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Die Filmreihe "The Vision Behind" versucht, diese Lücke zu thematisieren und rekonstruiert historische Bruchlinien der filmischen Selbstdarstellung von Unternehmen. Unternehmensfilme folgen nicht ausschließlich dem ökonomischen Diktat ihrer Auftraggeber. Im Spannungsfeld von Experiment und Auftrag insistieren Regisseur/innen immer wieder auf dem künstlerischen Charakter ihrer Werke. Mit Hilfe abstrakter Bildmontagen und Klangkompositionen, unkonventioneller Geschichten und aufwändiger Anleihen an das Hollywood-Kino entstehen bis in die jüngste Gegenwart Unternehmensfilme, die über einen primär informativen und wirtschaftskonformen Charakter hinausweisen. Den Filmen liegen zwar ökonomische Interessen, die Popularisierung von Spezialwissen und Strategien der Produktwerbung und Imagebildung zugrunde, sie geben aber auch Aufschluss über kollektive Wunschvorstellungen und soziale und politische Wahrnehmungskulturen. Vor diesem Hintergrund kombiniert "The Vision Behind" Industrie- und Gewerkschaftsfilme, Werbe- und Dokumentarfilme, Videoclips und Experimentalfilme aus den Jahren 1922 – 2005. Die insgesamt sieben, von Ramón Reichert und Florian Wüst kuratierten Kurzfilmprogramme werden in teils unterschiedlichen Zusammenstellungen in München, Berlin, Stuttgart, Wien, Frankfurt, Wiesbaden und Basel gezeigt. Das Kurzfilmprogramm "Technikutopien: Mensch und Automation" widmet sich dem Verhältnis von Mensch und Maschine. Die fortschreitende Modernisierung der Fertigungsprozesse war Voraussetzung für die enorme Steigerung der industriellen Produktion im 20. Jahrhundert. Über die Erhöhung der Stückzahlen hinaus stellte die Befreiung des Menschen von körperlich oder geistig eintöniger Arbeit eines der immer wieder hervorgehobenen Argumente für die Rationalisierung dar. Neben DIE OFFENE TÜR (Rudolf Stölting, BMW AG, BRD 1954), MIKROZEITEN – MAKROMENGEN (Karlheinz Graudenz, AEG-Telefunken AG, BRD 1968), INDUSTRIEROBOTER – BAUSTEINE FÜR DIE FABRIK DER ZUKUNFT (Siemens AG, BRD 1985) und REAKTIONEN – MENSCHEN IN DER AUTOMATION (Erik Wernicke, Chemische Werke Hüls AG, BRD 1961) laufen der DEFA-Dokumentarfilm STAHL UND MENSCHEN (Hugo Hermann, DDR 1957) und Richard Serras HAND CATCHING LEAD (USA 1968). (16. & 17.11.) Mit den Ideen des Neuen Bauens und des funktionalen Designs der Vorkriegsmoderne avancierte die häusliche Wohnung zum Versuchsfeld für Wissenschaft und Technik. Effizienz und Sauberkeit bestimmten fortan das Leben der Hausfrau, bis hin zum Traum einer vollautomatischen Küche, wie sie der General-Motors-Film DESIGN FOR DREAMING (W. Beaudine, USA 1956) glamourös inszeniert. Die Werbe- und Informationsfilme führen in die Welt mikroskopisch kleiner Schmutzpartikel, pulvriger Backzutaten und elektrischer Haushaltsgeräte: DER HAUSFRAU STECKENPFERD (Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG, BRD 1956), LIEBLING DER HAUSFRAU (Fischerkoesen, AEG AG, BRD 1954), NUR EIN BISSCHEN SCHMUTZ (G. Kühns, Henkel & Cie AG, BRD 1959) und SIEMENS INDUKTION (F. Schmidt, Siemens-Electrogeräte GmbH, D 2005). Dem glänzenden Zauber der 1950er Jahre wird mit Jürgen Böttchers WÄSCHERINNEN (DDR 1972) die Dokumentation des Arbeitsalltags einer Großwäscherei gegenübergestellt. (19. & 20.11.) Von den frühen Geräten digitaler Datenverarbeitung über die Energiekrise der 1970er Jahre bis zu Telex, Fax und der globalen Vernetzung heutiger Konzerne – das Programm "An der Grenze zur Zukunft: Computer und Wissen" thematisiert die Licht- und Schattenseiten des technischen Fortschritts und seine Auswirkungen auf Natur, Mensch und Kommunikation. Die Industrie- und Imagefilme DAS NEUE WERKZEUG (Walter Koch, IBM Deutschland GmbH, BRD 1962), DAS BÜRO VON HEUTE – WIE DIE TECHNIK DIE KOMMUNIKATION VERBESSERT (Egloff Schwaiger, Siemens AG, BRD 1982), ENERGIE 2000 (Herbert E. Meyer, Verband Schweizerische Elektrizitätswerke, CH 1973) und JAGD NACH WISSEN (Christian Abey, Siemens AG, D 2000) werden ergänzt durch George Lucas' ersten experimentellen Science Fiction, ELECTRONIC LABYRINTH: THX-1138 4EB (USA 1967), und einen Film des Deutschen Gewerkschaftsbunds, ANGESTELLTE UNSERER ZEIT (Rudolf Kipp, BRD 1963), der die grundlegenden Veränderungen der Arbeitswelt durch Computer prognostiziert. (21. & 22.11.) Die drei Klassiker des Industrie- und Dokumentarfilms STAHL – THEMA MIT VARIATIONEN (Hugo Niebeling, Mannesmann AG, BRD 1960), GLAS (Bert Haanstra, NL 1958) und IMPULS UNSERER ZEIT (Otto Martini, Siemens, BRD 1959) beeindrucken durch ihre musikalische Qualität. Elektronisch und instrumental modellierte Klangfolgen transformieren die Geräuschkulissen von Stahlwerken, Glasmanufakturen, Turbinenhallen und Fernmeldestationen zu sinfonischen Gebilden, zu audiovisuellen Ikonen des Maschinenzeitalters. Auf Anregung von Carl Orff wurde für die Vertonung von IMPULS UNSERER ZEIT eigens das Siemens Studio für elektronische Musik eingerichtet, ein Projekt, das das Interesse an film- und musiktechnischen Experimenten im Unternehmensfilm symbolisiert. (23. & 24.11.) KOMPOSITION IN C (Werner Dressler, BASF AG, BRD 1957) und CIRCLES (Boris Plenth, AG, D, 1992) schlagen im fünften Kurzfilmprogramm einen Bogen vom historischen zum zeitgenössischen Unternehmensfilm. Die Grundstoffe der chemischen Industrie, Öl und Kohle, bildeten die Kraftquellen des westdeutschen Wirtschaftswunders, dessen soziale Defizite jedoch am Schicksal des Bergbaus offensichtlich wurden. "Wir vergaßen allzu schnell die Missstände und veranstalteten Miss-Wahlen." Am Beispiel eines Schönheitswettbewerbs polemisiert der IGBergbau- Film SCHON VERGESSEN? (Karlheinz Schmidt, BRD 1959) über den Fortbestand der Klassengegensätze. Herbert Veselys Essayfilm DIE PALETTEN DER MODE (BRD 1965) erörtert dagegen das Wesen und die gesellschaftliche Funktion der Mode und dokumentiert dabei vergleichsweise wenig von der Herstellung der synthetischen Fasern und Farben bei Hoechst. Der Aral-Werbefilm ALLES FÜR ALLE (Fischerkoesen, BRD 1955) und Daniel Pflumms Video EUROPÄISCHER HOF (D 2002) ergänzen das Programm. (26. & 27.11.) "The Vision Behind" ist ein Projekt des Siemens Arts Program, das neben der Filmreihe aus einer gleichnamigen, von Anja Casser und Beate Hentschel im Verlag Vorwerk 8 herausgegebenen Publikation besteht, die den Unternehmensfilm aus kultur- und bildwissenschaftlicher Sicht betrachtet. Das Buch ist an der Kasse erhältlich. Informationen unter www.siemensartsprogram.de - external-link-new-window "Opens external link in new window">www.siemensartsprogram.de.
(Ramón Reichert und Florian Wüst)

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