Verzierung von Gebäuden wurde zum architekturtheoretischen Streitfall. Die Entwicklung seines "Raumplanes" setzte ein neues Denken über die zu bauenden Räume in Kraft. Die Bauwerke – Häuser, Laden- und Wohnungseinrichtungen, Fassaden und Denkmäler – stammen aus den Jahren 1899 bis 1931 und wurden in Wien, Niederösterreich, Prag, Brno, Pilsen, Nachod und Paris im Kontext ihrer heutigen Umgebungen im Jahr 2006 aufgenommen. (21. & 23.8.) Die vierteilige französische Comicbuchreihe "Persepolis" von Marjane Satrapi über ihre Kindheit im Iran und ihre Jugend in Europa gehört zu den interessantesten Comics der letzten Jahre. Zusammen mit Vincent Paronnaud hat die Autorin 2007 ihre Lebensgeschichte fürs Kino umgesetzt: Der Animationsfilm PERSEPOLIS (Frankreich/USA) erzählt von Satrapis Kindheitstagen in Teheran zur Zeit des Schahs und der ersten Jahre unter dem Mullah-Regime, bis ihre Eltern sie im Alter von 14 Jahren nach Österreich schicken. Hier beginnt eine Odyssee durch eine fremde Stadt und eine unbekannte Kultur. Im Alter von 33 Jahren emigriert sie schließlich nach Frankreich, wo sie ihr wechselvolles Leben zwischen zwei Kulturen mit Selbstironie und Situationskomik zunächst im Comic-Format und dann als Animationsfilm festhält. (24. & 27.8.)

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