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 Am 8.4. findet eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Jüdische Araber im postkolonialen kulturellen Diskurs – Wer schaut auf wen?" statt. Künstlerische Auseinandersetzungen mit der multiethnischen und multireligiösen Vergangenheit der arabischen Welt erfahren in den letzten Jahren einen stetig wachsenden Zuspruch sowohl im Film als auch in Literatur und Populärkultur. Woher kommt das erstarkte Interesse an jüdisch-arabischen Identitäten und Narrativen und wie äußert es sich? Handelt es sich hier um Einzelfälle, oder lässt sich von einem Trend sprechen? Welche Darstellungen, Repräsentationen und Stereotype des arabischen Juden gibt es und wie verhalten sich diese zu postkolonialen und populären Identitätsdiskursen? Es diskutieren Ella Shohat, Kathy Wazana, Nadia Kamel, Jay Weissberg und Hassan Benjelloun, moderiert von Irit Neidhardt. À PEINE J'OUVRE LES YEUX (As I Open My Eyes, Leyla Bouzid, F/Tunesien/Belgien 2015, 6.4., zu Gast: Baya Medhaffer) Die lebenslustige Farah (Baya Medhaffer) hat gerade die Schule beendet und singt in einer Rockband. Sie träumt davon, professionelle Musikerin zu werden, ihre Eltern sähen sie lieber als Medizinstudentin. Proberäume und Auftritte jedoch sind rar und die immer gesellschaftskritischer werdenden Liedtexte der jungen Leute erregen die Aufmerksamkeit des Geheimdienstes. Farah aber ist verliebt und fühlt sich unverwundbar – sie singt in Kneipen, genießt das Nachtleben von Tunis, während ihre Mutter Hayet (Ghalia Benali) sie am liebsten einsperren würde. Es ist Sommer 2010, die Spannungen im Land sind spürbar, und Farah wird unerwartet mit den Folgen ihrer Musik konfrontiert. THEY WERE PROMISED THE SEA (Kathy Wazana, Kanada/Marokko 2013, 7.4., zu Gast: Kathy Wazana) Als Kathy Wazana zehn war, verließen ihre Eltern Marokko zusammen mit weiteren hunderttausenden Juden. 35 Jahre später kehrt Wazana zurück, um herauszufinden, was diese Menschen bewog, ihre Heimat zu verlassen und was die wenigen bewegte, die blieben. Sie folgt unterschiedlichen Biografien und zeichnet in ihrem dokumentarischen Roadmovie ein diverses Porträt jüdisch-marokkanischer Identität, das sich als komplexes Gewebe multipler kultureller, religiöser und sozialer Faktoren entspinnt. Gleichzeitig thematisiert Wazana offen die komplexen politischen und gesellschaftlichen Probleme in den jüdisch-arabischen Beziehungen der letzten 100 Jahre. THEEB(Naji Abu Nowar, VAE/Katar/Jordanien/GB 2014, 7.4.) Die jordanische Wüste während des 1. Weltkriegs: Die Briten kämpfen gegen das Osmanische Reich und suchen nach Verbündeten unter den Beduinenstämmen. Ein britischer Soldat und sein arabischer Übersetzer benötigen ortskundige Führung bei einer geheimen Mission. Hussein, der älteste Sohn eines Beduinenscheichs begleitet sie, während sein neugieriger jüngster Bruder Theeb (Jacir Eid) ihnen heimlich folgt. Doch in der unwirtlichen Landschaft lauern überall Gefahren. Das vorwiegend mit Laiendarstellern realisierte Spielfilmdebüt ist ein atemberaubend fotografiertes Westernabenteuer und war für einen Oscar nominiert. MUCH LOVED (Nabil Ayouch, Marokko/F 2015, 8.4., zu Gast: Nabil Ayouch)Noha (Loubna Abidar), Randa und Soukaina leben und arbeiten als Prostituierte in Marrakesch – ein hartes Geschäft zur Unterhaltung reicher Saudis und europäischer Touristen. Das Leben dieser Frauen ist ein alltäglicher Kampf, in dem sie versuchen, nicht nur die schöne Fassade, sondern auch ihre Würde zu wahren. Ayouchs kontroverser und in Marokko verbotener Film schreckt nicht vor den Abgründen des Themas zurück, konzentriert sich aber auf die Freundschaftsbande dieser Notgemeinschaft am Rande der Gesellschaft. IN THIS LAND LAY GRAVES OF MINE (Reine Mitri, Libanon/F 2014, 9. & 10.4., zu Gast: Reine Mitri) Nach dem Tod ihres Vaters verkauft Reine Mitri den Sommerwohnsitz ihrer Familie in einem christlichen Dorf in den Bergen an einen Muslim. Der zunehmende Landtransfer vollendet, was der Bürgerkrieg nicht erreichte – die schleichende konfessionelle Parzellierung des Libanon. Ausgehend von ihrer persönlichen Geschichte und eindrücklichem Archivmaterial spricht Mitri mit verschiedenen Menschen im Libanon über ihre Traumata von Vertreibung, Gewalt, Minderheiten und die über Generationen weitergegebene Ängste vor dem jeweils Anderen. Der klug erzählte Dokumentarfilm erschafft ein umfangreiches Mosaik der komplexen politischen Situation im Libanon, wurde dort aber behördlich verboten. FORGET BAGHDAD (Samir, Schweiz/D 2002, 9.4., zu Gast: Samir und Ella Shohat) Als der Filmemacher Samir sich auf die Suche nach Genossen seines Vaters aus der irakischen kommunistischen Partei machen will, stößt er auf die ihm unbekannte Geschichte ihrer jüdischen Mit-glieder und beschließt, sie aufzusuchen. Vier irakische Intellektuelle, der in Israel lehrende Arabisch-Professor Shimon Ballas, Bestseller-Autor Sami Michael, Immobilienhändler Moshe Houri, der ausschließlich auf Arabisch publizierende Autor Samir Naqqash sowie die in New York lebende Professorin für Film und Cultural Studies Ella Shohat reflektieren über ihre eigene Auswanderungs- und Vertreibungsgeschichte, den kulturellen Spagat als jüdische Araber_innen in einer eurozentristischen Umgebung, über mediale Repräsentation und kulturelle Stereotype. VERY BIG SHOT (Mir-Jean Bou Chaaya, Libanon/Katar 2015, 9.4., zu Gast Lucien Bou Chaaya) Die drei Brüder Ziad, Joe und Jad führen unter dem Deckmantel einer Pizzeria einen lukrativen Drogenhandel. Ziad (Alain Saadeh) hat jedoch größere Pläne und pfuscht dem lokalen Drogenboss blutig ins Handwerk. Doch wie die so erbeuteten Drogen nach Syrien verticken? Charbel, ein erfolgloser Filmemacher, liefert unwissentlich die entscheidende Idee: In versiegelten Filmdosen soll die Fracht im Flieger über Kurdistan geschmuggelt werden. Kurzerhand macht Ziad sich zum Produzenten von Charbels neuem Filmprojekt, treibt Drehbuch und Besetzung zu immer absurderen Blüten und avanciert durch ungewöhnliche Marketingstrategien zum neuen Medienstar des Libanon. THE GATE OF DEPARTURE (Karim Hanafy, Ägypten 2014, 9.4.) Anhand eines assoziativ montierten Bilderreigens über Vergänglichkeit und Melancholie entspinnt sich in schön komponierten Bildern ein Generationendrama, das von Verlust und Einsamkeit erzählt. Die visuelle Meditation Hanafys ist eines der ungewöhnlichsten Werke des ägyptischen Kinos der letzten Jahre. Weitestgehend unabhängig finanziert und über drei Jahre hinweg produziert, ist es ein mutiges ästhetisches Experiment abseits des Mainstreams. COMA (Sara Fattahi, Syrien/Libanon 2015, 9.4.) Drei Generationen von Frauen, Großmutter, Mutter und Tochter – tagein, tagaus eingepfercht in ihrer Wohnung im belagerten Damaskus. Die beiden älteren Frauen werden von den Dämonen ihrer Vergangenheit heimgesucht, die Tochter findet für den Zustand des inneren und äußeren Stillstands des Lebens in Syrien prägnante Bilder zwischen Intimität und Auflösung, strukturiert durch die Wiederkehr des Gleichen: Kaffee, Fernsehen, Koran, Zigaretten. Sara Fattahis Langfilmdebüt wurde beim Dokumentarfilmfestival in Nyon ausgezeichnet. Kurzfilmprogramm (NO) ESCAPE – Ausbrüche(DIASPORA, THE PURPLE FIELD, WAVES ’98, SPRING BUDS, DRY HOT SUMMERS, 9.4.) Der Gegenwart entkommen, aus der Routine ausbrechen, Grenzen übertreten. Die Protagonis
t_innen der Filme teilen das Verlangen, aus ihren Lebensrealitäten zu entfliehen. Aber können sie sich von ihren Fesseln lösen? ROSHMIA (Salim Abu Jabal, Palästina/Katar/VAE/Syrien 2014, 10.4.) Seit 1956 leben Yousef und Amna abgeschieden in Roshmia, dem letzten naturbelassenen Tal in Haifa, in einer ärmlichen Hütte. Als die lokalen Behörden für ein Straßenbauprojekt das Land beschlagnahmen wollen, droht dem Paar die Vertreibung. Ein Freund der Familie versucht, zumindest eine Entschädigungssumme für die beiden zu erwirken, doch Yousef will sich nicht nochmals vertreiben lassen, und die Spannungen zwischen den dreien verstärken sich zusehends. Der Lärm der Baumaschinen und die ständigen Besuche von Journalisten zermürben die Idylle weiter. FIÈVRES (Fevers, Hicham Ayouch, F/VAE/Katar/Marokko 2014, 10.4.) Der 13-jährige Benjamin (Didier Michon) ist im Krieg – mit dem Leben, den Erwachsenen und sich selbst. Um endlich aus dem Heimleben heraus zu kommen, beschließt er, zu seinem unbekannten Vater zu ziehen, der ihn prompt bei den Großeltern in der Pariser Banlieue absetzt. Benjamins Wut kollidiert mit der traurigen Apathie der ihm unbekannten Verwandten, die so gezwungen werden, sich ihrer Situation und der Vergangenheit zu stellen. THE ROOFTOPS (Merzak Allouache, Algerien/F 2013, 10.4.) In der formalen Beschränkung auf einen einzigen Tag, rhythmisiert durch den fünfmaligen Gebetsruf, entfaltet Kino-Altmeister Allouache aus der Perspektive von Algiers belebten Dächern ein Panorama der täglichen Abgründe seiner Protagonist_innen. Fünf episodische Erzählstränge beleuchten die Schicksale der unterschiedlichsten Menschen: Eine junge Band probt für ihre Auftritte, eine alte Frau kämpft um ihre illegal errichtete Bleibe, wobei sie unerwartete Hilfe erhält, ein Alkoholiker vermietet „seinen“ Teil des Dachs an einen exorzierenden Scheich. Virtuos spielt Allouache in seinem Drama mit den Gegensätzen der algerischen Gesellschaft. THE GULF WAR … WHAT NEXT? (Borhane Alaouie, Nouri Bouzid, Mustapha Darkaoui, Nejia Ben Mabrouk, Elia Suleiman, Tunesien/Italien/GB/F 1993, 10.4.) Die Rolle des Zweiten Golfkriegs (1990–91) im kollektiven arabischen Gedächtnis ist ein fundamentaler Wendepunkt im Selbstbild des arabischen Nationalismus und ein Moment tiefer historischer und existentieller Verunsicherung. Fünf arabische Regisseur_innen setzen sich aus ganz persönlicher Perspektive mit den Ereignissen auseinander. WHERE ARE YOU GOING, MOSHÉ? Hassan Benjelloun,Marokko/Kanada 2007, 11.4., zu Gast: Hassan Benjelloun) Boujad, eine Kleinstadt im Atlasgebirge Marokkos, nicht lange nach der Unabhängigkeit des Landes 1956: Mithilfe von zionistischen Agenten plant der Rabbi des Ortes heimlich die Abreise seiner Gemeinde nach Israel. Den erstarkenden muslimisch-konservativen Kräften des Ortes kommt das sehr gelegen. Ist kein Nicht-Muslim mehr im Ort, muss laut Gesetz die einzige Bar schließen. Barbesitzer Mustapha (Abdelkader Lotfi) kämpft verzweifelt um den Erhalt seines Lebenswerkes und seiner Freunde. In der Haltung der jüdischen und muslimischen Figuren zum Verlassen der Heimat spiegeln sich grundlegende Fragen nach Identität und Zugehörigkeit, aber auch nach dem Wesen des neu entstandenen Nationalstaates. A PRESENT FROM THE PAST (Kawthar Younis, Ägypten 2015, 11.4., zu Gast: Kawthar Younis) Was als dokumentarisches Roadmovie beginnt, entwickelt sich im Laufe der Reise zu einem amüsant-intimen Vater-Tochter-Porträt. Regisseurin Kawthar Younis schenkt ihrem Vater Mokhtar, einem ältlichen, aber sehr agilen Professor, zwei Flugtickets nach Rom, um ihm bei der Suche nach seiner verflossenen italienischen Liebe zu helfen. Während Mokhtars Ehefrau die Reise großzügig genehmigt, zweifelt der alte Herr recht bald an dem Vorhaben, das Vater und Tochter gründlich vereinnahmt. MOTHER OF THE UNBORN (Nadine Salib, Ägypten/VAE 2014, 12.4., zu Gast: Nadine Salib) Hanan könnte eine glückliche Frau sein. Doch zu ihrem liebevollen Mann fehlt ihr noch ein Kind, das sie seit zwölf Jahren vergeblich zu bekommen versucht. Mehrere Operationen hat sie hinter sich, kein magisches Ritual ihrer oberägyptischen Dorfgemeinschaft lässt sie aus, um schwanger zu werden. Salibs respektvolle Annäherung an ihre Protagonistin fängt deren stillen Kampf um die Definition ihrer Weiblichkeit und die Erfüllung ihres existentiellen Wunsches in erstaunlicher Offenheit ein und gewährt darüber hinaus einen raren Einblick in die dörflichen Beziehungsstrukturen und Lebensweisen. ALEXANDRIA … WHY?(Youssef Chahine, Ägypten/Algerien 1979, 12.4.) Alexandria während des 2. Weltkriegs: Eine jüdische Schönheit (Naglaa Fathy) sagt sich aus Liebe zu ihrem muslimischen Geliebten von der eigenen Familie los; ein ägyptischer Aristokrat ermordet britische Soldaten, bis er sich in einen verliebt. Im Zentrum steht der Schüler Yehia, dessen große Liebe das Hollywood-Kino ist und der davon träumt, Schauspieler zu werden. Chahines Porträt von Alexandria ist eine schonungslose Auseinandersetzung mit den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen jener Zeit. Kurzfilmprogramm Beyond Control – Außer Kontrolle(PÈRE, OMNIA, THE SOCIETY, THE GREAT SAFAE, SOLOMON’S STONE, 13.4.) Hast du wirklich Kontrolle über dein Leben? Kannst du dein Schicksal ändern? Die Kurzfilme laden dazu ein, persönliche Kämpfe gegen übermächtige Kontrollmechanismen zu erkunden. EL GUSTO (Safinez Bousbia, Algerien/VAE/Irland/F 2011, 13.4.) Chaabi-Musik ist auf den Straßen Algiers entstanden. Als die Filmemacherin Safinez ein Foto aus den 40er Jahren entdeckt, das die erste Chaabi-Klasse des Konservatoriums von Algier zeigt, macht sie sich auf die Suche nach den verbliebenen Mitgliedern der Truppe. Sie sind zwischen 70 und 100 Jahre alt und die Lebensgeschichte jedes einzelnen ist eng mit der Geschichte des Landes verknüpft. Die erstaunlich vitale Truppe aus muslimischen und jüdischen Musikern kommt nach 50 Jahren zu einem Wiedervereinigungskonzert in Marseille zusammen. (cj) Die Reihe SPOTLIGHTCousins/Cousinen. Jüdisch-arabische Identitäten wurde gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.

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