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HUMAIN TROP HUMAIN (Menschlich, allzumenschlich, F 1974) ist ein Film über die Herstellung von Autos und über Menschen am Fließband in einer Citroën-Fabrik in der Bretagne. Malle wählte die modernste Autofabrik Frankreichs mit der allerneuesten Fließbandtechnik und verbrachte dort eine Woche, um ein Gefühl für die monotone Arbeit zu vermitteln. Durch die insistierende Beobachtung, die lange Dauer der Aufnahmen, die Einbeziehung des ohrenbetäubenden Lärms, gibt dieser Film ein eindringliches Bild von der Unmenschlichkeit der Fließbandproduktion, obwohl (oder gerade weil) Malle sich jeden Kommentar versagt und Bilder und Geräusche für sich sprechen lässt. "Ich wollte, dass die Zuschauer sich erschöpft fühlten, wenn sie aus dem Film kamen, so erschöpft, als hätten sie eine Achtstundenschicht hinter sich." (Louis Malle) (1.& 4.3.) 1972 begaben sich Louis Malle und Fernand Moszkowicz für zehn Tage auf die PLACE DE LA REPUBLIQUE (F 1974), wo sie, zum Teil mit versteckten Kameras und Mikrofonen, Passanten filmten und zu ihren Lebensumständen befragten. Auf einmal nimmt eine junge Frau Malles Kamera und schließt sich ihnen beim Interviewen an. Das Resultat ist ein faszinierendes Zeitdokument, das ein ungefiltertes Bild des Pariser Großstadtlebens vermittelt und in gewisser Weise Jean Rouchs und Edgar Morins grundlegende Cinéma vérité-Studie "Chronique d'un été" von 1960 fortschreibt. Dazu zeigen wir den kurzen Film VIVE LE TOUR, der 1962 entstand. Louis Malle begleitete die Tour de France auf dem Motorrad mit einer Kamera in der Hand. "Ein wirklich seltsames Ereignis, nicht nur in sportlicher Hinsicht, sondern auch als gesellschaftliches Phänomen. Ganz Frankreich kommt drei Wochen lang zum Erliegen. Mich faszinierte vor allem die Gewaltsamkeit, das Leiden – es ist wahrscheinlich das härteste Sportereignis, das es gibt. Also filmte ich die Unfälle, die Stürze, die furchtbare Anstrengung in den Bergen, die sich auf den Gesichtern der Fahrer zeigt." (L. M.) (6. & 8.3.) Ein mythologisches Märchen, das in der nahen Zukunft liegt, nannte Louis Malle den 1975 entstandenen, surrealen BLACK MOON. Eine junge Frau, Lily, überfährt mit dem Auto einen Dachs. Sie ist auf der Flucht vor einem in der Ferne stattfindenden Krieg zwischen Männern und Frauen. In dem Haus, in dem sie Zuflucht findet, hausen nicht nur ein androgynes Geschwisterpaar, sondern auch eine alte Frau, die mit ihrer Ratte in einem großen Bett lebt und von ihrer Tochter gestillt wird, ebenso sprechende Tiere und Fabelwesen. Wie Alice im Wunderland steht Lily staunend und naiv vor dieser Welt, verlangt Erklärungen und Antworten, die sie nicht bekommt. Der einer Traumlogik folgende Film erklärt das Fremde und Düstere nicht, sondern belässt es in seiner eigenen Welt. (6. & 7.3.) Neugier auf das "mythische Amerika" trieb Malle 1979 in GOD'S COUNTRY (USA 1986), in die ländliche Kleinstadt Glencoe in Minnesota, wo Malle unvoreingenommen den Alltag der 5000 Menschen meist deutscher Abstammung beobachtete. Sie sind Farmer, meist zufrieden mit ihrem gänzlich unspektakulären Leben, das sich um die Familie, die Arbeit und die Gemeinschaft dreht. Als Malle Glencoe 1985 ein zweites Mal besuchte, fand er eine andere Stimmung vor: Die Landwirtschaft steckt in der Krise, die Bewohner sind unzufrieden und schauen pessimistisch in die Zukunft. (9. & 12.3.) MY DINNER WITH ANDRÉ (USA 1981) besteht aus nichts weiter als einer Verabredung von zwei alten Freunden, die sich lange nicht gesehen haben, Wallace Shawn und André Gregory, die auch das Drehbuch schrieben. Während des Essens in einem Restaurant unterhalten sie sich über ihr Leben, die Arbeit und das Theater. Wally schlägt sich als Schauspieler und Stückeschreiber in Greenwich Village durch und bekämpft mit zynischer Haltung die Widrigkeiten des Lebens, André ist erfolgreicher Theaterregisseur, der von seinen Abenteuern und spirituellen Sinnsuchen in aller Welt erzählt. Zwei völlig verschiedene Betrachtungsweisen des Lebens, zwei unterschiedliche New Yorker Intellektuelle prallen aufeinander. (9. & 12.3.) MILOU EN MAI (F/I 1989) blickt zurück auf den Mai '68 und seine Auswirkungen in der Provinz. Der 60-jährige Witwer Milou lebt mit seiner Mutter im Landhaus der Familie im Südwesten Frankreichs. Als die Mutter stirbt, kommt die ganze Familie zusammen, um sie zu beerdigen und zu beerben. "Der Film ist eine Satire über eine bestimmte Form von Bürgertum, und obwohl ich mich über meine Figuren lustig machte, wollte ich auch, dass sie ergreifend wirkten. Sie wandeln sich. Am Beginn sind sie kritiksüchtig und egoistisch; als sie herausfinden, dass sie die Großmutter nicht begraben können, werden sie lockerer und träumen gemeinsam den Traum von einer utopischen Gesellschaft: eine Landkommune auf dem Gut, sexuelle Befreiung, all diese Ideen à la mode. Es ist Frühling, das Wetter ist herrlich, die Natur drängt." (Louis Malle) (10. & 15.3.) … AND THE PURSUIT OF HAPPINESS (USA 1987) entstand zur Jahrhundertfeier der Freiheitsstatue. Louis Malle reist durch die USA und spricht mit neu angekommenen Immigranten. Es sind Kambodschaner, ein russischer Schauspieler, Kubaner in Florida, Vietnamesen in Kalifornien u.a. Neben vielen, die ihren amerikanischen Traum gefunden haben, gibt es die mexikanischen Einwanderer, die verzweifelt versuchen, die unüberwindbare Grenze zu überqueren. Malle geht es weder um politische Analysen noch um Einwanderungspolitik. Ihn interessiert die Funktionsweise des Schmelztiegels, in dem die unterschiedlichsten Lebenswelten nebeneinander existieren und gelegentlich auch miteinander verschmelzen. (13. & 14.3.) Mit AU REVOIR LES ENFANTS (Auf Wiedersehen Kinder, F 1987) geht Malle zurück ins Jahr 1944 und zu einer Begebenheit, die er als Kind selbst erlebt hat. Der 12-jährige Julien ist in einem katholischen Internat auf dem Land untergebracht. Nach den Ferien kommt ein neuer Schüler, Jean, aufs Internat. Die beiden freunden sich an, und Julien kommt Jeans Geheimnis auf die Spur: Jean ist Jude und wird vom Leiter des Internats, Vater Jean, versteckt. Durch einen Verrat kommt die Gestapo dahinter. Sie transportiert die jüdischen Schüler und Vater Jean ab. "Obwohl ich mich jahrelang weigerte, mich damit zu befassen, hatte das Erlebnis einen ungeheuren Einfluss auf mein Leben. Was damals, 1944, geschah, war entscheidend für meinen Wunsch, Filmemacher zu werden." (Louis Malle) (11. & 12.3.) VANYA ON 42ND STREET (USA/GB 1994) ist eine verfilmte Theateraufführung von Tschechows Stück "Onkel Wanja", das von einer Gruppe Schauspielern unter der Regie von André Gregory jahrelang in einem Theater an der 42. Straße in New York geprobt wurde. Zu Beginn trudeln die Schauspieler nach und nach ein und gleiten dann aus ihrem Alltag unmerklich in ihre Rollen. "Louis Malle wollte die Inszenierung André Gregorys nicht verändern, sondern sich in einen Prozess einfügen, denn diese Theaterfamilie war in den jahrelangen Proben schon zu einer richtigen Familie zusammengewachsen, aber er hat neue Akzente gesetzt." (Marli Feldvoss) (16. & 17.3.) Für ihre Unterstützung danken wir Janus Film, dem Bureau du cinéma der Botschaft von Frankreich und Manuel Malle. Die Zitate von Louis Malle stammen aus dem Interviewbuch "Louis Malle über Louis Malle", das im www.alexander-verlag.com - external-link-new-window>Alexander Verlag Berlin erschienen ist und an der Kinokasse zu erwerben ist.

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