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M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER (Fritz Lang, D 1931, 1. & 5.8.) Gellende Schreie, ein gepfiffenes Leitmotiv, rhythmisierte Dialoge und immer wieder plötzliche Stille: In seinem ersten Tonfilm nutzt Lang das neue Gestaltungsmittel konsequent als zusätzliches dramaturgisches Element, das die Bilder erweitert, statt sie nur zu begleiten. Zentrale Gestalt in dieser Mischung aus Gangsterfilm, Psychodrama und Thriller: Peter Lorre in der Rolle des triebhaften und getriebenen Kindermörders. THE SILENCE OF THE LAMBS (Jonathan Demme, USA 1991, 2. & 6.8.) Im Spannungsfeld der Gegenläufigkeit von Bild und Ton: Parallelmontiert mit überkreuz laufender Tonspur treffen eine Hundertschaft FBI-Polizisten an einem Ort und eine ungeschützte FBI-Anwärterin an anderer Stelle auf ein verlassenes Haus bzw. den gesuchten Frauenmörder. Der Schlüsselmoment eines Films voller UKOs (unidentifizierbarer Klangobjekte) und symbolträchtiger, dutzendfach geräuschvoll sich öffnender und schließender Türen. Durch diese geht Clarice Starling, die erst ihre eigenen Traumata und schließlich auch einen gesuchten Frauenmörder bezwingt. "Nur eine kontrapunktische Verwendung des Tons in Beziehung zum Bild wird neue Möglichkeiten der Montage-Entwicklung eröffnen." So Eisenstein, Pudowkin und Alexandrow in ihrem Manifest zum Tonfilm (1928). Die praktische Umsetzung erfolgte 1933 in Wsewolod Pudowkins erstem Tonfilm DESERTIR (UdSSR 1923, 3. & 7.8.), in dem die Tonspur einen eigenständigen, vom Bild unabhängigen Rhythmus entwickelt. Zum Teil in Deutschland gedreht, handelt der Film von einem Hafenarbeiter, der zum Streikbrecher wird, dann jedoch von seinen kommunistischen Kollegen eine zweite Chance erhält. REAR WINDOW (Alfred Hitchcock, USA 1954, 8. & 10.8.) Der deutsche Verleihtitel DAS FENSTER ZUM HOF ist einer der wenigen Glücksgriffe der deutschen Synchronbranche. Er verweist auf einen zentralen Ton-Ort des Films: den Hof. Hier trifft eine Vielzahl von Geräuschen und Stimmen aufeinander, die das Leben in den (auf den Hof führenden) Wohnungen hörbar machen. Nur eine Wohnung bleibt tonlos – die des Mörders Thorwald. ENTUSIASM (Simfonija Donbassa, Dsiga Wertow, UdSSR 1930, 9. & 12.8.) Wertow sah im Tonfilm die Vervollkommnung des Mediums. "ENTUSIASM demonstriert die Möglichkeiten von Geräusch und Musik mit solch programmatischer Brillanz, dass der Film noch heute wie ein unüberholtes Lehrstück in Sachen Bild-Ton-Montage erscheint. Der Beginn, in dem die Gesänge des alten orthodoxen Russlands mit Einstellungen von Kirchen, Betenden und Alkoholikern gekoppelt sind, und die darauffolgenden 'Gesänge' von Hochöfen, Kolben und Erntemaschinen zählen zum Faszinierendsten in Wertows Schaffen." (H. Tomicek) Gezeigt wird eine Kopie des Österreichischen Filmmuseums. PLAYTIME (Jacques Tati, F / I 1967, 13. & 17.8.) Flughafengebäude, Bürohochhäuser, Wohnungen, ein Restaurant, alles (vermeintlich) aus Glas, Chrom, Stahl und Beton, makellos und sauber. Die schöne, neue Welt, in der Jacques Tati alias Monsieur Hulot die Tücken des Fortschritts und der Gleichförmigkeit kennenlernt, wird von einem ausgefeilten, exzessiven Ton- und Geräuschdesign kommentiert und ad absurdum geführt. SWEETGRASS(Lucien Castaing-Taylor, Ilisa Barbash, USA 2009, 14. & 24.8.) Ohne Musik, Interviews oder Kommentarstimmen entwickelt sich die so unsentimentale wie monumentale Elegie auf den (untergehenden) amerikanischen Westen, auf die letzten Schafhirten und ihre Herden. Die Eindringlichkeit des Films verdankt sich nicht zuletzt der Tonspur, für die auch Schafe mit Mikrofonen ausgestattet wurden. Auch diese "Originaltöne" wurden zu einem komplexen Sounddesign verarbeitet, das sich immer wieder von den Bildern absetzt. Die beiden halblangen Filme des kanadischen Filmemachers, Künstlers und Komponisten Michael Snow – Meilensteine des amerikanischen Avantgardefilms – markieren und reflektieren die Grenzen zwischen Bild und Ton. Während in WAVELENGTH (USA 1967, 15. & 21.8.) ein ansteigender und lauter werdender Sinuston (sowie andere Geräusche) mit einem Zoom auf die Fensterwand einer Wohnung verschränkt werden, kontrastiert Snow in SEATED FIGURES (Kanada 1988, 15. & 23.8.) Aufnahmen rasend vorbeiziehender Straßenoberflächen mit den Geräuschen, die ein Kinopublikum samt Projektor von sich geben. AU HASARD BALTHAZAR(Zum Beispiel Balthasar, Robert Bresson, F / S 1965, 18. & 21.8.) "Man kann nicht gleichzeitig ganz Auge und ganz Ohr sein. Wenn ein Ton ein Bild ersetzen kann, das Bild weglassen oder neutralisieren. Das Ohr geht mehr nach innen, das Auge nach außen," schreibt Bresson in seinen Notizen zum Kinematographen und setzt seine Gedanken zum Ton u.a. in seinem Film über den Esel Balthasar um, dessen Leidensgeschichte eng mit der einer jungen Frau (Anne Wiazemsky) verbunden ist. DOUBLE TIDE (Sharon Lockhart, USA 2009, 19. & 25.8.) Das schmatzende Geräusch des Wattenschlicks, das Vogelzwitschern und das Nebelhorn in der Bucht von Maine wurden für die Künstlerin und Filmemacherin Lockhart zur Inspirationsquelle des Films. Für den Zuschauer werden sie zu wichtigen Koordinaten eines aufregend-schönen Klangraums, einer im Gegensatz zu den Bildern verlässlichen, sensorischen Orientierungshilfe. MEEK'S CUTOFF (Kelly Reichardt, USA 2010, 22. & 29.8.) Ein stiller Weste(r)n: dem Klang dieser Stille geht Reichardt in der mittelamerikanischen Prärie nach, in der sich Mitte des 19. Jahrhunderts ein Trapper und drei Familien auf der Suche nach einer Abkürzung nach Oregon verirren. Die aufwändig aufgenommenen Umweltgeräusche – das Rauschen des Windes, das Knarren der Räder, das Knistern des Feuers – evozieren einen noch nie vernommenen Klangraum des Westens.

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