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THE AFRICAN QUEEN (John Huston, USA 1951, 1. & 2.1.) Eine Flussfahrt durch Belgisch-Kongo kurz nach Ausbruch des 1. Weltkriegs vereint die vermeintlichen Gegensätze: sowohl die konträren Genres – Abenteuerfilm und Kammerspiel –, als auch die ungleichen Protagonisten Rose (Katharine Hepburn), eine betuliche Missionsschwester, und Charlie (Humphrey Bogart), den ungehobelten Flussschiffer. Der kaum fahrtüchtige, titelgebende Kutter wird als Dritter im -Bunde zum beengten Schauplatz einer so gefährlichen wie komödiantischen Reise zur emotionalen Befreiung. THE ANGEL EXTERMINADOR  (Der Würgeengel, Luis Buñuel, Mexiko / Spanien 1962, 3. & 5.1.) Ein surrealistischer Kammerspielfilm im wahrsten Sinne der Wortbedeutung, auch wenn die Kammer bei Buñuel eher ein hochherrschaftlicher Salon und die agierenden Personen nicht aus dem Kleinbürgertum stammen (wie in den 20er Jahren), sondern zur Haute Volée der Gesellschaft gehören. Nach einem Abendessen können die geladenen Gäste aus unerklärlichen Gründen den Salon nicht mehr verlassen. Die mysteriöse Gefangenschaft führt zum Verfall der großbürgerlichen Konventionen: Aggression, Haltlosigkeit und Hysterie werden zum wahren Gesicht der Anwesenden. Ordnung und Übersicht scheint nur die beobachtende Kamera zu bewahren, die Aktion und Agierende so distanziert wie schonungslos seziert. MICHAEL (Carl Theodor Dreyer, D 1924, 4. & 6.1., am Klavier: www.eunicemartins.de - external-link-new-window>Eunice Martins) Opulent ausgestattete Innenräume – für Dreyer eher ungewöhnlich – bilden den Hintergrund dieses Kammerspiels, das sich durch seine kunstvolle Ausleuchtung und die Abfolge von Großaufnahmen auszeichnet. Anhand der Geschichte der unerfüllten Liebe eines Künstlers zu seinem Adoptivsohn lässt der Film die Welt des Fin de siècle auferstehen und behandelt Themen wie die Vereinsamung des Künstlers in der bürgerlichen Gesellschaft, Homosexualität und den Niedergang aristokratischer Lebensformen. WHO'S AFRAID OF VIRGINIA WOOLF?(Mike Nichols, USA 1965, 7. & 15.1.) "What a dump!" Mit diesem Ausruf gibt Martha (Elizabeth Taylor), nach einem langen und alkoholschweren Abend kaum zu Hause angekommen, den Ring frei für eine weitere Runde des erbitterten Schlagabtauschs mit ihrem Mann (Richard Burton). Ihr "Drecksloch" wird zu Bühne / Sprungbrett / Katalysator für Anfeindungen, Beschuldigungen und Erniedrigungen in beide Richtungen, befeuert vom anwesenden "Publikum", einem jungen, nichts ahnenden Paar, das Martha eingeladen hat. Basierend auf dem gleichnamigen, erfolgreichen Kammerspiel-Bühnenstück von Edward Albee inszeniert Nichols die verbale Tour de force als zwanghafte Ehehölle, als Kriegsfilm. ROPE (Alfred Hitchcock, USA 1948, 8. & 9.1.) Hitchcocks zahlreiche Dramen auf engstem Raum (Lifeboat, The Lady Vanishes oder Dial M for Murder) brachten ihm das Alias "Gott der kleinen Räume" ein. In ROPE wird aus dem Plural ein Singular: Der Film spielt fast ausschließlich im Wohnzimmer eines Apartments. In geradezu klassischer Kammerspiel-Thriller-Manier vereint Hitchcock Ort, Zeit und Handlung. Diese entspinnt sich fast in Echtzeit und in einer gefühlten einzigen langen Einstellung (tatsächlich enthält der Film einige Schnitte) um zwei Studenten, die den vermeintlich perfekten Mord verüben wollen, dem Experiment einen Kommilitonen opfern und ihren Philosophieprofessor (James Stewart) auf die Probe stellen. JEANNE DIELMAN, 23 QUAI DU COMMERCE – 1080 BRUXELLES (Chantal Akerman, B / F 1975 ,  24. & 25.1.) Eine Frau – Jeanne Dielman (Delphine Seyrig), eine Wohnung, drei Tage. Hartnäckig beobachtet die Kamera in langen starren Einstellungen ihre alltäglichen Routinen in einer abgeschlossen scheinenden Welt: aufräumen, Betten machen, Staub wischen, abwaschen, Essen kochen. Am Nachmittag empfängt sie ältere Herren; auch ihre Gelegenheitsprostitution hat einen genauen Platz im präzisen Ablauf des Tages. Zunächst kaum merkbar werden die zeitlich und räumlich rigiden Strukturen am zweiten Tag erschüttert, am dritten Tag kommt es zur unausweichlichen Eskalation. Ein schweigsames, einsames Kammerspiel, dessen Choreografie der Gesten, Bewegungen und Rituale radikal Zeugnis einer emotionalen Erstarrung ablegen. NOBODY KNOWS(Hirokazu Kore-eda, Japan 2004, 11. & 18.1.) Ein kleines Apartment in der tosenden Großstadt Tokio wird zum Schauplatz des stillen Überlebenskampfes von vier Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren, die von ihrer Mutter verlassen wurden. Ganz auf sich allein gestellt und diesen Zustand vor der Außenwelt geheimhaltend ziehen sich die vier immer mehr in die verwunschene Welt ihrer Wohnung – zugleich Versteck, Trutzburg und Gefängnis – zurück. Ein dokumentarisch anmutendes Kammerspiel, dass die langsame Verschlechterung der Lebensumstände und die schleichende Verwilderung der Kinder-Familie nachzeichnet. DER TOTMACHER (Romuald Karmakar, D 1994, 16. & 17.1.) Mit dem kargen Setting eines kleinen Verhörzimmers, eines schlichten Holztisches und weniger Lichtquellen, die sich im Halbdunkel zu behaupten versuchen, schlägt Karmakar mit seinem Spielfilmdebüt die Brücke zum Kinoraum wie kaum ein anderes Kammerspiel. Wenig lenkt ab von seinen drei Protagonisten: dem Serienmörder Fritz Haarmann (Götz George), dem psychiatrischen Gutachter Prof. Schultze und dem Stenographen, der alles Gesagte protokolliert. Diese Vernehmungsprotokolle bilden den roten Faden einer Auslotung des Textes ebenso wie der Gesichter, Blickwechsel und -achsen sowie der sich entwickelnden komplexen Beziehungen unter den Figuren des Films. SCHERBEN (Lupu Pick, D 1921, 19. & 20.1.) Für wenige Tage nur quartiert sich ein Bahninspektor bei einer zurückgezogen lebenden Bahnwärterfamilie ein. Als er die Tochter des Hauses verführt, zerbricht die Mutter am Schmerz, der Vater wird zum Mörder. "Was geschieht, ist nicht Schein, sondern wirkliches Geschehen, von der Photo-Linse wie zufällig festgehalten. Geschehen freilich, das bis ins kleinste Detail von verhaltener Dramatik vibriert." (Hans Wollenberg, 1921) SCHERBEN läuft zusammen mit HINTERTREPPE (Leopold Jessner, Paul Leni, D 1921, 19. & 20.1., am Klavier: www.eunicemartins.de - external-link-new-window>Eunice Martins) Ein "Film-Kammerspiel" – so lautet der Untertitel dieses Exkurses des Theatermanns Jessner in die Welt des Films. Seine melodramatische Dreiecksgeschichte siedelt er in den Berliner Hinterhöfen an, wo ein Dienstmädchen (Henny Porten) das unerklärliche Fortbleiben ihres Verlobten nicht verwinden kann. Ein Postbote (Fritz Kortner) kümmert sich rührend um sie. Als der verschollene Verlobte wieder zurückkehrt, kommt es zu einer tödlichen Auseinandersetzung. ALLE ANDEREN (Maren Ade, D 2009, 21. & 22.1.) Kammerspielfilme verlangen ihren Schauspielern viel ab: Die Genre-immanente Reduktion bezieht sich keinesfalls auf die Präsenz der Darsteller, ganz im Gegenteil. Mit souveräner – preisgekrönter – Genauigkeit kleiden Birgit Minichmayr und Lars Eidinger ihre Figuren aus: Gitti und Chris, mal cool, mal verspielt, immer glaubwürdig sind ein nicht mehr ganz junges Liebespaar, dessen Beziehung in der sardischen Ferienidylle durch das Zusammentreffen mit einem anderen befreundeten Paar unter Druck gerät. Im Spiegel der Anderen stellen sich Fragen nach Lebensentwürfen und Konventionen, Erwartungen und Sehnsüchten, dem Preis des Erwachsenwerdens. Ein tragikomisches Glanzstück. NIEMANDSLAND (Victor Trivas, D 1931, 10. & 13.1.) Russische Montagekunst meets deutschen Kammerspielfilm: In einem Unterstand zwischen den Frontlinien treffen fünf Soldaten aufeinander und solidarisieren sich: ein englischer Offizier, ein französischer Fabrikarbeiter, ein deutscher Tischler (Ernst Busch), ein jüdischer Schneider und ein schwarzer Varietétänzer. Der Antikriegsfilm wurde bereits wenige Monate nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten von der NS-Prüfstelle verboten. HUIS CLOS (Geschlossene Gesellschaft, Jacqueline Audry, F 1955, 26. & 27.1.) Der Revolutionär Garcin, die Kindsmörderin Estelle und die korrupte Inès werden am Ort der Verdammnis, einem Salon in einem schäbigen Hotel, eingesperrt. Als allmählich die Fenster zugemauert und sie von der Außenwelt völlig abgeschnitten werden, geben sie sich zunächst den geschönten Erinnerungen an vergangene Tage hin, um sich schließlich schonungslos gegenseitig ihrer Lebenslügen zu überführen. Basierend auf dem Bühnenstück von Jean-Paul Sartre bezieht das Kammerspiel seine Tragweite aus der überragenden darstellerischen Leistung der drei Schauspieler: Arletty, Frank Villard und Gaby Sylvia.

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