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Das Kino der UdSSR wurde in den 30er Jahren einer immer stärkeren Gängelung und Kontrolle unterworfen. Die Innovationen und Experimente der Stummfilmzeit wurden nunmehr im Zeichen des offiziell dekretierten "Sozialistischen Realismus" zurückgedrängt. Die Filme sollten "positive Helden" in den Mittelpunkt stellen und für ein breites Publikum verständlich sein. Gleichwohl kamen immer noch interessante Filme zustande. Es gab in der beginnenden Tonfilmzeit Experimente mit neuer Erzähltechnik und Versuche, einen Bild-Ton-Kontrapunkt zu entwickeln, so in DER WEG INS LEBEN (Nikolai Ekk 1931, einem Film über den Pädagogen Makarenko, erster Tonfilm in der UdSSR). Großartig in seiner poetischen Milieuschilderung einer kleinen Stadt in der Zeit des 1. Weltkriegs sowie in seiner Typenzeichnung ist Boris Barnets OKRAINA (1933); von Barnet zeigen wir auch AM BLAUEN, BLAUEN MEER (1935/36), der bei Kennern des Sowjetkinos inzwischen Kult-Status besitzt. Alexander Medwedkins DAS GLÜCK (1935, noch als Stummfilm gedreht) ist eine exzentrische Satire über Verhältnisse auf dem Dorf. Interessant war die Tätigkeit der deutschen Emigranten in der UdSSR, als Beispiel zeigen wir Piscators DER AUFSTAND DER FISCHER VON ST. BARBARA (1934, nach dem Roman von Anna Seghers). TSCHAPAJEW (1934) von den "Brüdern" Wassiljew, eine Erzählung von zwei gegensätzlichen Helden (Kommandeur und Kommissar) aus dem Bürgerkrieg, ist ein romantisch-revolutionäres Epos im Geist der Zeit, von heute aus gesehen ein Film mit nostalgischer Ausstrahlung; berühmt ist die Szene, in der die beste Angriffstaktik mit Kartoffeln erläutert wird, und das traurige Lied vom "Schwarzen Raben". Alexander Dowshenkos AEROGRAD (1935) ist eine Erzählung vom Bau einer Flieger-Stadt in Sibirien durch die Jugendorganisation Komsomol. Leitmotiv ist ein sibirischer Ureinwohner, der auf Skiern durch die verschneite Taiga streift und dabei ein Lied singt. Für die populären sowjetischen Komödien der 30er Jahre ist WESELIJE REBJATA (Lustige Burschen, 1934) von Grigori Alexandrow, einem früheren Assistenten Eisensteins, ein charakteristisches Beispiel. Sergej Eisenstein, der Ende der 20er Jahre nach Europa und in die USA reiste, konnte seinen in Mexiko 1931 begonnenen QUE VIVA MEXICO nicht beenden. Es existieren nur Fragmente und verschiedene Bearbeitungen des gedrehten Materials (wir zeigen die Version der Eisenstein-Biografin Mary Seton, TIME IN THE SUN, 1940). Eisenstein musste 1932 in die UdSSR zurückkehren, wo Filmminister Boris Schumjatski all seine weiteren Projekte blockierte. DIE BESHIN-WIESE (1935–37) wurde zwei Mal gedreht, zwei Mal verboten und dann abgebrochen; das Material ist verschollen, heute existiert der Film nur noch in der Rekonstruktion als Foto-Film. Eine interessante Wiederentdeckung ist schließlich Michail Romms DER TRAUM (1943), ein subtiles, ironisch erzähltes Kammerspiel in fast unwirklichem Dekor, angesiedelt in einer Stadt im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet. Von Romm zeigen wir außerdem die frühe Maupassant-Bearbeitung PYSCHKA (Fettklösschen, 1934). Natürlich dürfen die beiden Teile von Eisensteins monumentalem IWAN DER SCHRECKLICHE nicht fehlen (1944–45, der 2. Teil wurde von Stalin verboten und kam erst 1958 zur Aufführung). Dieser Film legte den Grund zu einer neuen Ästhetik der Bildgestaltung und des Umgangs mit Dekor und Farbe. Auch war er im 2. Teil ein mutiger Versuch zur kritischen Analyse der Macht. Im deutschen Film breitete sich nach 1933 das Unterhaltungskino der UFA-Perfektion aus, ein Kino, das den Massen der Zuschauer in und außerhalb Deutschlands eine heile Welt vorgaukeln sollte. Zu diesen Filmen gehören MASKERADE (Willy Forst, 1934), eine Liebesgeschichte im alt-wienerischen Gesellschaftsmilieu), aber auch die Melodramen, die der Regisseur Detlef Sierck bei der UFA drehte, ehe er 1937 Deutschland verließ, nach Hollywood ging und dort in den 50er Jahren als Douglas Sirk zum Meister des "Melos" avancierte. Wir zeigen einen frühen Film von Sierck, SCHLUSSAKKORD (1936), ein "schauspielerisch kultiviertes Melodram" um einen Generalmusikdirektor (Willy Birgel) und eine Erzieherin (Lil Dagover). Leni-Riefenstahl-Filme gehören natürlich auch zu dieser Epoche. Wir zeigen OLYMPIA (1936/38). Die beiden Olympia-Filme sind filmisch raffiniert, mit großem Aufwand gemacht, sie setzen alle Mittel der Kinematografie ein und transportieren damit eine heroische Verehrung der Sportler als Helden, die in die Verehrung der obersten Heldenfigur des Führers mündet.
Später, in den 40er Jahren, entstanden einige Filme in den UFA-Ateliers, die sich von Propaganda frei hielten, so die Filme von Gustaf Gründgens und Helmut Käutner. Wir zeigen den Gründgens-Film DER SCHRITT VOM WEGE (1939), nach Fontanes "Effi Briest", und Käutners UNTER DEN BRÜCKEN (1944/45), ein poetisches Drama unter Binnenschiffern. DIE FRAU MEINER TRÄUME (Georg Jacoby, 1944, mit Marika Rökk) stellt den Triumph des dekorativen UFA-Stils und des Evasions-Kinos dar. GROSSE FREIHEIT NR. 7 (1943) von Helmut Käutner mit Hans Albers in der Rolle eines in St. Pauli gestrandeten Seebären wurde im Dritten Reich verboten.
KOLBERG von Veit Harlan ist einer der schlimmsten Propagandafilme des NS-Regimes, der noch gegen Ende des Krieges den Durchhaltewillen der Bevölkerung anstacheln sollte. Mit gewaltigem Aufwand wurde hier ein Aufstand der Volksmassen gegen den napoleonischen Feind 1806/07 inszeniert, der durch wundersame Fügung plötzlich den Frieden von Tilsit herbeibringt. KOLBERG ist ein „monumentales Dokument der Geschichtsverfälschung" ("film-dienst"). Zum Abschluß dieses Kapitels zeigen wir den Film DEUTSCHLAND, ERWACHE ! (1967/68) von Erwin Leiser, der die Filme des NS-Regimes, die politischen ebenso wie die scheinbar unpolitischen, kritisch analysiert. Max Ophüls musste Deutschland nach 1933 verlassen. Wir zeigen einen seiner Filme aus dem Exil, die niederländische Produktion KOMÖDIE UM GELD (1936). Zum Kapitel "Niederlande" gehört ebenfalls ein Programm mit Werken des grossen Dokumentaristen Joris Ivens aus den Jahren 1928–37. Als nächster Abschnitt unserer Reihe folgt ein Kapitel Großbritannien. Hier gab es in den 30er (und 40er) Jahren bereits eine prosperierende und vielseitige Filmkultur. Wir zeigen ein Programm mit Werken der britischen Dokumentarfilmschule von Basil Wright, Alberto Cavalcanti und Harry Watt, die in ihrer Zeit weltweites Echo fanden und einen neuen Trend zum Realismus begründeten; ferner ein Frühwerk von Alfred Hitchcock, der seine Karriere bekanntlich in England begann: BLACKMAIL (1929/30, mit Anny Ondra). Schließlich folgen ein Beispiel aus der Produktion von Michael Powell und Emeric Pressburger, die eine ganze Epoche des britischen Films dominierten, A CANTERBURY TALE (1944), sowie Werke des Dokumentaristen Humphrey Jennings, der Filme in der Zeit des 2. Weltkriegs drehte, die zum Besten der damaligen britischen Produktion gehören. Wir zeigen THE SILENT VILLAGE (1943), in welchem Jennings das von deutschen Truppen 1942 in Tschechien verübte Lidice-Massaker von walisischen Dorfbewohnern nachspielen ließ, und THE TRUE STORY OF LILI MARLENE (1943).

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