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BLOW OUT (Brian de Palma, USA 1981, 4.7., Einführung: Thomas Groh & 19.7.) Ein früher Höhepunkt des barocken Eighties-Stils: Brian de Palmas – durch Hitchcock gedachte – Variation auf Michelangelo Antonionis dekonstruktivistischen Thriller "Blow Up" ist eine einzige filmtechnische Extravaganz, bei der es in jeder Einstellung eine neue Feinheit zu entdecken gibt. Wo im filmhistorischen Vorbild eine Fotografie auf die instabile Spur eines Verbrechens führte, wechselt das Rätsel bei de Palma zunächst auf die Tonspur. John Travolta, nach den Welterfolgen von Saturday Night Fever und Grease einer der größten Stars seiner Zeit, spielt den Tontechniker Jack Terry, der zufällig einen Autounfall "abhört" und dabei einen Misston vernimmt. Bald kommt er einer Verschwörung auf die Spur, die sich nur nach Maßgaben des Kinos entschlüsseln lässt: 24 Lügen pro Sekunde. Am Ende steht eine der zynischsten Schlusspointen der Filmgeschichte. MIKE'S MURDER (James Bridges, USA 1984, 5. & 22.7.) Eine Wiederentdeckung: Wenig anfangen konnten die Verantwortlichen bei Warner Bros. mit dem hintergründigen Neo Noir, der sich eher wie ein verspäteter New-Hollywood-Autorenfilm anfühlt denn wie das Starvehikel für Debra Winger, als das er vermutlich einmal in Auftrag gegeben worden war. Winger spielt - Betty Parish, eine junge Frau, die sich in ihren Tennislehrer verliebt und nach dessen Tod einer kriminellen Verschwörung auf die Spur kommt. Die erste, im Stil von Christopher Nolans Memento „rückwärts“ erzählte Schnittfassung erschien den Verantwortlichen derart ungeheuerlich, dass sie das Material ein ganzes Jahr lang umschneiden ließen. Auch in der finalen Version bleibt MIKE'S MURDER ein Film über eine von existenzieller Unsicherheit zerrissene Welt – und ein zu Unrecht vergessener Eintrag in die Psychokartografie Los Angeles'. GLORIA (John Cassavetes, USA 1980, 5. & 29.7.) Eine Studio-Produktion von John Cassavetes, dem Generischen und Populären zugetan wie kaum ein anderer Film des Regisseurs und dennoch voll betörender Eigentümlichkeit. Die von der großen Gena Rowlands (mit der ihr eigenen aparten Sprödigkeit) verkörperte ehemalige Mafiabraut Gloria gerät an einen kleinen Jungen, dessen Eltern von demselben Verbrechersyndikat ermordet wurden, dem Gloria einst angehörte. Während die Situation eskaliert, durchkreuzt der Film immer wieder seine allzu vertraute Affektökonomie. GLORIA ist auch eine Fluchtbewegung durch New York am Anfang der 80er Jahre: schmutzig, prosaisch, unerlöst – und unterlegt mit einem grandios-überbordenden Score von Bill Conti. SOMEONE TO WATCH OVER ME (Ridley Scott, USA 1987, 6. & 27.7.) Ein weiteres unterschätztes Genre-Kleinod über brüchige Maskulinität und die Untiefen der Hochglanz-Visualität der 80er: Der Polizist Mike Keegan (Tom Berenger) bekommt den Auftrag, Claire Gregory (Mimi Roger) zu beschützen, eine Upper-class-Blondine, die als Zeugin eines Mafiamordes bis auf weiteres in Lebensgefahr schwebt. Und die einen deutlichen Kontrast bildet zu der Working-class-Brünetten in Mikes Ehebett (großartig: Lorraine Bracco). Er kann der Versuchung nicht allzu lange widerstehen … Die technische Brillanz, mit der dieser klassische Noir-Plot umgesetzt wird – einige Spannungsszenen erinnern in ihrer barocken Ausgestaltung an die italienischen Gialli der 70er, das Spiegelkabinett-Finale ist ein kleines Meisterstück, – ist man von Ridley Scott gewohnt. Nicht unbedingt erwartet man von den Filmen des Briten die genau beobachteten lebensweltlichen Details, die dem Film und seinen Figuren eine durchaus auch soziologische Tiefe verleihen. TO LIVE AND DIE IN L.A. (William Friedkin, USA 1985, 7.7., Einführung: Nikolaus Perneczky & 24.7.) Friedkins perfektionistischer Falschgeld-Thriller taucht ein in die Ästhetik der 80er, um ihre Extreme zum Schillern zu bringen. Um verbotene Kopiervorgänge geht es nicht nur auf der Erzählebene; der Film selbst lässt sich von Doppelungen und Spiegelfiguren irritieren, die vom infernalischen Falschgeldkünstler Eric Masters (Willem Dafoe) auszustrahlen scheinen und darin eine geheime Komplizenschaft von Bösewicht und Regisseur offenbaren. Masters' Gegenspieler, der fanatische Secret Service Agent Richard Chance (William Petersen), mag alle Insignien eines Helden tragen. Seine Todesgetriebenheit macht ihn – spätestens am Steuer der unglaublich intensiven Autoverfolgungsjagd – zur wahrscheinlich dunkelsten Figur des Films. Masters vs. Chance: Meisterschaft und Zufallsprinzip liefern sich ein Spiegelgefecht auf Leben und Tod. BREATHLESS (Jim McBride, USA 1983, 8. & 19.7.) Richard Gere war mit seinem weichen Gesicht, in dem sich stets eine leise Melancholie spiegelt, einer der quintessentiellen Stars vor allem der frühen 80er. Eine seiner schönsten, spielerischsten Rollen übernimmt er in BREATHLESS, Jim McBrides Reimagination von Jean-Luc Godards A bout de souffle. Die Posen, in die sich sein Kleinganove Jesse Lujack wirft, sind von Gefühlen genauso wenig zu unterscheiden wie (Film-/Comic-)Kulissen vom urbanem Raum – der Stadt Los Angeles, die sich wieder und wieder in ihren eigenen Comic-Wiedergänger verwandelt. Gere und McBride kleben nicht am cinephilen Kultwert des Originals, sondern stürzen sich Hals über Kopf in die knallbunte Popkultur ihrer Gegenwart. Damals hat die Kritik ihnen das übel genommen; heute gilt es, eines der ganz großen Schelmenstücke der Filmgeschichte wiederzuentdecken. NO WAY OUT (Roger Donaldson, USA 1987, 9.7., Einführung: Lukas Foerster & 27.7.) Hinter den generischsten Titeln verstecken sich die frenetischsten Filme. NO WAY OUT, eine vom unterschätzten Genrehandwerker Donaldson inszenierte Neuverfilmung des klassischen Noir The Big Clock, ist ein politischer Thriller, dem die Sicherungen früh durchbrennen – eigentlich schon mit dem ersten Blickwechsel zwischen dem jedem Impuls nachgebenden Tom Farrell (Kevin Costner) und der kichernden Genießerin Susan Atwell (Sean Young) – und dem sie anschließend nicht mehr eingeschraubt werden. Die rasante zweite Filmhälfte spielt fast komplett im Inneren des Pentagons, wo politisches und erotisches Begehren bald nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Am Ende steht eine atemberaubende, die Regeln des Paranoia-Kinos mit unfassbarer Nonchalance auf den Kopf stellende Schlusspointe. AT CLOSE RANGE (James Foley, USA 1986, 17. & 31.7.) ist ein äußerst düsteres Stück Genrekino über die Erblichkeit des Sozialen: Brad Whitewood Jr. (Sean Penn) will sich der Gang seines Vaters (Christopher Walken) anschließen, tritt aber bald in blutige Konkurrenz zu ihm. Nichts Glamouröses oder auch nur Romantisches hat die provinzielle Verbrecherbande, von der AT CLOSE RANGE erzählt. Statt auf apologetische Überhöhungsgesten setzt Foley auf die fiebrige Intensität eines außerhalb der Gesellschaft gelebten Lebens. (Lukas Foerster, Nikolaus Perneczky) Dank an das Österreichische Filmmuseum / Regina Schlagnitweit.

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