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Shifting Shapes – Kino als Formwandler
27.–29. August 2015

Jedes Jahr im August bietet das Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. eine Summer School an. Drei Tage lang setzen sich die Teilnehmer_innen mit einem Thema an der Schnittstelle von Theorie und Praxis des Kinos auseinander.

Die diesjährige Summer School findet erstmals auch im silent green Kulturquartier statt. Der neue und unabhängige Standort für Kunst und Kultur befindet sich auf dem Gelände eines ehemaligen Krematoriums, das vor mehr als 100 Jahren erbaut wurde. Hier wird ab Oktober 2015 die umfangreiche Filmsammlung des Arsenal beheimatet sein – öffentlich zugänglich für alle Interessierten.

Neue Orte verändern das, was dort verortet ist – und vice versa: Insbesondere, wenn es sich dabei um Filme handelt, die aus der Geschichte kommend die Gegenwart gestalten.

Das Thema „Shifting Shapes – Kino als Formwandler“ widmet sich solchen Transformationen durch Zeit und Raum, aber auch durch Dispositive und analoge und digitale Formate hindurch. Formwandler sind Wesen, die in der Lage sind, ihre eigene äußere Form zu verändern. Sie tun dies ganz aus sich selbst heraus, aber stets im Bezug auf die Außenwelt, aus strategischen Gründen, im Affekt oder aus Motiven, die im Verborgenen bleiben. Der Fokus der Veranstaltung richtet sich auf ein Kino der Geschichte gewordenen Gegenwart, und auf Filme (und ihre Orte) die noch im Prozess der Entstehung sind.

Mit Beiträgen von Bettina Ellerkamp, Alex Gerbaulet, Milena Gregor, Jörg Heitmann, Birgit Kohler, Merle Kröger, Susanne Sachsse, Philip Scheffner, Stefanie Schulte Strathaus, Tatjana Turanskyj.

Die Veranstaltungen finden in deutscher Sprache statt!

Anmeldung
Die Teilnehmerzahl ist auf 30 Personen begrenzt. Plätze werden nach Eingang der Anmeldungen vergeben.
Teilnahmegebühren: 125 Euro / 105 Euro (Mitglieder, Studierende, Berlin-Pass) / 85 Euro (Mitglieder im arsenal freundeskreis).

Anmeldeschluss ist der 15. August 2015.

Programm als PDF zum Download

Veranstaltungsorte
Kino Arsenal, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin
silent Green Kulturquartier, Gerichtstraße 35, 13347 Berlin

Anmeldeformular als PDF zum Download

Kontakt
Nora Molitor / Angelika Ramlow | Projektkoordination
summerschool(at)arsenal-berlin.de

Programm Donnerstag, 27.8.

12.30 Uhr, Kino Arsenal 2
Ankunft und Begrüßung

13 Uhr, Kino Arsenal 2
Einführung
Milena Gregor, Birgit Kohler und Stefanie Schulte Strathaus (Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V.) Bettina Ellerkamp, Jörg Heitmann (silent green Kulturquartier)

14–17 Uhr, Kino Arsenal 2
Birgit Kohler, Tatjana Turanskyj

EINE FLEXIBLE FRAU, Tatjana Turanskyj, D 2010, 97 min
Greta, 40, Architektin, Mutter eines zwölfjährigen Sohns, getrennt lebend, verliert ihren Job. Sie beginnt in einem Callcenter zu arbeiten, wird aber schon bald wieder gekündigt. Sie versucht mit aller Kraft, sich nicht unterkriegen zu lassen, fängt an zu trinken und treibt durch die Stadt – zwischen Anpassungsdruck und Widerspruchsgeist.
A WOMAN UNDER THE INFLUENCE – in Berlin zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Im sogenannten neuen Berlin, von den Brachen hin zu den Townhäusern. Im globalisierten, flexiblen Kapitalismus. Im Post-Feminismus. Mit dem jeweils dazugehörigen Vokabular: Theorie-Bruchstücke, Floskeln, Modeworte, Zitate. Eine Frau mit einer Vision, vom urbanen Raum, von sich, von ihrem Beruf, von ihrem Leben mit ihrem Kind. Doch die Verhältnisse sind nicht so. Greta auf Partys, im Callcenter, beim Bewerbungs-Coach, mit ihrem Sohn, mit Exkollegen, im Jobcenter, in Kneipen, bei Stadtspaziergängen. Kämpferisch, hysterisch, eigensinnig, wie in Trance, widerspenstig, hemmungslos, überschwänglich und todtraurig. Situationen, Begegnungen, Performances. Mehr Trip als Plot. Momentaufnahmen einer zeitgenössischen, brüchigen weiblichen (Arbeits-)Biografie. EINE FLEXIBLE FRAU als allseitig reduzierte Persönlichkeit.
 (Birgit Kohler)

17.30–18 Uhr, Kino Arsenal 2
Susanne Sachsse

SERIOUS LADIES, Susanne Sachsse, D 2013, 21 min
Susanne Sachsse präsentiert SERIOUS LADIES, eine vierteilige Videoarbeit, die eine ständige und schnell wechselnde Konversation zwischen drei Frauen (alle von Susanne Sachsse selbst gespielt) darstellt, die durch Telefone und Klingelsprechanlage kommunizieren. Wir sehen dieses Video, welches Found Footage mit neu-gedrehten Szenen zusammenbringt, zuerst im Kino und dann nach einem Ortswechsel in seiner ursprünglichen Fassung als Videoprojektion auf einem alten, schmutzigen, abgenutzten aus Holz und Papier gebautem Billboard. Die Arbeit stellt folgende Fragen: Was sind eigentlich ernsthafte Damen (Serious Ladies)? Was ist an diesen Frauen ernsthaft, diesen drei Frauen, die sich zu einer einzigen Dame zusammen setzen können, diesen drei Frauen, die von einer einzigen Schauspielerin gespielt werden?

18.30–19.30 Uhr, silent green Kulturquartier
Susanne Sachsse

Installation SERIOUS LADIES
Mit anschließendem Gespräch und Diskussion

20 Uhr, silent green Kulturquartier
gemeinsames Abendessen

Programm Freitag, 28.8.

10–13 Uhr, silent green Kulturquartier
Merle Kröger und Philip Scheffner

REVISION – GRENZFALL – AND-EK GHES... EINES TAGES...
Der Dokumentarfilm REVISION von Philip Scheffner und der Roman GRENZFALL von Merle Kröger basieren auf demselben realen Vorfall: Am 29. Juni 1992 entdeckt ein Bauer zwei Körper in einem Getreidefeld in Mecklenburg-Vorpommern. Ermittlungen ergeben, dass es sich bei den Toten um rumänische Staatsbürger handelt. Sie wurden bei dem Versuch, die EU-Außengrenze zu überschreiten, von Jägern erschossen.
Mit REVISION wird ein juristisch abgeschlossener Kriminalfall einer filmischen Revision unterzogen, die Orte, Personen und Erinnerungen miteinander verknüpft und ein fragiles Geflecht aus Versionen und Perspektiven einer „europäischen Geschichte“ ergibt. Bei den Dreharbeiten entstand die Nahtstelle zur Fiktion: Der Kriminalroman GRENZFALL bietet die Chance, emotionale und politische Momente zu verdichten und die Realität in einen Möglichkeitsraum umzudenken. Ein gemeinsamer Raum für die Familien der Getöteten und die Filmemacher von diesseits der Grenze.
Und schließlich wird das Kino sogar als physischer Raum zum Formwandler, denn aus der Präsentation des Films auf der Berlinale 2012 entsteht 2014/2015 ein neues Projekt: AND-EK GHES... EINES TAGES...

In einer bewussten Vermischung von Filmausschnitten, Lesung, Erzählung und Anekdoten möchten wir vorstellen, wie eine dokumentarische Rekonstruktion ins Heute schwingt, von da aus zurück in die parallele Fiktion von Vergangenheit und Gegenwart – wie fiktionale Momente aus dem Roman sich wieder in die Realität übersetzen und in eine fiktive Zukunft aufschwingen, die durchaus beabsichtigte Ähnlichkeit mit Bollywood hat.

14–16 Uhr, silent green Kulturquartier
Stefanie Schulte Strathaus

Memory Plays Itself – Ein Workshop mit Gedächtnisprotokollen
Im Mittelpunkt des Workshops steht die Arbeit der Künstlerin und Filmemacherin Constanze Ruhm. In ihren seriell angelegten Filmen und Installationen widmet sie sich den Untoten des post-narrativen Kinos. Die Eigendynamik der Erinnerung macht es den Figuren unmöglich, zu sterben, und lässt das Kino selbst zum Formwandler werden: „Es zeigt sich eine Meta-Figur als Metapher für eine mögliche Form zeitgenössischen Kinos, das sich durch die Praxis der neuen Medien verändert hat und in heutigen kulturellen und technologischen Diskursen verankert ist. Diese Meta-Figur spricht mit der Stimme des Kinos, aber durch die Syntax der Medien.“ (X Love Scenes, 2006)

„Welche Form muss die Arbeit gegen das Vergessen annehmen, und wie kann man mit den Gespenstern in Frieden leben, und soll man sich das überhaupt wünschen? Derrida antwortet, dass man nichts anderes tun kann, als zu lernen, mit den Phantomen zu leben: ‘apprendre qu’à vivre avec les fantômes.’ “ (Invisible Producers, 2015)

16.30–19 Uhr, silent green Kulturquartier
Bettina Ellerkamp, Jörg Heitmann

KILLER.BERLIN.DOC, Bettina Ellerkamp, Jörg Heitmann, D 1999, 70 min
In dem Wunsch, vom eigenen Leben in einer sich wandelnden Stadt zu erzählen, entschließen sich im Mai 1998 zehn Personen, ihr Leben in Berlin für 14 Tage zur Fiktion zu machen. Sie spielen "Killer", ein Spiel, in dem niemand vom anderen weiß und jeder sowohl Täter als auch Opfer ist. Der Auftrag lautet, eine vorgegebene, aber dem Spieler vorher unbekannte Person ausfindig zu machen und sich den perfekten "Mord" für das "Opfer" auszudenken. Im Wissen, dass zur selben Zeit auch jemand den eigenen Spuren folgt, begeben sich die Spieler auf die Suche nach der unbekannten Person.
“killer.berlin.doc ist ein vielfältig gebrochener Dokumentarfilm mit fiktiven Elementen, ein subjektiver Künstlerporträtfilm, ein selten schöner Architekturfilm über Berlin im Wandel, ein mehrstimmiges Tagebuch über zwei Wochen im Mai 1998. Ästhetisch überzeugend verbindet das Filmemacher_innen-Kollektiv die verschiedenen Aufnahmetechniken… Die innovative Bildgestaltung ist einzigartig; die fließenden Übergänge zwischen dokumentarischen und fiktiven Elementen wiederholen formal die Gefühlsunsicherheit, die nicht nur die Spieler während ihres Spiels erfahren. Berlin ist hier gleichzeitig blaustichige Traumlandschaft, Projektion unterschiedlicher Wünsche, ein Wirrwarr unterschiedlichster Architekturen.” (Detlef Kuhlbrodt)
Screening und Diskussion, Präsentation des CD-ROM / Netzprojektes

19 Uhr, silent green Kulturquartier
Abendessen

20.30–24 Uhr
Bettina Ellerkamp, Jörg Heitmann
Gemeinsame Bustour durch das nächtliche Berlin: entschwundene Orte und geisterhafte Begegnungen

Programm Samstag, 29.8.

11–12.30 Uhr, silent green Kulturquartier
Alex Gerbaulet

SCHICHT, Alex Gerbaulet, D 2015, 29 min
SCHICHT ist zugleich Abrechnung und Spurensuche nach der (eigenen) Vergangenheit. Alex Gerbaulet begibt sich in ihrem Film auf einen Schwindel erregenden Trip durch Salzgitter: Eine Stadt wie ein Cyborg, in der sich Faser für Faser Geschichte ablagert. Roter Faden ist ihre Familiengeschichte, die durch Aufzeichnungen aus dem Privatarchiv zum Leben erweckt wird.
SCHICHT von Alex Gerbaulet (produziert von pong) gewann den Hauptpreis des deutschen Wettbewerbs bei den 61. Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen. Die Jurybegründung:
 „Architektur, persönlicher Wohnraum, persönliche Geschichte, deutsche Geschichte, Geschichte einer Stadt, eine Stadt, die sich aus der Arbeit speist. Ein Herr putzt seinem Hund die Pfoten ab. Eine Frau liebt eine andere. Und der Mutter legt sie keine Blumen aufs Grab. Der Preis des deutschen Wettbewerbs geht an einen Film, der uns einen bewussten Umgang mit Geschichte und Geschichten aufdrängt. Wir waren in Salzgitter. Von Mikro zu Makro entsteht ein schwerer, schöner Klumpen. Er stammt von Alex Gerbaulet und heißt: Schicht. Wir werden ihn nicht mehr los.“
Screening mit anschließender Diskussion

13.30–15.30 Uhr, silent green Kulturquartier
Bettina Ellerkamp und Jörg Heitmann

"Wir werden alle Fiesen killen"
Was hat ein Science Fiction von Boris Vian mit einem Berg in Thüringen zu tun? Wie kommt ein Filmemacher aus Berlin zu einem Berg in Thüringen und warum wird er ihn nicht wieder los? Ein Berg als Schicksalswende, als Projektionsfläche menschlicher Machtphantasien, ein Spiegel deutsch-deutscher Geschichte und Geschichten und Ausgangspunkt für ein dokumentarisches Filmprojekt, das noch mitten im Werden ist...
Die Filmemacher_innen Bettina Ellerkamp und Jörg Heitmann zeigen eine Multichannel-Installation aus dem gedrehten Filmmaterial und erzählen einen möglichen Filmverlauf.

16–18 Uhr, silent green Kulturquartier
Abschlussdiskussion mit anschließendem Umtrunk

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