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Wir eröffnen das Festival mit einem Rückblick und zeigen die Kurzfilme des erst kürzlich wiederentdeckten georgischen Regisseurs Michail Kobachidse, der im Zeitraum von 1961 bis 1969 fünf außergewöhnliche Kurzfilme drehte, bevor seine Arbeit 1969 von der sowjetischen Zensur als formalistisch eingestuft wurde und er keine weiteren Filme mehr drehen durfte. YOUNG LOVE (1961), CARROUSEL (1962), LA NOCE (1965), THE UMBRELLA (1967) und THE MUSICIANS (1969) beeindrucken durch das raffinierte Zusammenspiel zwischen Bild, Ton und Schnitt. Beim Betrachten der Filme muss man zeitweise an Beckettschen Minimalismus denken, dann wieder an Buster Keaton, was den Gebrauch der Landschaft und den Sinn für Melancholie angeht. Kobachidses scharfe Gesellschaftsbeobachtungen wiederum erinnern an Jacques Tati, die animierten Sequenzen seiner Filme zeigen eine Verwandtschaft mit den Filmen von Norman McLaren. Ganz selbstverständlich verbindet Kobachidse in seinen Filmen die unterschiedlichsten Stile und bewegt sich mühelos zwischen Realismus, Satire, fantastischem und avantgardistischem Film. Das Programm wird mit Kobachidses jüngstem Film EN CHEMIN (2003), den er in Frankreich gedreht hat, abgerundet. (18.4.) TBILISSI –TBILISSI von Lewan Zakareishwili (2005) ist eine melancholische Bestandsaufnahme der georgischen Hauptstadt und ihrer Bewohner. Ein nicht mehr ganz junger Filmregisseur streift verzweifelt auf der Suche nach einer Geschichte durch die Straßen seiner Heimatstadt. Unweit der glitzernden Welt der Waren, die in den letzten Jahren Tiflis mehr und mehr erobert hat, zeigen sich Probleme des modernen Lebens: Armut, gesellschaftliche und soziale Ungerechtigkeit, Flüchtlinge und Bettler, die in die Stadt drängen. Der Film ist das bewegende Protokoll einer desillusionierten Generation. (18.4.) Tiflis Anfang der 90er Jahre: Das Land ist vom Bürgerkrieg gezeichnet. In dieser Atmosphäre leben die knapp 20-jährigen Gio, Gogliko, Sandro und Duda ganz im Zeichen von Mädchen, Kartenspielen und Drogen. Um an Geld zu kommen und um der Enge der Familien zu entfliehen, machen sich Gio und Gogliko auf die Reise nach Aserbaidschan. Auf Umwegen landen sie in Bergkarabach, in einem von Aserbaidschanern und Armenienern heftig umkämpften Gebiet. GASEIRNEBA KARABACHSHI (A Trip to Karabakh, 2005) ist der jüngste Film von Lewan Tutberidse, der sowohl das erste unabhängige georgische Filmstudio Aisi als auch das Kino Amirani gegründet hat. (19.4.) Dito Tsintsadse gehört zweifellos zu den berühmtesten georgischen Regisseuren. Sein jüngster Film DER MANN VON DER BOTSCHAFT wurde 2006 in Locarno ausgezeichnet. Im Mittelpunkt steht Herbert, ein Angestellter der deutschen Botschaft in Tiflis. Er führt ein monotones, von beruflicher Routine bestimmtes Leben, bis er eines Tages das 12-jährige Flüchtlingsmädchen Sascha kennen lernt. Zwischen dem lebhaften Mädchen und dem melancholischen Bürokraten entwickelt sich eine Art Vater-Tochter-Beziehung, die von der Umgebung der beiden jedoch überaus misstrauisch beobachtet wird. (20.4.) Sasa Urushadses psychologisches Drama AK TENDEBA (Here Comes the Dawn, 1998) spielt vor dem Hintergrund des georgischen Bürgerkriegs. Der Erstlingsfilm kreist um den dramatischen Wendepunkt im Leben eines angesehenen georgischen Politikers. Sein erfolgreiches und scheinbar glückliches Leben gerät vollständig aus den Fugen, als sein neugeborener Sohn lebensgefährlich erkrankt. Sein Blick auf die Umwelt ändert sich auf radikale Weise: alles, was bislang für ihn Bestand und Wert hatte, kann der Sinnfrage nicht mehr standhalten. In einem verzweifelten Versuch, seinen Sohn zu retten, schließt er sich einer Gruppe an, die an einem See wohnt. (22.4.) Lewan Glontis Film DGE (Der Tag) wurde kurz vor Georgiens Unabhängigkeitserklärung am 9. April 1991 fertiggestellt und zeichnet mit sensibler, nervöser Erzählweise ein ergreifendes Bild des inneren Vakuums, der Passivität und der Ausweglosigkeit der jungen Generation. Mit einem dokumentarischen Blick auf das Alltagsleben rekapituliert der Film den Tagesablauf eines jungen Mannes, der bei seinen Großeltern lebt, im Verlauf des Tages Freunde und Verwandte besucht, durch die Straßen Tbilissis läuft, abends auf eine Party geht und wieder zu Hause ein Mädchen durchs Fenster beobachtet. Als er eine Auseinandersetzung beobachtet, greift er in das Geschehen ein, mit fatalen Folgen. Der Film läuft zusammen mit dem mittellangen Film CHUTI VARIAZIA (Five Variations, 2006) von Ilia Glonti, der zeigt, wie schwierig es sein kann, aus der alltäglichen Routine des Familienlebens auszubrechen, wenn man feststellt, ohne die anderen nicht leben zu können. (26.4.) Wie viele andere georgische Regisseure arbeitet auch Nana Djordjadse immer wieder mit europäischen Koproduzenten, wie im Fall ihres Films LES MILLE ET UNE RECETTES DU CUISINIER AMOUREUX (1001 Rezepte eines verliebten Kochs, 1996), einer französich-georgischen Koproduktion. Der vielschichtige Film ist zwischen Komödie und Melodram angesiedelt und beschreibt anhand von Rückblenden das wechselvolle Leben eines georgischen Globetrotters und Gourmets, der ein Feinschmeckerrestaurant in Tiflis eröffnet und bald in die Wirren der Revolution gerät. (29.4.) Die weibliche Hauptrolle in diesem Film spielt die Schauspielerin und Regisseurin Nino Kirtadse, deren Dokumentarfilm UN DRAGON DANS LES EAUX PURES DU CAUCASE (The Pipeline Next Door) 2006 mit dem Prix ARTE ausgezeichnet wurde, der alljährlich von der European Film Academy an den besten Europäischen Dokumentarfilm verliehen wird. Auf fesselnde wie amüsante Art schildert der Film die dramatische Konfrontation der Bewohner eines Dorfes mit den mächtigen Vertretern der Erdölfirma BP. Während die Vertreter von British Petrol mit Kaufverträgen für das benötigte Land auftauchen, über das die Pipeline geführt werden soll, schreitet der Bau der von Aserbaidshan in die Türkei führenden gigantischen Pipeline bedrohlich voran. Zwischen Angst vor den Veränderungen, die der Bau der Pipeline mit sich bringen wird, und dem in Aussicht gestellten Geldsegen durch den Verkauf des Landes hin- und hergerissen, können sich die Dorfbewohner nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. (28.4.) Abschließend präsentieren wir MEIDAN – NAVE OF THE WORLD (2004) über den gleichnamigen kleinen Bezirk mitten in Tiflis. Seit Jahrhunderten leben hier Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion friedlich Seite an Seite und nehmen Anteil am Leben und an den Traditionen ihrer Nachbarn. MEIDAN von Dato Janelidse ist ein eindruckvolles Porträt dieser scheinbar so einfachen Co-Existenz. (30.4.) In Zusammenarbeit mit dem Georgian National Film Center. Dank an Gaga Tschcheidse, Nino Anjaparidse und Anna Dziapshipa.

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