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Hinter dem Programm 1_ film und code: films 0/1 steht die Idee des Binärcodes. Gezeigt werden Filme, die als Metapher für den numerischen Code gelten können und die mit dem Konzept des visualisierten Tons und des audiblen Bildes arbeiten. Die Programme 2 und 3_ sampling: breaking time und sampling: writing movement beziehen sich auf die Auseinandersetzung des Digitalisierungsprozesses mit fundamentalen Aspekten des Films wie etwa dem Fotogramm als kleinster bedeutungstragender Einheit, der Projektionsmechanismus, dem vertikalen Ablauf der Bilder und der Trägheit der Netzhaut. Im Programm 4_ analog noise/digital noise wirken die Materialität und Fragilität des Filmstreifens sowie die Störungen von digitalen Systemen als ästhetische Elemente der ausgewählten Arbeiten. Das in der digitalen Kultur verbreitete Verfahren "cut and paste" wird verglichen mit der Technik der filmischen Collage im Programm 5_ cut and paste: time/spatial collages. Im Programm 6_ abstraktion und generation flash zieht sich die Abstraktion als roter Faden von den avantgardistischen Filmen der 1920er Jahre bis zur gegenwärtigen Medienkunst. Das Programm 7_ automatische filme: random ready made untersucht den Prozess des RAM (Random Access Memory), bezogen auf Zufallsprozesse und Unvorhersehbarkeit der Arbeiten. Programm 1_ film and code: films 0/1: Die Brüder Whitney waren Pioniere beim Einsatz von Computern, um abstrakte Filme mit eigener visueller Ästhetik zu machen. Andere Künstler machten Filme, die als Metapher für den binären Code 0/1 gelesen werden können, wie Peter Kubelka, der in ARNULF RAINER Gegensatzpaare alterniert (Licht/kein Licht; Ton/kein Ton), oder Pierre Rovère, der bei BLACK AND LIGHT den Filmstreifen in der Art von Lochkarten perforiert, die für die ersten Computer verwendet wurden. In den digitalen Medien teilen Bild und Ton erstmals den gleichen binären Code, was ihre Informationen austauschbar macht. Der Gedanke des visualisierten Tons und des audiblen Bildes findet sich auch schon bei Künstlern wie Oskar Fischinger, Norman McLaren, Kurt Kren oder Guy Sherwin, die nach dem Motto "What you see is what you hear" mit synthetischem Ton experimentierten:
BLACK AND LIGHT (Pierre Rovère); CATALOG (John Whitney); ARNULF RAINER (Peter Kubelka); ORNAMENT SOUND EXPERIMENTS (Oskar Fischinger); 1/57 VERSUCH MIT SYNTHETISCHEM TON (Kurt Kren); STACKING OF DIFFERENT NATURES (Hc Gilje); VOCABULARY (Woody Vasulka); DOTS/POINTS (Norman McLaren); MUSICAL STAIRS (Guy Sherwin); CYBERNETIK 5.3 (John Stehura); ZUSE STRIP (Caspar Stracke); "– ./" (Andres Ramirez Gaviria). (1. & 3.6.) Programm 2_ sampling: breaking time: Präkinematografische Apparate wie das Phenakistiskop, das Zoetrop oder das Praxinoskop basieren auf einer Abfolge von Zeichnungen mit minimalen Unterschieden, die in der Animation ein Gefühl der Bewegung hervorrufen. Das Kino zerstückelt also nicht nur Bewegung, sondern auch die Zeit. Lev Manovich sieht das Kino als Vorläufer des Digitalisierungsprozesses, der darin besteht, Information zu sampeln und zu quantifizieren: "Cinema sampled time twenty-four times a second. (…) All that remained was to take this already discrete representation and to quantify it. But this is a simple mechanical step; what cinema accomplished was a much more difficult conceptual break – from the continuous to the discrete". Filmemacher wie Robert Breer und Paul Sharits begreifen das Einzelbild als unabhängige Bedeutungseinheit. Sie erzeugen starke visuelle Kontraste zwischen den Einzelbildern, die sich in SCHWECHATER von Peter Kubelka und in MIA ZIA von Pezzelia in metrischen Strukturen artikulieren. Len Lye dagegen bemalt den Filmstreifen wie eine Leinwand, ohne sich um die räumliche und zeitliche Trennungsfunktion des Einzelbildes zu kümmern. Insofern kann er hier auch auf die Kamera verzichten. In der gleichen Art arbeitet Stan Brakhage in seinen gemalten Filmen. Johanna Vaude macht erst Aufnahmen und übermalt sie dann. Die Zerlegung von Zeit, die der Rhythmus der Filmkamera von 24 Bildern pro Sekunde diktiert, wurde jedoch auch in einigen Werken von Fluxus-KünstlerInnen abgewandelt, in denen mit Kameras gefilmt wurde, die 2000 Bilder pro Sekunde aufnehmen und damit eine minimale Differenz zwischen den Einzelbildern produzierten (extreme Zeitlupe):
DISQUES STROBOSCOPIQUES (Dominique Willoughby); RECREATION (Robert Breer); 31/75 ASYL (Kurt Kren); T.O.U.C.H.I.N.G (Paul Sharits); FLUXFILM N° 1: ZEN FOR FILM (Nam June Paik); FLUXFILM N° 14: NUMBER ONE (Yoko Ono); FLUXFILM N° 18: SMOKING (Joe Jones); BLACK ICE (Stan Brakhage); MIA ZIA (Nino Pezzelia); SCHWECHATER (Peter Kubelka); FREE RADICALS (Len Lye); AUTOPORTRAIT ET LE MONDE (Johanna Vaude). (6. &. 10.6.) Programm 3_ sampling: writing mouvement: Die Filmkamera als Aufzeichnungsmaschine und Bewegungsschreiber. Die wissenschaftlichen Studien von Eadweard Muybridge und Étienne-Jules Marey, die dazu dienten, die Bewegungsabläufe von Tieren und Menschen zu untersuchen, ebneten dem Kinematografen den Weg. Muybridge und Marey fotografierten Bewegungsphasen, die sie zur Analyse isolierten und bei der Projektion wieder zusammenführten. So entsteht die Illusion einer Bewegung, auf der das narrative Kino aufbaut. Ein Bruch mit dieser Illusion stellt die Arbeit von Martin Arnold dar, der die zeitliche Ordnung von Bildern und Bewegungsabläufen manipuliert und verändert, um etablierte Hollywood-Codes zu unterlaufen und Sehgewohnheiten aufzubrechen. Andere Filmemacher experimentieren mit der Einschreibung von Bewegung auf ein einziges Einzelbild, um bei der Projektion handfeste Illusionen zu erschaffen wie Alexandre Alexeïeff ("solides illusoires") oder fotografieren die Spuren von Lichtobjekten in Bewegung (Joost Rekveld, Karel Doing):
PREAMBULE AU CINEMATOGRAPH: E-J MAREY (E. J. Marey); #3 (Joost Rekveld); INTERMITTENCES NON REGULÉES DE MAREY (J.M. Bouhours); WHIRLWIND (Karel Doing); ÉTUDES DES SOLIDES ILLUSOIRES (Alexan. Alexeïeff); BANLIEUE DE VIDE (Thomas Köner); ALONE. LIFE WASTES ANDY HARDY (Martin Arnold). (13. & 17.6.) Programm 4_ analog noise/ digital noise: Die Materialität und Fragilität des Filmmaterials hat viele kinematografische Werke inspiriert, in denen der Filmstreifen auf verschiedene Weisen bearbeitet und manipuliert wird: Vom sukzessiven Abfilmen einzelner Sequenzen, das einen kontrastverstärkenden Effekt und eine Veränderung der chromatischen Qualität herbeiführt (Frühauf, Rimmer, Le Grice), über die regelrechte Zerstörung des Materials durch Ätz- und Bleichbäder (Reble) bis hin zu seiner Zerknitterung (Fontaine) und der Verursachung von Brandflecken (Brakhage). In die Videos von Steina und Woody Vasulka sowie von Sabine Marte, im Bereich der elektronischen Bilder also, werden gleichfalls verstörende Faktoren eingebaut, d. h. Störsignale des Videos, die als ästhetische Komponenten angesehen und eingesetzt werden. Andere Künstler produzieren neuerdings Werke, die mit den Unzulänglichkeiten digitaler Systeme arbeiten, z. B. das Duo ReMi, das in dem Video Uta Zet gezielt Computerabstürze einsetzt. Van Koolwijk verwendet in Five Video-Störsignale und konvertiert sie innerhalb der Dreiecksbeziehung Computer – Videoequipment – Fernsehen analog / digital:
LA SORTIE (Sigfried Frühauf); VARIATIONS ON A CELLOPHANE WRAPPER (David Rimmer); (ENTLASTUNGEN) PIPILOTTIS FEHLER (Pipilotti Rist); DECAY 1 (Steina and Woody Vasulka); CHICAGO (Jürgen Reble); AN AVANT-GARDE HOME MOVIE (Stan Brakhage); UTA ZET (ReMI); ROHFILM (B & W Hein); OVEREATING (Cecile Fontaine); STEWARDESSEN CLIP (Sabine Marte); BERLIN HORSE (Malcolm Le Grice); FIVE (Bass von Koolwijk). (20. & 23.6.) Programm 5_ cut and paste: space/time collages: Die Collagetechnik, bei der visuelle, auditive oder textuelle Fragmente verschiedener Provenienz zu einem neuen Kontext zusammengeführt werden, um neue Bedeutungen zu erzeugen, ist in der digitalen Kultur mit dem Cut-and-paste-Verfahren eine der meistausgeführten Operationen geworden und stellt eine neue kulturelle Form des Umgangs mit Information dar. Viele Filmemacher interpretieren den Begriff Collage (frz. An-, Aufkleben) geradezu wörtlich und bearbeiten direkt den Filmstreifen. Brakhage etwa beklebt ihn in MOTHLIGHT mit Laub und Insekten, Giovanni Martedi mit Klebestreifen, Cecile Fontaine trennt mit ihrer Technik des décollage/récollage, also "Abziehen und wieder Bekleben", die verschiedenen Schichten des Filmmaterials und transformiert so den visuellen Gehalt, Martha Colburn übermalt die Bilder, um deren Bedeutung zu verändern, Vanderbeek stellt Animationscollagen her. Die elektronische Videotechnik erlaubt es den Vasulkas, mit Ablagerungen von einem Bild ins andere zu experimentieren, und Melhus, sich unzählige Male zu klonen, indem er die Befehle cut and paste immer wieder wiederholt. Auf der anderen Seite erlaubt der zeitliche Charakter des Kinos eine andere Art der Collage, die direkt auf der Netzhaut entsteht (Breer, Kren, Lowder). Die rasche Abfolge verschiedener Bilder mischt sich im Gehirn dank des Phänomens der Netzhautträgheit und ergibt so den Film (Nachbildeffekt und Phi-Phänomen): MOTHLIGHT (Stan Brakhage); FILMS SANS CAMERA F. S. C. n° 1 (Giovanni Martedi); CRUISES (Cecile Fontaine); EVIL OF DRACULA (Martha Colburn); AGAIN AND AGAIN (Bjørn Melhus); SPACES 2 (The Vasulkas); FIST FIGHT (Robert Breer); SCIENCE FRICTION (Stan Vanderbeek); 48 KÖPFE AUS DEM SZONDI-TEST (Kurt Kren); BOUQUETS 1–10 (Rose Lawder); CROSSINGS (HC Guilje). (27. & 30.6.) (Maria Morata) Das Programm wurde kuratiert von Maria Morata und wird im Juli fortgesetzt. Ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Universität der Künste mit freundlicher Unterstützung vom Hauptstadtkulturfonds.

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