Statt Erzählung und Übersteigerung nutzten ihre minimalistischen Choreografien alltägliche Gesten und Handlungen sowie Mittel der filmischen Montage. In ihren nach 1970 entstandenen Filmen beschäftigte sie sich mit politischen Themen und feministischen Fragen.
1976 war Rainer mit LIVES OF PERFORMERS (1972) erstmalig im Forum vertreten, gleichzeitig trat sie ein Stipendium des Künstlerprogramms des DAAD in Berlin an. Fast alle ihre Filme liefen im Forum und fanden Eingang in den Verleih. Im Rahmen der 73. Berlinale feiert die digitale Restaurierung von THE MAN WHO ENVIED WOMEN (1985; OmdU) in Forum Expanded ihre europäische Premiere.
Folgende Titel stehen ab sofort als DCP in der englischen Originalfassung zur Verfügung:
LIVES OF PERFORMERS (1972) Rainers erster Langfilm beginnt mit einer Probe. In einer Reihe von Tableaus entwickelt sich eine Dreiecksbeziehung, erzählt wird die Geschichte aus dem Off und durch Textfragmente. „Ihr erster Film, so Heinz Emigholz, zeigt die Nahtstelle zwischen ihrer Arbeit als Choreografin und der so ganz anderen, Zeitcontainer gegen die Vergänglichkeit des Tanzes zu stapeln. Das Leben der Darsteller als reale Personen interessiert sie nicht, aber die Nuance, wie diese in den Stereotypen ihrer Rollen leben. ‚Archetypecasting‘ hat Rainer diese Aufmerksamkeitsverschiebung auf die dem Melodrama und den Soaps innewohnenden vereinfachten emotionalen Konstellationen genannt.“
FILM ABOUT A WOMAN WHO … (1974) spielt mit Klischees und Konventionen der Soap Opera und erzählt die Geschichte einer Frau, hinter deren sexueller Unzufriedenheit sich eine enorme Wut verbirgt. Auch hier werden Zwischentitel und Text im Bild eingesetzt, um die Erzählung anzuhalten, zu unterbrechen, oder umzulenken. "Die Grundregel in FILM ABOUT A WOMAN WHO … ist der Widerspruch, das Vokabular oft klischeehaft. (…) Die verschiedenen Gestalten, deren Stimmen man auf der Tonspur hört, werden oft nur als ‚er‘ und ‚sie‘ bezeichnet, während wir auf der Leinwand die Handlungen und Worte von Gestalten verfolgen, die wir nach Belieben den Stimmen zuordnen können." (B. Ruby Rich)
KRISTINA TALKING PICTURES (1976) „ist insofern ein narrativer Film, als er eine Reihe von Ereignissen enthält, die sich zu einer Geschichte zusammenfügen lassen, wenn man dazu bereit ist. (Eine europäische Löwenbändigerin kommt nach Amerika und wird Choreografin.) Der Film lässt sich auch dadurch charakterisieren, dass er von einer strikten narrativen Linie abweicht, indem er Reflexionen über Kunst, Liebe und Katastrophen anstellt, die von den Stimmen der Heldin und Erzählerin, und ihrem Liebhaber, getragen werden. In seiner Form der wechselnden Beziehungen zwischen Wort und Bild, Persona und Darsteller, Inszenierung und Illustration, Erklärung und Zweideutigkeit kreist KTP in einer sich verengenden Spirale um sein Hauptanliegen: die ungewisse Beziehung zwischen öffentlichem Handeln und persönlichem Schicksal, die allgegenwärtige Möglichkeit der Diskrepanz zwischen öffentlichem Gewissen und privatem Willen.“ (YR)
JOURNEYS FROM BERLIN/1971 (1980) ist, so das MoMA, „eine bissige, abschweifende und bisweilen witzige Meditation über Psychoanalyse, Gewalt, Massenornamente und Massenhysterie, ein Film voller Non-Sequiturs, die von Rosalind Russell und Stonehenge bis zu Leo Trotzki und Ulrike Meinhoff reichen. „Ist Journeys from Berlin/1971 Autobiographie oder Fiktion?“, fragt Rainer. „Ist es dadaistisches Vaudeville oder legitime filmische Recherche? .... Sind seine Sessel-Terroristen und selbstverliebten Narzissten würdig, dass man sie zu ernsthaften moralisch-politischen Anliegen macht?“
THE MAN WHO ENVIED WOMEN (1985; auch OmdU) folgt einem Philosophieprofessor in den Tagen nach der Trennung von seiner Frau, einer Künstlerin. Die Bilder sind unterlegt mit der Stimme seiner Frau, ihrem inneren Monolog. Die Sprechakte speisen sich aus gefundenen Texten aus Film- und Alltagskultur, poststrukturalistischer, psychoanalytischer und feministischer Theorie. Über das Thema der gescheiterten (heterosexuellen) Beziehung hinaus werden weitere Konfliktfelder erkundet – Wohnungsnot und Gentrifizierung im New York der 1980er-Jahre, das Recht auf Abtreibung, gewalttätige Machenschaften der USA in Lateinamerika. Mittels einer nicht enden wollenden Collage aus widersprüchlichen Bedeutungsebenen werden immer wieder neue Zusammenhänge hergestellt.
PRIVILEGE (1990) setzt sich mit den Themen Vergewaltigung, Rassismus und Menopause auseinander. Jenny, weiße Protagonistin in den Wechseljahren, lässt sich von Yvonne, ihrer afro-amerikanischen Freundin, die einen Dokumentarfilm über die Menopause dreht, interviewen. In "Hot Flashbacks" erinnert sie sich an eine Episode aus ihrer Jugend, die sie lange verdrängt hat. Die Stimmen, die zu hören sind, gehören so verschiedenen Personen wie der Abrüstungsadvokatin Helen Caldicott oder dem militanten Autor Eldrige Cleaver.
MURDER and murder (1996) ist Rainers letzter Film, bevor sie sich wieder dem Tanz zuwandte. Mildred ist lesbisch, Mitte 50 und Professorin. Doris, Anfang 60, war allein erziehende Mutter, hatte nie einen festen Job und verliebt sich zum ersten Mal in eine Frau. Nachdem sie zusammenziehen, wird bei Doris Brustkrebs diagnostiziert. Der Film ist Soap-Opera, schwarze Komödie, Love-Story und politische Meditation. Die Statistiken zu Brustkrebs, die Rainer verliest, erweisen sich als nicht adäquat. Mit kühlem Humor kommentiert sie die Situation ihres Alter Egos.