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Leerstehende Gebäude, verlassene Rohbauten und Betonwände ohne ersichtliche Funktion: das ist die vielsagende Szenerie des Debütfilms WU SHAN YUN YU (Regenwolken über Wu Shan, 1995) von Zhang Ming. So wie die kleine Yangtse-Ufer-Stadt Wu Shan in ihrer Tristesse die sie verschlingenden Wassermassen fast zu erwarten scheint, sehnt sich die dort lebende Bevölkerung nach einem besseren Leben in höher gelegenen Regionen. Auch die beiden Protagonisten des Films, der am Yangtse arbeitende Signalgeber Mai Qiang und Chen Qing, die Rezeptionistin eines Hotels, träumen von einer besseren Zukunft, von Liebe und Glück, doch ihr erstes Treffen steht unter keinem guten Stern. Zhang Ming wuchs in der Gegend um Wu Shan auf. Seine Erinnerungen an die Landschaften seiner Kindheit sowie die Bilder seines Films sind Teil der wenigen bleibenden Zeugnisse einer Region, die mittlerweile unter der Wasseroberfläche verschwunden ist. (14. & 18.4.) DIE CHINESISCHEN SCHUHE (D 2004) folgt den Spuren der Großeltern der Regisseurin Tamara Wyss, die Anfang des 20. Jahrhunderts längere Zeit in China lebten und dort unter anderem den Yangtse bereisten. Knapp 100 Jahre später begibt sich die Regisseurin im Jahr 2002 den Yangtse flussaufwärts, durch die Drei Schluchten bis in die großen Städte Sichuans. Kurz vor den großen Flutungen scheint alles im Film in Bewegung zu sein, nicht nur die Flusslandschaft: Alte Städte werden abgerissen, neue gebaut, der Welt größter Staudamm lässt einen Fluss in seiner ursprünglichen Form verschwinden. Der Film richtet sein Augenmerk immer wieder auf die Menschen, denen Tamara Wyss während ihrer Reise begegnet. Mit erstaunlicher Offenheit und einer z.T. überraschenden Gelassenheit berichten sie von den Verwerfungen chinesischer Geschichte und den Folgen aktueller Politik für ihr Leben. (15. & 20.4.) Ausgangspunkt und dokumentarisch anmutender Hintergrund in Jia Zhang-kes SANXIA HAOREN (Still Life, 2006) ist die Stadt Fengjie am Yangtse, deren Kern im Zuge des Staudammvorhabens bereits geflutet wurde. Die Handlung setzt kurz vor der erneuten Anhebung des Wasserpegels ein, die auch die äußeren Bezirke Fenjies überspülen wird. Der Bergmann Han San-ming ist auf der Suche nach seiner Frau, die ihn vor 16 Jahren mit ihrem Kind verlassen hat. Doch die Straße, in der sie wohnte, ist längst im Wasser untergegangen. Zur gleichen Zeit kommt die Krankenschwester Guo Shen-hong in die Stadt. Ihr Mann Bin Guo hat sich vor zwei Jahren das letzte Mal bei ihr gemeldet. Wie Geister bewegen sich die beiden auf ihrer erfolglosen Suche durch die untergehende Stadt. "'Es hat 2000 Jahre gedauert, diese Stadt zu erbauen, nun wird sie in nur zwei Jahren abgerissen', sagt ein Bewohner. Doch auch die Reste haben eine eigenartig surreale Schönheit, in einer Flusslandschaft, wo immer Nebel in den Bergen hängt und alles vor sich hin tropft und rostet, als hole sich das Wasser schon seinen Tribut, bevor die Fluten des Yangtse kommen. Die Menschen, die in diesen feuchten Trümmern ausharren, statt sich in gigantische Neubaugebiete umsiedeln zu lassen, sind Nomaden geworden." (C. Tilmann) (16. & 21.4.) Li Yifans und Yan Yus Dokumentarfilm YAN MO (Before the Flood, 2005) zeigt Fengjie im Jahr 2002 kurz vor der ersten Flutung. Im Mittelpunkt dieses eindringlichen Dokuments steht die Umsiedlung der 50.000 Einwohner der tausendjährigen Stadt, die ähnlich wie die wegzuschaufelnden Landmassen einfach verschoben werden sollen. "Bevor wir nach Fengjie fuhren, glaubten viele unserer Freunde, dass wir mit unserem Film vor allem die Schönheit und den Geist dieser sogenannten 'Stadt der Poesie' einfangen würden. Einige der meistrezitierten Gedichte der chinesischen Geschichte sind hier entstanden. Wir sagten uns: Die Poesie ist von zentraler Bedeutung für unsere künstlerische Arbeit und wird also das Thema unseres Films sein. Als wir dann aber vor Ort waren, erschien es uns unmöglich, mit Poesie auf die Tränen eines Kriegsveteranen zu reagieren oder den Alltag einer Gruppe von Lastenträgern darzustellen, die dort wie Hunde im Elend lebten. Alle sprachen immer nur von zu Hause." (Li Yifan) (17. & 27.4.) Auch Feng Yans beeindruckendes Porträt BINGAI (2007) thematisiert die Umsiedlungspolitik, der sich die junge Frau Bingai widersetzt. Sie habe auf Geheiß der Eltern ans Flussufer geheiratet. Dort müsse sie das Wasser nicht so weit tragen. Wenig später wird die Order der Eltern von einer Regierungsweisung abgelöst. Im Gegensatz zu den meisten Dorfbewohnern, die ihre Häuser demontieren und zu Umsiedlern werden, bleibt Bingai, wohin sie verpflanzt wurde, und verteidigt, was sie abgelehnt hat: ihren Ehegatten, ihre Hütte, dieses Leben. "Feng Yans Kamera prüft Bingais Stärke – oder Trotz – immer aufs Neue: im Streit mit der Familie, im Zweifel um die Zukunft ihrer Kinder, im Clinch mit den Behörden. Als das dörfliche Kollektiv sich aus dem Staub macht, schafft es Raum für das Selbstverständnis der Frau. Was zu Beginn des Films noch befremdet – dass sie selbst den gewaltigen Orangenkorb bei der Ernte schultert, während ihr Mann hinterhertrottet –, gerinnt am Ende zur glasklaren Botschaft: Gegen den Willen des Subjekts geraten auch Apparate mal ins Trudeln. Dann weicht selbst der breite Strom, Synonym für die Macht der Regierung, den Bildern kleiner Parteisekretäre, die nervös auf die Gesetze des Staates pochen." (Gunnar Landsgesell) (29. & 30.4.) Unser Dank geht an das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln für die Zurverfügungstellung von BINGAI.

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