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Wie Spektakel und Entertainment in die Politik Einzug halten, zeigt THE WAR ROOM (USA 1993, Chris Hegedus & Don Alan Pennebaker). Angefangen bei einer Vorwahl in New Hampshire bis hin zu der Siegesfeier zehn Monate später in Little Rock, blickt der Film hinter die Kulissen der raffinierten und mitunter komischen Wahlkampfkampagne Bill Clintons für die Präsidentschaftswahl 1992. Der Film konzentriert sich dabei auf die zwei leitenden Figuren von Clintons Kampagne, nämlich auf James Carville, den temperamentvollen Hauptkoordinator, und George Stephanopoulos, den Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit. Der "War Room" ist das Hauptquartier des Wahlkampfteams, in dem die wichtigen Entscheidungen über Form und Inhalt der Wahlkampagne getroffen werden. Der Film konzentriert sich nicht auf Clinton und seine Politik, sondern die Leute, die im Hintergrund bestimmen, wie er in der Öffentlichkeit auftritt. Pennebaker und Hegedus machen mit ihrem Film "schmerzlich bewusst, wie langweilig und verkniffen Politik hierzulande ist", konstatierte Volker Gunske im "Tip". Pennebaker & Hegedus sind Veteranen des amerikanischen Direct Cinema und machten vor allem Filme über zentrale Figuren der amerikanischen Gesellschaft und Kultur. (2. & 4.1.) Ein Höhepunkt des Forums 1991 war Jennie Livingstons PARIS IS BURNING (USA 1990). Der Film führt die Zuschauer in eine queere Subkultur New Yorks. Helmut Draxler schrieb 2001 in seinem "Freitag"-Artikel "Queere Flammen – Feuermetaphern zwischen Politik und Begehren und wie man den heterosexuellen Kanon der Filmgeschichte aufbrechen könnte": "'Paris is burning' hieß es auf dem Plakat zu einem jener legendären Bälle der schwulen, schwarzen Subkultur in Brooklyn, die in Livingstons gleichnamigem Film porträtiert wurde. Dieser Titel geht auf René Clements Film Is Paris Burning? von 1965 zurück, der mit einem ungeheuren Aufgebot an Stars (Orson Welles, Kirk Douglas, Jean-Paul Belmondo u.v.a.) das Drama um die Befreiung von Paris erzählte." Er zitiert bell hooks: "Als ich zuerst von diesem neuen Dokumentarfilm über schwarze, schwule Männer, Drag Queens und deren Bälle hörte, war ich vom Titel fasziniert. Er evozierte Bilder des echten Paris in Flammen, Bilder von Tod und Zerstörung der dominanten weißen, westlichen Zivilisation und Kultur, des Endes von Eurozentrismus und weißer Vorherrschaft." (3. & 11.1.) Zynisch, witzig und treffsicher erkundet ROCK HUDSON'S HOME MOVIES (Mark Rappaport, USA 1992) die Abgründe zwischen den Lügen des kommerziellen Films und den verborgenen Wahrheiten des Gossip. Den von Rock Hudson verkörperten heterosexuellen Liebhaber und Helden von Hollywoodfilmen und deren absurde Handlungen nimmt er akribisch auseinander, um ihren Subtext herauszuschälen. Die so harmlos-unschuldig wirkenden Situationen und Beziehungen zwischen Rock Hudson, Doris Day, Tony Randall und Dorothy Malone werden mit kritischem Blick auf die repressiven Tendenzen, die sich hinter ihren heiteren Plaudereien verbergen, neu interpretiert. Rock Hudson, der 1985 verstarb, war der erste bekannte AIDS-Tote und outete sich erst kurz vor seinem Tod. (4. & 5.1.) ABSOLUTELY POSITIVE (USA 1991) des 1996 an den Folgen von AIDS verstorbenen Peter Adair erzählt die Geschichte von elf Frauen und Männern, die mit HIV infiziert sind. Sie sind zwischen 17 und 60 Jahre alt, repräsentieren unterschiedlichste Lebensweisen, kommen aus den verschiedensten Regionen und gehören unterschiedlichen ethnischen Gruppen an. Sie sehen sich inzwischen als seltsame Bettgenossen – allein durch einen tödlichen Virus miteinander verbunden. "Vor einiger Zeit ergab ein Test, dass ich HIV-positiv bin, und mein Arzt sagte, dass ich wahrscheinlich in einigen Jahren AIDS bekäme. Ich war verwirrt, weil nichts sich verändert hatte und doch alles anders war." (Peter Adair) (5. & 9.1.) Barbara Hammer drehte seit den späten 60er Jahren zahlreiche lesbische, experimentelle Filme, bevor sie mit NITRATE KISSES (USA 1992) das erste Mal zu Gast im Forum war. Der Film untersucht Erscheinungsformen homosexueller Kultur, verwebt Spuren und Zeugnisse schwulen und lesbischen Lebens – angefangen vom ersten amerikanischen Schwulenfilm, Lot in Sodom von 1933 –, aber auch Reflexionen über Vergessenes, Verdrängtes, Zerstörtes. "NITRATE KISSES ist inspiriert von einer Vielzahl von Quellen, die ich zu einer Collage geformt habe. Als alternde Lesbe mit unzähligen Kisten voll von eigenem aussortierten Filmmaterial, Zeitungen und Briefen, war ich am Überdauern meiner eigenen Geschichte so interessiert wie an dem der Lesben im Allgemeinen. Ich begann, den Aufbau von Geschichte, die Prozesse, aus denen Geschichte entsteht, zu erforschen." (Barbara Hammer) (6. & 7.1.) Todd Haynes, der soeben mit seinem Bob Dylan-Film I'm Not There große Erfolge feiert, präsentierte 1991 seinen ersten langen Spielfilm POISON (USA 1990) im Forum. POISON ist inspiriert vom Schaffen Jean Genets, das sich mit der existenziellen Erfahrung menschlicher Grenzüberschreitung beschäftigt. Drei Geschichten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, werden erzählt: "Hero" handelt von einem 7-jährigen Jungen, der seinen Vater ermordet hat, "Horror" ist im Stil eines Mad-Scientist-Films aus den 50er Jahren gedreht und erzählt von einem Wissenschaftler, der das Sexual-Hormon entdeckt und an einer Überdosis zugrunde geht. "Homo" handelt von einem schwulen Gefangenen, der sich in einen Mitgefangenen verliebt. Zusammengehalten werden die Geschichten vom Diskurs der Gesellschaft über Fragen von Normalität und Abweichung. "POISON handelt von Strukturen, die die Gesellschaft einsetzt, um Außenseiter fernzuhalten. Dies wird auf dreierlei Weise gezeigt, an drei verschiedenen Schauplätzen und in drei verschiedenen Stilen." (Todd Haynes) (7. & 8.1.) Mit zwei Filmen sorgte Michael Moore im Forum für Furore, 1990 mit seinem Debüt ROGER AND ME (USA 1989) und 1998 mit The Big One, bevor er mit Fahrenheit 9/11 die Goldene Palme in Cannes gewann und zum bekanntesten und umstrittensten Dokumentarfilmer unserer Zeit wurde. Der titelgebende Roger Smith ist Vorsitzender von General Motors, einst der größte Arbeitgeber im Moores Heimatstadt Flint/Michigan. Seit mit der Schließung von Fabriken nach und nach 30.000 Arbeitsplätze abgebaut wurden, ist Flint eine Stadt im Niedergang. Während Moore vergeblich versucht, Roger Smith zu einem persönlichen Gespräch zu gewinnen, findet er in Flint die Opfer von dessen Rationalisierungsmaßnahmen, besucht Arbeitslose bei ihren verzweifelt-komischen Versuchen, neue Arbeit zu finden und den örtlichen Sheriff beim Kampf gegen Familien, die ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Wenn es auch damals schon kritische Stimmen gab, die Moores allzu freien Umgang mit Daten und Fakten kritisierten, wurde ROGER AND ME zum Liebling von Kritik und Publikum. "Wie er ernstzunehmendes Elend und dümmlichen Hedonismus einander gegenüberstellt, ist vielleicht nicht subtil, aber effektvoll – und weitaus komischer, als die Polizei erlaubt. Tatsächlich handelt es sich um eine der komischsten Tragödien, die je auf Film gebannt wurden, ein Doppelangriff von surrealer Komik und politischem Pathos." ("Village Voice") (12. & 14.1.) Ein noch weitgehend unbekannter Gus Van Sant lockte 1990 mit seinem zweiten Spielfilm DRUGSTORE COWBOY (USA 1989), einem Schelmenstück voller Galgenhumor und Absurditäten, "die Massen ins Delphi", wie der "Tagesspiegel" schrieb. Konsequent aus der Innensicht der Protagonisten heraus schildert der Film das Leben von Bob (Matt Dillon) und seinen Freunden, einer Clique von Junkies, deren ganzes Dasein sich um Drogen und Apothekenüberfälle im Bonnie-und-Clyde- Stil dreht. Durch seinen Aberglauben gesteuert, lässt Bob sich intuitiv durch sein Leben als König unter den Junkies treiben. Als er schließlich glaubt, den Drogen entkommen zu sein, tritt ihm die Versuchung in Form von Father Tom (ein wunderbarer Auftritt von William S. Burroughs) entgegen. "Mit trägen Bewegungen treibt der Film langsam an die Oberfläche, ganz unangestrengt erfüllt sich sein Schicksal. Man bekommt dabei unglaubliche Bilder zu sehen, in denen halluzinierte Kühe, Flugzeuge Flugzeuge und Bäume über dem endlosen Meer des Bewusstseins schweben, und solche, in denen die tote Nadine auf dem Dachboden eines Motels ins unwirklich bunte Licht der verlorenen Jugend getaucht wird." (Michael Althen) (12. & 16.1.) Dokumentarfilme über den Holocaust und den Nazi-Terror, nicht selten von Kindern von Überlebenden realisiert, waren über lange Jahre ein wichtiger Schwerpunkt des Forum-Programms und häufiges Thema bei Filmen des IFP-Market. So auch LODZ GHETTO (Alan Adelson & Kathryn Taverna, USA 1988), der anhand von Fotos, Filmmaterial der Nazis, Zitaten aus Tagebüchern und Dokumenten die Geschichte des Ghettos von Lodz rekonstruiert, das im März 1940 eingerichtet wurde und 200.000 Einwohner zählte. 800 von ihnen überlebten den Krieg. "Hier, in dieser Dokumentarcollage, ertrinkt man fast in schwer erträglichen authentischen Bildern: wir sind hoffnungslos eingesperrt mit den Eingesperrten, den Todeskandidaten des Ghettos Lodz, das die Nazis als 'Litzmannstadt' vereinnahmt hatten. Man hat, kaum glaublich, heimlich, unter Lebensgefahr von Juden aufgenommene Fotos über Leben und Schuften unter der Fron der Nazis, den Hunger, das Verhungern, Sterben gefunden; auch von den Sklavenhaltern und Mördern selbst zynisch und ordnungsbewusst zwecks 'Dokumentation' gedrehte kleine Filme, etwa über im Lager 'als Exempel' aufgehängte Insassen oder die Selektion aller von ihren Eltern weggerissenen Kinder oder Kranken für den Weitertransport ins Nirgendwo. Und auf Papierfetzen und Buchränder gekritzelte Zeugnisse des Wortes, die hier von verschiedenen Sprechern gelesen werden." (Karena Niehoff ) (13. & 15.1) BURROUGHS (Howard Brookner, USA 1983) ist ein Porträt über eine der außergewöhnlichsten literarischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, William S. Burroughs. "Es kommt selten vor, dass ein Dokumentarfilm derart auf seinen Gegenstand eingestimmt ist wie Brookners BURROUGHS, der vom Leben, Werk und der Sensibilität des Autors so viel einfängt, wie in 86 Minuten Platz hat. Zum Teil geht die umfassende Qualität dieses filmischen Porträts auf das Konto von Burroughs selbst, der bereit war, dem Film zuliebe Orte der Vergangenheit aufzusuchen, aus seinen Werken vorzulesen oder sogar eine Passage aus 'Naked Lunch' der Kamera vorzuspielen. Aber der Entdeckergeist, der den Film prägt, ist in hohem Maße der des Regisseurs, und Brookner beweist eine besondere Lebendigkeit und Neugier, wenn er versucht, seinem Gegenstand auf die Schliche zu kommen." ("New York Times") (14. & 21.1.) Von einem Land, das sich seit über zehn Jahren in einem Bürgerkrieg befindet, berichtet der 1987 entstandene Film BEIRUT: THE LAST HOME MOVIE von Jennifer Fox. Protagonisten sind Mitglieder der Familie Butros, griechisch-orthodoxe Christen, die der Oberschicht des Libanons angehören und in einem 200 Jahre alten Palast ihrer Vorfahren in Beirut leben, der in einem weitgehend zerstörten Stadtteil liegt. Sie verstehen sich als nicht politisch und haben nie zu Waffen gegriffen. Trotz ständiger Bedrohungen, Bombardierungen und Gefährdung des eigenen Lebens entschließen sie sich, im Libanon zu bleiben. Nicht die Politik oder der Krieg stehen im Mittelpunkt des Interesses der Regisseurin, sondern das ganz und gar persönliche Leben und Empfinden einer Familie, für die das ständige Wiederaufbauen eines vom Krieg zerstörten Hauses ein persönlicher Akt des Widerstandes ist. "Der Film spielt vor dem Hintergrund eines gegenwärtigen, fortdauernden Krieges und weigert sich dennoch, direkt von Krieg zu sprechen. Stattdessen zeigt BEIRUT, wie eine Familie den Krieg erlebt und sich ihm entzieht, was sie während dieses Krieges wahrnimmt und was sie vergisst; wie sie ihr Erbe angesichts des Krieges einerseits schützt und andererseits aufgibt und wie sie beschließt, in ihrem vom Krieg bedrohten Haus zu bleiben, obwohl sie es sich leisten könnte, fortzugehen." (Jennifer Fox) (15. & 18.1.) Ein ebenso informatives wie unterhaltsames Dokument über einen der wichtigsten philippinischen Filmemacher, den 1991 bei einem Autounfall gestorbenen Lino Brocka, ist Christian Blackwoods 1987 entstandener Film SIGNED, LINO BROCKA. Über 60 Filme hat Brocka seit 1970 gedreht, in denen er die Ungerechtigkeit und die Unterdrückungsmaßnahmen des korrupten Marcos-Regimes anprangerte. Im Film spricht er offen von seinen Triumphen und Kompromissen als Filmemacher, seiner Bitterkeit gegenüber dem abgesetzten Diktator Marcos samt dessen Gattin Imelda und von dem schrecklichen Kreislauf von Armut, Verzweiflung und Gewalt, aus dem sein Volk immer noch auszubrechen sucht. Blackwood und Brocka untersuchen Themen wie das National Film Center, in das Arbeiter einbetoniert wurden, damit das Haus noch rechtzeitig zum 1. Philippinischen Filmfestival stand, Leprakolonien, "Wachsamkeitsgruppen", die von der Polizei geleitete „Sex-Unterwelt“ von Manila und die Kolonien der Obdachlosen, die von Abfällen leben. (16. & 19.1.) PARTISANS OF VILNA (Josh Waletzky, USA 1985) erzählt vom jüdischen Widerstand gegen das Nazi-Regime im litauischen Vilnius, das einst ein Zentrum des jüdischen Lebens und der jüdischen Kultur war. Zehntausende von jüdischen Frauen und Männern kämpften als Partisanen in der Region von Vilnius. Auch im Ghetto war der Widerstand aktiv. Die Bewohner betrieben Krankenhäuser, Kantinen und Schulen, veranstalteten Theater- und Musikaufführungen, Vorträge und Kunstausstellungen. In 40 Interviews mit ehemaligen Widerstandskämpfern, die in Israel, New York, Montréal und Vilnius aufgenommen wurden, sowie aus Archivmaterial der Jahre 1933–1944 entsteht das Bild einer höchst lebendigen Gemeinde, die sich mutig dem Nazi-Terror entgegensetze. (17. & 26.1.) SHERMAN'S MARCH (Ross McElwee, USA 1981–1985) hat eine der längsten Unterzeilen in der Geschichte des Films aufzuweisen: "A Meditation of the Possibility of Romantic Love in the South During an Era of Nuclear Weapons Proliferation, as a Comedy." An eine moderne Version der "Leiden des jungen Werther" erinnernd, vermischt SHERMAN'S MARCH die unterschiedlichsten Genres: Dokumentation, Cinéma Vérité, Filmessay, visuelle Autobiografie und Road Movie. Der Film handelt von einem jungen Mann (Ross McElwee selbst), der sich in einer Krise befindet und daraufhin von Boston via New York eine Reise in den Süden antritt. Auf seiner Fahrt begegnen ihm verschiedene Frauen, in deren Leben er in unterschiedlichem Maße verwickelt wird. Der titelgebende Sherman war ein Unionsgeneral, der während des amerikanischen Bürgerkriegs einen Zerstörungsfeldzug durch den Süden unternahm, dessen Narben und Spuren auch heute noch spürbar sind. (20. & 22.1.) VARIETY (USA/GB/BRD 1983) von Bette Gordon wurde bald nach seinem Erscheinen zu einem feministischen Klassiker. Die arbeitslose Christine nimmt einen Job als Kassiererin in einem der unzähligen Sexkinos in der 42. Straße New Yorks an. Aus der Zwiespältigkeit ihrer Arbeit entsteht eine seltsame intellektuelle Spannung, die sie als Feministin in dieser Grenzsituation erlebt. Auch mit ihrem Freund Mark gerät sie über die Situation in Streit. Eines Tages kommt sie ins Gespräch mit einem älteren Kunden. In dem Niemandsland der Gefühle, in dem sie lebt, beginnt sie wie ein weiblicher Voyeur die Lebensumstände dieses Mannes auszukundschaften und sie wie ein Kinozuschauer zu "erleben", ohne jedes erotische oder sexuelle Interesse an ihm. VARIETY ist ein sich in langsamem Rhythmus entwickelnder Film, der reizvoll zwischen Wirklichkeit und Fantasie pendelt und mit behutsamen ironischen Akzenten ebenso irritiert wie erhellt. (23. & 26.1.) Lizzie Bordens BORN IN FLAMES (USA 1982/83) ist eine feministische Zukunftsvision über ein Amerika, das trotz sozialistischer kultureller Revolution die Gleichberechtigung der Frau nur vordergründig anerkennt. Aus Wut über leere sozialistische Versprechungen nimmt eine Armee radikaler Frauen den Kampf gegen Sexismus und Rassendiskriminierung auf. Der zunächst gewaltfreie Feldzug eskaliert, als eine der Leitfiguren unter mysteriösen Umständen im Gefängnis umkommt. Der Film entstand unter Mitwirkung vieler wichtiger Figuren der New Yorker Szene, etwa der Sängerinnen Honey und Adele Bertei und der Filmemacherinnen Becky Johnston, Pat Murphy und Kathy Bigelow. "Der Titel des Films soll signalisieren, dass die revolutionäre Bewegung nicht masochistisch ist, auch wenn sie dem Untergang geweiht sein mag: sie wird als Dorn in der Flanke der Kultur weiterleben. Der Film drückt außerdem die Hoffnung aus, dass Frauen die Zusammenarbeit lernen und die bitteren Konflikte, die zwischen ihnen herrschen, eines Tages verschwinden werden." (Lizzie Borden) (24. & 27.1.) 1988 wurde Österreich von einem innenpolitischen Beben erschüttert. Das Jahr der Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag des Anschlusses an das Deutsche Reich war geprägt von der Diskussion um die Nazi-Vergangenheit des zwei Jahre vorher gewählten Bundespräsidenten Kurt Waldheim. VIENNA IS DIFFERENT: 50 YEARS AFTER THE ANSCHLUSS (Susan Korda & David Leitner, USA 1988) porträtiert Österreicher, die sich in unterschiedlicher Art und Weise mit ihrer Vergangenheit und der nationalen nationalen Identität auseinandersetzen. Indem Österreich von den Alliierten zum ersten Opfer der Nazi-Aggression erklärt wurde, konnte das Land sich bequem in dieser Rolle einrichten. "Unsere Fragen zielten darauf ab, persönliche Reaktionen auf folgende Themen zu provozieren: Antisemitismus, Verantwortung gegenüber der Geschichte, was heißt es heute, Österreicher zu sein?" (Korda/Leitner) (25. & 28.1.) Im Mittelpunkt von ASHES AND EMBERS (Haile Gerima, USA 1982) steht Ned Charles, ein schwarzer Vietnam-Veteran, dessen Erinnerungen sich als Trauma in ihm festgesetzt haben. Mit einer episodischen Erzählstruktur wird das atmosphärisch dichte Psychogramm eines "Heimatlosen" geschildert und darüber hinaus die soziale und kulturelle Identität der Schwarzen in Amerika hinterfragt. "Vietnam und Neds gegenwärtige soziale und psychische Situation, seine Not und die ganz andere Not seiner Großmutter, seine Ängste und die naiven Hoffnungen seines Freundes Randolph, der Schauspieler werden möchte, aber auch die unterschiedlichen Schauplätze, Los Angeles, Washington und das Grundstück seiner Großmutter auf dem Land. Alles verbindet sich in Neds Erleben zu einer einzigen großen gegenwärtigen Situation, in der die Vergangenheit nicht weniger präsent ist als die Gegenwart, in der sich unterschiedliche Orte zu einer einzigen Landschaft in Neds Empfinden vereinen." (H.G. Pflaum) Der in den USA lebende und arbeitende Äthiopier Haile Gerima ist einer der wichtigsten Vertreter einer unabhängigen afrikanisch-amerikanischen Filmkultur. (28. & 29.1.) Eine sehr persönliche und eindringliche Annäherung an Büchners Novelle ist der 1981 entstandene LENZ, der vom Regisseur Alexandre Rockwell in den zeitgenössischen Großstadtdschungel von New York transportiert wurde. "Der Film handelt von einem Menschen, der von jeglicher Umgebung entfremdet lebt, auch von seinem eigenen Körper. Büchners dokumentarischer Annäherungsversuch an Lenzens Leben diente mir als Rahmen, innerhalb dessen ich eine Geschichte filmisch dokumentieren konnte, statt sie theatralisch zu inszenieren. Ich fand die Leute, die die Geschichte spielen sollten, auf der Strasse." (Alexandre Rockwell) (30.1. & 1.2.) All jene, die die USA für ein Land mit einer homogenisierten Einheitskultur halten, straft Les Blank Lügen. Mit seinen Filmen erkundet er seit Jahrzehnten regionale Kulturen Amerikas, ihre Musik, ihr Essen, ihre Gerüche, ihre Art zu feiern und zu leben. Daraus entstehen hinreißende Filme, die sich leidenschaftlich dem in ihnen beschriebenen Gegenstand widmen. GARLIC IS AS GOOD AS TEN MOTHERS (Les Blank, USA 1979/80) feiert den Knoblauch in all seinen Erscheinungsformen. "Der Film ist absolut obszön in seiner Besessenheit, mit der er das Anpflanzen und Ernten von Knoblauch verfolgt, das Vorbereiten, Kochen und Essen von Knoblauchgerichten – alles, von ganzen Spanferkeln über Knoblauch-Suppe bis zu einer Krebs-Sauce, die neben haufenweise Knoblauch ganze Tassen Chili-Pulver und Cayenne enthält." (Rob Baker) Den Titel von WERNER HERZOG EATS HIS SHOE (Les Blank, USA 1980) kann man durchaus wörtlich nehmen: Aufgrund einer verlorenen Wette isst Werner Herzog seinen Schuh, den er zuvor fünf Stunden in einer Sauce aus Knoblauch und Rosmarin gekocht hatte – was das Leder zwar nicht weich machte, ihm aber einen wunderbaren Geruch verlieh. (31.1. & 2.2.) Die Reihe wird bis zur Berlinale im Februar fortgesetzt. Mit Dank an Milton Tabbot.

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