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ISKINDEREYA KAMAN WA KAMAN (Alexandria Again and Forever, Youssef Chahine, Ägypten/F 1989, 1. & 3.10.) Seit sein bevorzugter Schauspieler nicht mehr mit ihm arbeiten möchte, befindet sich Regisseur Yehia (Alter Ego des Regisseurs Youssef Chahine und von ihm selber gespielt) in einer Krise. Er überdenkt seine bisherige Karriere, erinnert sich an den Gewinn des Silbernen Bären bei der Berlinale 1979 – eine Szene, die in eine Musicalszene auf den nächtlichen Straßen des winterlichen Berlin mündet – und erklärt sich mit den Streikenden der ägyptischen Filmindustrie solidarisch.

LONESOME (Paul Fejos, USA 1928, 2.10., am Klavier: Eunice Martins) Jeder für sich beginnen die Telefonistin Mary und der Fabrikarbeiter Jim mit ihrem Tag: Vom Aufstehen in einem kleinen gemieteten Zimmer über die U-Bahn-Fahrt bis zur Arbeit in der Fabrik ist jeder Handgriff durch die tausendfache Wiederholung zum Ritual geworden – eine Choreografie des Alltags eines modernen Großstadtmenschen. Am Mittag brechen sie nach Coney Island auf, wo sie sich, befreit von den Zwängen des Alltags, begegnen.

FOOTLIGHT PARADE (Lloyd Bacon, USA 1933, 11. & 13.10.) Der Musicalproduzent Chester Kent (James Cagney) sieht sein Business durch den aufkommenden Tonfilm bedroht. Kurze Prologe, die als Vorprogramm in Kinos laufen und durchs ganze Land touren sollen, bringen die erhoffte Rettung – müssen nun aber in aller Eile, zwischen störenden Zensurwächtern und Liebeswirren innerhalb der Kompanie, einstudiert werden. Die von Busby Berkeley aufwendig choreografierten Tanznummern bilden mit
ihren exzentrischen Sets, in geometrischen Mustern angeordneten Tänzerinnen und extravaganten Kostümen den Höhepunkt des Films.

TIMBUKTU (Abderrahmane Sissako, Maureta-nien/F 2014, 10. & 15.10.) In bunten Trikots jagt eine Gruppe von Jugendlichen über einen sandigen Bolzplatz. Die vermeintlich fröhliche Fußballszene verkehrt sich in ihr Gegenteil, als sich abzeichnet, dass die Kinder ohne Ball spielen. Die Szene funktioniert gleichzeitig als Markierung des Irrsinns – islamistische Gruppen haben die mythische Stadt Timbuktu eingenommen und dort u.a. das Fußballspielen unter Strafe gestellt – wie auch als poetische Choreografie der Auflehnung, des Widerstands, der Imagination. Ähnlich den Jungen auf dem Sandplatz bricht sich auch an anderen Stellen der Stadt in kleinen Gesten der Bevölkerung der Widerstand gegen das Regelwerk der Rebellen Bahn.

HSIA NU/A TOUCH OF ZEN (King Hu, Taiwan 1971, 12. & 14.10.) Das stilbildende Meisterwerk des wuxia-Genres, des chinesischen Martial-Arts-Films, erzählt von der mysteriösen Yang, die sich in einem abgelegenen und angeblich von Geistern bewohnten Haus versteckt. Auf der Flucht vor den Mördern ihres Vaters, die die gesamte Familie töten wollen, begegnet sie dem jungen Gelehrten Gu, der in ihren Überlebenskampf mit hineingezogen wird. Mit atemberaubend choreografierten Kampfszenen und einer virtuosen Kamera schält sich aus dem Kampf Gut gegen Böse allmählich eine Reflexion über Wesen und Zweck von Gewalt.

DIE KLAGE DER KAISERIN (Pina Bausch, F 1989, 16. & 21.10.) In ihrer ersten Arbeit für das Kino überträgt die legendäre Gründerin und jahrzehntelange Leiterin, Tänzerin und Choreografin des „Tanztheater Wuppertal“ Pina Bausch ihre Arbeitsweise in das filmische Medium und choreografiert nicht nur Menschen und Tiere in Landschaften und Innenräumen, sondern auch unterschiedliche Momentaufnahmen zu einer Collage von „Märchenbildern, wie in einem Bilderbuch“ (P.B.). Unterlegt von Musikstücken aus verschiedenen Regionen und Zeiten entsteht eine kaleidoskopische Struktur von Stimmungen und Atmosphären, ein mal unheimliches, dann wieder komisches Lamento, erzählt von Körpern oder Körperteilen, Gesten, Mimik und Bewegungen.

ADIEU, PLANCHER DES VACHES! (Marabus!, Otar Iosseliani, F/I/CH 1999, 17. & 23.10.) „Ist man reich, denkt man, die Armen seien glücklich: frei, sorglos und von echten Freunden umgeben. Ist man arm, stellt man sich das Leben der Reichen köstlich vor.“ (Otar Iosseliani) Der 19-jährige Nicolas versucht, dem goldenen Käfig seiner reichen Familie zu entkommen und verlässt den mondänen Landsitz heimlich per Boot, um sich in Paris mit Clochards und jugendlichen Kleinkriminellen zu treffen. Die fließende Bildsprache und die Choreografie der Bewegungen sind signifikant für alle Filme Otar Iosselianis. Verstärkt durch die bevorzugt verwendete Einstellung der Totalen und die wenigen Schnitte erhält man den Eindruck einer permanenten Zirkulation; alles fließt.

MARTHA (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1974, 18. & 24.10.) Immer wieder zitiert wird Michael Ballhaus’ komplexe Kamerachoreografie in Fassbinders schnörkellosem Melodram, deren Höhepunkt in Präzision und Verdichtung zweifellos eine 360-Grad-Kamerafahrt relativ am Anfang des Films ist. Die unheilverkündende Plansequenz beschreibt die erste Begegnung zwischen den Protagonisten, der zu Abhängigkeit und Gehorsam erzogenen Martha und dem undurchsichtigen Helmut, die wenig später heiraten werden. Eine schwindelerregende Kreisfahrt als Kristallisationspunkt eines sadistischen Karussells.

KUNDSKABENS TRÆ (Tree of Knowledge, Nils Malmros, DK 1981, 19. & 29.10.) Über zwei Jahre hinweg gefilmte Vignetten aus dem Leben einer Handvoll Schüler an der Schwelle vom Kinder- zum Teenageralter, „die sich allmählich zu einem ganzen sozialen Kosmos von Sehnsucht und Zurückweisung, von Macht und Abgrenzung auffächern.“ (Florian Keller) Sensibel lotet Nils Malmros die Nöte Heranwachsender aus, ihre Gefühlswelt zwischen Eifersucht und Liebeskummer. Die täglich wechselnde Gruppendynamik entfaltet sich als ausgeklügelte Choreografie, in der über Zugehörigkeit und Ausgeschlossensein entschieden wird. (al/ma/hjf)

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