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JAWS (Der weiße Hai, Steven Spielberg, USA 1975, 1. & 9.6.) Ganze Special-Effects-Abteilungen winkten ab: Niemand traute sich an die Konstruktion eines mechanischen Haifisches in so kurzer Zeit. Einzig Bob Mattey, der 20 Jahre zuvor den gigantischen Kalmar in 20,000 Leagues Under the Sea geschaffen hatte, übernahm den Auftrag, fertigte gleich drei animatronische Monsterausfertigungen und nannte sie Bruce. Bruce stellte sich jedoch bald als Problem-Hai heraus, dem das Salzwasser zusetzte. Dass der weiße Hai erst in der zweiten Hälfte des Films zu sehen ist und bis kurz vor Schluss verhältnismäßig wenig screen time hat, wird auch Bruce’ Fragilität zugeschrieben. Aus der Not ist indes ein effektiver Spannungskatalysator geworden: Unsichtbar in der Tiefe des Meeres verbirgt sich der Killer-Hai, der völlig unerwartet zuschlägt und die Besucher einer Sommerinsel in Angst und Schrecken versetzt.

FAUST – EINE DEUTSCHE VOLKSSAGE (F.W. Murnau, D 1926, am Flügel: Eunice Martins, 2. & 25.6.) Pyrotechnik, Überblendungen, Einkopierungen, animierte apokalyptische Menschheitsplagen-Reiterfiguren und nicht zuletzt Fausts Ritt auf Mephistos Mantel durch Zeit und Raum – Murnau durchwirkt diese erste deutsche Verfilmung des Faust-Stoffs mit vielerlei Special Effects und verleiht der dämonischen Tragödie um Zauber, Täuschung, Schein und Sein eine überaus passende filmtrick-reiche visuelle Entsprechung. Um das Massensterben abzuwenden, bittet der Alchimist Faust (Gösta Ekman) den Teufel (Emil Jannings) um Hilfe. Der stellt ein Ende der Pest in Aussicht, verlangt im Gegenzug jedoch Fausts Seele. Dieser erklärt sich bereit und ist fortan an Mephisto gebunden, der den plötzlich wieder verjüngten Faust auf Reisen mitnimmt und ihm unterschiedliche Vergnügungen zuführt.

Z32 (Avi Mograbi, I/F 2008, 1.6.) Ein junger israelischer Elitesoldat erinnert sich: Zunächst im Dialog mit seiner Freundin, dann direkt in die Kamera, berichtet er, an der Tötung palästinensischer Polizisten beteiligt gewesen zu sein. Es geht um Schuld, Verantwortung, Verdrängung, Vergebung, aber auch um die Position des Filmemachers und die Suche nach einer Darstellungsform. Vor diesem Hintergrund wählt Mograbi das Verfremdungselement der digitalen Maskierung der Protagonisten des Films – ein effektvoller, irritierend-unheimlicher Eingriff, der „versteckt, um zu enthüllen“ (Avi Mussel, Special Effects).

Filme von Ken Jacobs (4.6.) Die Auseinandersetzung mit den Mechanismen des bewegten Bildes, das Verhältnis von Fläche und Tiefe im Kino sowie die Untersuchung von Seh-, Wahrnehmungs- und Kinoerfahrungen stehen im Mittelpunkt der filmischen Arbeiten des amerikanischen Experimentalfilmregisseurs Ken Jacobs. Zahlreiche seiner frühen Filme entstanden an der optischen Bank. Seit einigen Jahren hat sich Jacobs den digitalen Bildbearbeitungsmöglichkeiten zugewandt, in denen er u.a. Momentaufnahmen zeigt, „die sich in der Tiefe bewegen, ihre Bewegungen nie wiederholen, sie aber für immer im Raum fortsetzen; zweifellos eine Tiefe ohne 3D-Technologie, die jeder mit nur einem Auge erfassen kann“. Wir zeigen vier seiner Arbeiten aus zwei Jahrzehnten: OPENING THE NINETEENTH CENTURY: 1896 (USA 1990), THE GEORGETOWN LOOP (USA 1995), CAPITALISM: CHILD LABOR (USA 2006), SEEKING THE MONKEY KING (USA 2011).

ALEKSANDER NEWSKIJ (Alexander Newski, Sergej M. Eisenstein, UdSSR 1938, 7. & 12.6.) Schnee und Eis im Juni: Weder für die im Studio nachgebaute mittelalterliche Stadt Nowgorod noch für die auf einer sommerlichen Wiese mit allen zur Verfügung stehenden Special-Effects-Mitteln inszenierte Schlacht auf dem zugefrorenen Peipussee wurden Kosten und Mühen gespart. Die knapp 20-minütige kriegerische Auseinandersetzung ist dramatischer Kern und spektakulärer Höhepunkt des patriotischen Historienfilms über den titelgebenden Nationalhelden, der im 13. Jahrhundert deutsche Ordensritter von russischem Territorium zurückdrängte. Eisensteins erster Tonfilm (beeindruckend u.a. Prokofjews fulminante Filmmusik) verschwand in der Zeit zwischen Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts Mitte 1939 und dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 aus den sowjetischen Kinos.

CITIZEN KANE (Orson Welles, USA 1941, 8. & 16.6.) „Der Sinn des Films liegt nicht in seiner Auflösung, sondern in der Art und Weise seiner Darstellung.“ Welles’ Hinweis liest sich – einmal mehr im Kontext der Magical History Tour – als Aufruf zur Betrachtung der Bildgestaltung seines filmischen Puzzle-Debüts, die ganz im Zeichen des Stichworts „Tiefenschärfe/Schärfentiefe“ steht. Dabei sind die gestochenen Schärfen in allen Bereichen seiner immer wieder extrem in die Tiefen ragenden Kompositionen zum großen Teil im Optical Printer entstanden, d.h. in der Postproduktion durch Kombination von „Matte Paintings“ (gemalten Hintergrundbildern) und Realaufnahmen. Das verschachtelte, multiperspektivisch und fragmentarisch erzählte Psychogramm des Pressezaren Charles Foster Kane (Orson Welles) ist ein kühner Special--Effects-Großeinsatz.

DER SCHWEIGENDE STERN (Kurt Maetzig, DDR/Polen 1959, 13. & 28.6.) Kurz Maetzigs Arbeit ist nicht nur der erste Science-Fiction-Film der DEFA, sondern auch die letzte Special-Effects-Arbeit von Ernst Kunstmann, der bereits in den 20er Jahren einer der bekanntesten Trickkameramänner und Spezialist für Spiegel- und Modellaufnahmen im deutschen Film war. Basierend auf Stanislaw Lems Roman „Planet des Todes“ wird hier die Geschichte eines Raumschiffs auf dem Weg zum Planeten Venus im Jahr 1970 erzählt. Bei ihrer Ankunft entdeckt die Besatzung eine riesige Vernichtungsmaschinerie, die atomare Strahlung freisetzt und eine große Gefahr darstellt – nicht jedes Besatzungsmitglied wird zur Erde zurückkehren.

INCEPTION (Christopher Nolan, USA 2010, 15. & 22.6.) Sich aufklappende Straßenlandschaften, reale und computergenerierte Ex- und Implosionen, sich auflösende Landschaften, synchron rotierende Hotelkorridore und sich überschlagende Autos – so divers die Nolan’schen Traumwelten, so unterschiedlich die Verfahren, sie zu generieren: von aufwendigen analogen Bühnenkonstruktionen über In-Camera-Effekte zu offensichtlichen Computeranimationen. Dabei erliegt INCEPTION nie den unermesslichen Weiten der technischen Möglichkeiten, sondern konstruiert so brillant wie komplex einen Abenteuerspielplatz zwischen Träumen und Wünschen, Manipulation und Wirklichkeit.

THE TREE OF LIFE (Terrence Malick, USA 2011, 10. & 18.6.) Dem Unplanbaren, Unerwarteten und Mysteriösen Raum zu geben, war Ausgangspunkt der Zusammenarbeit zwischen Special-Effects-Pionier Douglas Trumbull und Regie-Maverick Terrence Malick. Den gewünschten Freiraum fanden die beiden in einer Art Alchemie-Labor, in dem mit unterschiedlichsten Substanzen und Flüssigkeiten experimentiert und chemische bzw. physikalische Vorgänge in extremem Zeitraffer aufgenommen wurden. Entstanden sind Effekte, die Trumbull folgerichtig als „organic“ effects bezeichnet. Sie bilden die Grundlage der 22-minütigen „Urknall“-Sequenz, die einen Referenzpunkt der Handlung des Films bildet. Malick skizziert das familiäre Spannungsfeld des jungen Jack, der in den 1950er Jahren in der texanischen Provinz zwischen einer sanft-gütigen Mutter (Jessica Chastain) und einem strengen Vater (Brad Pitt) aufwächst. Das Familiengefüge gerät aus dem Lot, als Jacks Bruder im Vietnamkrieg ums Leben kommt.

WATER AND POWER (Pat O’Neill, USA 1989, 22.6.) O’Neills „Porträt“ über Los Angeles und die Kräfte, die die Stadt bewegen, ist über einen Zeitraum von mehreren Jahren ohne Drehbuch und im zufälligen Zusammenspiel von Orten, Menschen und Situationen entstanden, fortlaufend am optical printer bearbeitet und von Animationen, Computergrafiken und Found Footage gerahmt. Zentrale Einstellungen zeigen den Stadtverkehr, das die Stadt umgebende Wüstengebiet und riesige Pipelines, die bewusst machen, wie das Recht auf Wasser und politische Macht miteinander verflochten sind. Ein Film über Wasser in all seinen Aggregatzuständen und über Bewegungszyklen: die der Planeten, der Gezeiten, der Kamera um ihre eigene Achse und der sich wiederholenden Aktionen der Darsteller.

TSCHELOWJEK S KINOAPPARATOM (Der Mann mit der Kamera, Dsiga Wertow, UdSSR 1929, 19. & 27.6., am Klavier: Eunice Martins) Rasant in Montage und der Verwendung von allen damals zur Verfügung stehenden Spezial- und Trickeffekten – eine Sinfonie der Stadt und des Filmemachens, eine Reflexion über Realität und Wahrnehmung. Vorfilm: VORMITTAGSSPUK (Hans Richter, D 1928).

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