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THE CONNECTION (Shirley Clarke, USA 1961, 1. & 5.12.) Living Theatre meets Cinéma vérité: Ausgehend von Jack Gelbers gleichnamigem Stück im Stück, Ende der 50er Jahre von der Living-Theatre-Theatergruppe in New York erstmalig auf die Bühne gebracht, entwirft Shirley Clarke in ihrem Spielfilm THE CONNECTION einen präzisen Kommentar auf Cinéma vérité als dokumentarischen "Forschungsprozess" (Morin). Ein Dokumentarfilmregisseur und sein Kameramann filmen eine Gruppe von drogenabhängigen Jazz-Musikern, die in einem New Yorker Apartment auf ihre "connection" warten. Der Regisseur führt Interviews, "dokumentiert" das Geschehen, die Interaktionen der Junkies, nimmt die Jazzstücke auf, die sie improvisieren. Mit Ankunft des Dealers ändert sich das Gefüge schlagartig: Nicht nur die Drogen, sondern auch die Kamera beeinflussen die Machtverhältnisse auf beengtem Raum. Wir zeigen den Meilenstein des Jazz-Films und des New American Cinema in der rekonstruierten Fassung. BRONENOSEZ POTJOMKIN (Panzerkreuzer Potemkin, Sergej Eisenstein, UdSSR 1925, 2. & 10.12.) Uraufgeführt im Dezember 1925 in Moskaus berühmtestem Schauspielhaus, dem Bolschoi-Theater, trat Eisensteins bahnbrechendes Revolutionsdrama auch gegen das in altmodischer Theatertradition verhaftete russische Kino an. Gleichwohl ist die Struktur des Films der klassischen Tragödie in fünf Akten entlehnt, gehorcht PANZERKREUZER POTEMKIN den Gesetzen des geschlossenen Dramas und bewahrt die Einheit von Ort, Zeit und Handlung. Auf der Grundlage der strengen, theaternahen Form erhebt sich Eisensteins Darstellung des berühmten Matrosenaufstands von Odessa im Jahre 1905 und die sich in der Folge entwickelnden revolutionären Prozesse. Zur Aufführung kommt die restaurierte Kopie mit der Originalmusik von Edmund Meisel. DOGVILLE (Lars von Trier, Dänemark 2003, 4. & 14.12.) Mit Kreidestrichen auf den Boden gezeichnete Umrisse und einige vereinzelte Requisiten markieren den Raum von DOGVILLE – eine nackte Bühne, eine stilisierte Theaterkulisse. Lediglich behauptet ist dieser Ort, gleichsam Modellwelt und Versuchsanordnung, in der Lars von Trier ein Lehrstück in neun Akten entfaltet. Grace (Nicole Kidman) ist auf der Flucht und findet in der Kleinstadt Dogville in den Rocky Mountains Unterschlupf. Die Haltung der Bewohner ihr gegenüber ändert sich im Lauf der Zeit: Die Duldung ihrer Anwesenheit zu Beginn des Films weicht offener Erniedrigung und Ausbeutung. Durch das radikale Entblättern aller Kulissen wird der Illusionscharakter des Kinos sichtbar gemacht und die Täuschung des Zuschauers offengelegt. MON CAS (Mein Fall, Manoel de Oliveira, Frankreich 1986, 6. & 16.12.) Oliveira sagt: "Das Theater präexistiert in unserem Leben. Für uns, die Zuschauer, präsentiert sich alles, was wir sehen, wie Theater." So überrascht es nicht, dass das Theatermotiv regelmäßig im umfangreichen Œuvre des portugiesischen Regisseurs aufblitzt. MON CAS beginnt mit dem sich öffnenden Theatervorhang und einem Eindringling, der die planmäßige Vorstellung verhindern und dem Publikum stattdessen von "seinem Fall" berichten will, von dem angeblich die Errettung der Menschheit abhängt. Sein Auftritt findet durch die Intervention des Theaterportiers und einer Schauspielerin (Bulle Ogier) ein baldiges Ende. Oliveira betont die Leerstelle des verhinderten Vortrags durch mehrmalige Wiederholungen der Szene, jeweils mit zusätzlichen Texten und neuen filmischen Verfahren (stumm, schwarzweiß, verzerrte Stimmen etc.). Es entsteht eine surrealistische Collage, eine "wirbelnde Bühnenburleske" (Peter Buchka), die nichts weniger als die Menschheitsfrage verhandelt. VARIETE (E.A. Dupont, D 1925, 7. & 29.12., am Klavier: Eunice Martins) Varietébühnen und Zirkusarenen als Sehnsuchtsorte entwirft Dupont in diesem Übergangsfilm zwischen expressionistischer Ästhetik und Neuer Sachlichkeit. Trapezkünstler Boss (Emil Jannings) verlässt Frau (Maly Delschaft) und Kind, um mit seiner neuen Partnerin, der geheimnisvoll-verführerischen Berta-Marie (Lya de Putti), auf und hinter der Bühne des Wintergarten-Varietés ein neues Leben anzufangen. Als der berühmte und weltgewandte Artist Artinelli ein Auge auf Berta wirft, wird der Salto mortale, den die drei allabendlich vorführen, zu einem Schauspiel auf Leben und Tod. Karl Freunds "entfesselte Kamera" lässt den Zuschauer hautnah in luftiger Höhe an den schwindelerregenden Nummern in der Zirkuskuppel teilnehmen, um kurze Zeit später quasi im Gegenschuss anhand von zahlreichen Aufnahmen von Operngläsern, Brillen und Monokeln die Position des Zuschauers vor der Bühne des Lebens zu konstituieren. LE DERNIER METRO (Die letzte Metro, François Truffaut, Frankreich 1980, 8. & 22.12.) Paris 1942: Im Théâtre Montmartre trifft die (Film-)Realität der deutschen Okkupation auf den genuinen Ort der Fiktionsproduktion – die Theaterbühne. Doch Inszenierung, Rollenspiel und -wechsel, Täuschungsmanöver und Theatertricks beherrschen nicht nur das Spannungsverhältnis zwischen Innen und Außen, sondern grundieren zunehmend auch die Dynamik innerhalb des Hauses bzw. zwischen Bühne und Keller, in dem sich der jüdische Direktor des Theaters, Lucas Steiner, vor den Nazis versteckt hält. Eingeweiht in dieses Geheimnis ist einzig Steiners Frau Marion (Catherine Deneuve), die die Theatergeschäfte vermeintlich allein führt. Dabei kann ihr Mann die Proben des neuen Stücks durch einen Heizungsschacht verfolgen und greift über Marion immer wieder in die Regiearbeit ein. Die Möglichkeit seiner Einflussnahme schwindet, als Marion mit einem vielversprechenden Nachwuchsschauspieler (Gérard Depardieu) anbandelt. A STAR IS BORN (George Cukor, USA 1954, 9. & 23.12.) Wie ein roter Faden ziehen sich On- und Off-stage-Szenen durch Cukors Blick auf Hollywood – die großen Musical- und Revue-Bühnen aber auch die kleinen Nachtclub-Podeste werden gleichsam zu Katalysatoren der Selbstreflexion. Zwischen diesen Polen entwickelt sich das Melodram um den Aufstieg des Revuegirls Esther (Judy Garland). Kehrseite ihres Erfolgs ist der unaufhaltsame Abstieg ihres Mentors und Ehemanns Norman Maine (James Mason). 30 Jahre nach der Uraufführung von A STAR IS BORN wurde die verstümmelte Premierenfassung mit Hilfe von Standfotos und verlorengeglaubten Tonspuren "rekonstruiert". 180 Minuten Cinemascope, Farbe und die unvergleichliche Judy Garland! OPENING NIGHT (John Cassavetes, USA 1977, 19. & 27.12.) Gena Rowlands als "woman under the influence", als umschwärmter Theaterstar Myrtle Gordon, für die Leben und Theaterrollen zu einem unentwirrbaren Ganzen verschmolzen sind. Als sie Zeugin eines Unfalls wird, bei dem eine jugendliche Verehrerin getötet wird, verstärkt das Erlebte Myrtles Widerstand gegen das Stück bzw. die Rolle einer alternden Frau, die sie darin spielen soll. Die Probenarbeiten und erste Testaufführungen werden zunehmend zum Kampf, Myrtles hysterisches Dauer-Aufbegehren treibt sie selbst in den Alkohol und ihre Kollegen in die Verzweiflung. Die Premiere droht im Eklat zu enden, als Myrtle völlig betrunken im Theater erscheint. GORI, GORI, MOJA SWESDA (Leuchte, mein Stern, leuchte, Alexander Mitta, UdSSR 1969, 20. & 26.12.) Programmatischer könnte der Künstlername dieses Theaterenthusiasten in der jungen Sowjetunion kaum gewählt sein: Der Wanderschauspieler, der mit Pferd und Wagen durch die UdSSR zieht, um Shakespeares Dramen aufzuführen, nennt sich Iskremas, kurz für "Iskusstwo revoluzii massam", übersetzt "Kunst der Revolution für die Massen". Iskremas träumt vom revolutionären Massentheater und ist gewillt, für die Umsetzung seiner Ideen u.a. gegen seinen schärfsten Konkurrenten Pascha, den Besitzer eines Kinematografen, anzutreten. Eine berührende Tragikomödie, die, durchdrungen von unbändiger Spielfreude und einer naiv-fantastischen Bilderwelt, dem Verhältnis zwischen revolutionärer Kunst und den Massen nachgeht. LES ENFANTS DU PARADIS (Kinder des Olymp, Marcel Carné, F 1945, 22. & 25.12.) Theater, Schaubuden, Verkaufsstände säumen den sogenannten Boulevard du Crime, veritable Wiege des französischen Jahrmarktstheaters im 19. Jahrhundert und erster Handlungsort von Carnés gleichnishaftem Gesamtbild vom Leben als Theater und vom Theater als Lebensbühne. Hier treffen im Jahre 1835 eine Vielzahl von Figuren aufeinander: die schöne Garance (Arletty), der extrovertierte Schauspieler Frédérick Lemaître (Pierre Brasseur), sein Gegenpart, der virtuose Pantomime Baptiste (Jean-Louis Barrault), der anarchistische Gauner Lacenaire sowie der reiche Graf de Montray – allesamt Vertreter unterschiedlicher Theatertraditionen. Liebesbeziehungen, Enttäuschungen und Schicksalsschläge verbinden und trennen die fünf Protagonisten und verweben sich schließlich zu einem kunstvollen Diskurs über Kunst und Wirklichkeit, Theater und Leben. VANYA ON 42ND STREET (Louis Malle, USA 1994, 28. & 30.12.) Nahezu übergangslos gehen Leben und Theater in Louis Malles Kammerspiel ineinander über: Eine Gruppe von Theaterleuten trifft im heruntergekommenen New Amsterdam zusammen, einem alten Vaudeville- und Lichtspieltheater. Hier sollen die Proben zu Anton Tschechows Stück Onkel Wanja stattfinden. Ohne sichtbare Zäsur, ohne Schminke, Kostümwechsel oder andere sichtbare Vorbereitungen tauchen die Schauspieler (darunter Wallace Shawn und Julianne Moore) in ihre Rollen ein und wechseln von einer Sphäre in die andere.

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