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Der Dialog zwischen verschiedenen Generationen von Filmemachern steht im Mittelpunkt des Symposiums, das vier Jahrzehnte programmatischer Arbeit des Forums widerspiegelt. Wir haben Regisseure, die sich dem Forum verbunden fühlen, eingeladen, je einen Film vorzustellen, der ihre eigene Arbeit geprägt hat. Pro Dekade des Forums sind so jeweils drei Programme entstanden. In begleitenden öffentlichen Gesprächen werden die Filmemacher über die Bedeutung der Festivalarbeit für ihr eigenes Filmschaffen diskutieren. Dieser Dialog wird in einer Podiumsdiskussion zum Thema "Unabhängiger Film und Festivals" am 5. Juli um 12 Uhr vertieft und zusammengefasst.
Zu Gast sind: Chantal Akerman, Aditya Assarat, Heinz Emigholz, Bradley Rust Gray, David Gordon Green, Jia Zhangke, Anastasia Lapsui, Markku Lehmuskallio, Sharon Lockhart, So Yong Kim, Ulrich Köhler, Avi Mograbi, Ulrike Ottinger, Sabu, Anja Salomonowitz, Helke Sander, Angela Schanelec, Jean-Marie Téno und Jasmila Žbanić.
Eröffnet wird mit der Auswahl des japanischen Regisseurs Sabu, der mit Unlucky Monkey, Monday und The Blessing Bell im Forum vertreten war. Seine Wahl fiel auf den taiwanesischen Film LIEN LIEN FUNG CHEN (Dust in the Wind, Hou Hsiao Hsien, Taiwan 1986, 1.7., zu Gast: Sabu). Eisenbahnfahrten, die sich als Leitmotiv durch den Film ziehen, charakterisieren die Suchbewegungen eines jungen Paares, seinen Aufbruch in die Welt der Erwachsenen und die beständige Rückkehr in das vertraute Terrain der Kindheit. Meisterhaft beiläufig und lakonisch und doch mit großer Empfindsamkeit erzählt Hous Film von den großen und kleinen Bewegungen des Lebens.
Die amerikanischen Filmemacher So Yong Kim und Bradley Rust Gray produzieren ihre Filme gegenseitig. 2009 zeigte das Forum Kims Treeless Mountain sowie Grays The Exploding Girl. Gemeinsam wählten sie Teil eins und zwei der "Bill Douglas Trilogy" aus, MY CHILDHOOD und MY AIN FOLK (Bill Douglas, Großbritannien 1972/73, 2.7., zu Gast: So Yong Kim und Bradley Rust Gray), die von der verlorenen Kindheit und Jugend des Regisseurs in einem schottischen Bergarbeiterdorf erzählen. Ohne viele Worte, in dafür umso eindringlicheren Szenen, skizziert Douglas seine Erinnerungen an ein Aufwachsen in ärmlichen Verhältnissen.
Die deutsche Regisseurin Angela Schanelec zeigte im Forum bereits ihre frühen Filme. Zuletzt war Nachmittag 2007 im Forum zu sehen. Sie präsentiert im Jubiläumsprogramm SAUVE QUI PEUT (LA VIE) (Jean-Luc Godard, Frankreich/Schweiz 1980, 2.7., zu Gast: Angela Schanelec) – ein seltsam grotesk-ironischer, auch bitterer Liebesreigen. Denise (Nathalie Baye) gibt ihren Job beim Fernsehen auf für ein Leben auf dem Land. Ihr Freund Paul (Jacques Dutronc) will weder die Stadt verlassen, noch von Denise verlassen werden. Isabelle (Isabelle Huppert) kommt vom Land in die Stadt, um dort ihren Körper zu verkaufen.
Auch Avi Mograbi, Sohn eines Kinobesitzers aus Tel Aviv, war mit mehreren Werken im Forum vertreten, darunter Happy Birthday, Mr. Mograbi und August. Mograbi stellt den Film D'EST (Chantal Akerman, Frankreich/Belgien 1993, 2.7., zu Gast: Chantal Akerman, Avi Mograbi) vor, der eine Reise von Ostdeutschland nach Moskau unternimmt, die im Sommer beginnt und im tiefsten Winter endet. Im Verlauf dieser subjektiven Reise wechseln sich statische Einstellungen, die von den Bewegungen der Menschen durchkreuzt werden, mit Kamerafahrten vorbei an städtischen Landschaften, Menschen und Gesichtern ab, die einen hypnotisierenden Sog entfalten.
Forum und Forum expanded zeigten fast sämtliche filmische Arbeiten der amerikanischen Fotografin und Filmemacherin Sharon Lockhart, zuletzt Pine Flat und Lunch Break. Sie stellt im Arsenal einen Klassiker des strukturellen Films vor: SO IS THIS (Michael Snow, Kanada 1982, 3.7., zu Gast: Sharon Lockhart). "Der Film ist ein Text. Jede Einstellung besteht aus einem leinwandfüllenden Wort in weißen Buchstaben vor schwarzem Hintergrund. Snow nutzt die ganze Breite des Diskurssystems seines Films, um sein Publikum zu verulken. Vieles davon ist ziemlich witzig, doch SO IS THIS ist mehr als eine Ansammlung von Gags. Snow gelingt es, sowohl Bild als auch Text zu entfremden und kreiert eine Art bewegte konkrete Poesie." (Jim Hoberman)
Der in Kamerun geborene, in Frankreich lebende Jean-Marie Téno will mit seinen Werken den Blick für die Probleme des kolonialen Erbes in Afrika schärfen. Er präsentiert den für das afrikanische Kino wegweisenden Film BAARA (Souleymane Cissé, Mali 1978, 3.7., zu Gast: Jean-Marie Téno), in dessen Mittelpunkt ein junger Ingenieur steht, leitender Angestellter einer Fabrik in Bamako. Während seine neuen Methoden bei der Belegschaft gut ankommen, missfällt dem Besitzer des Unternehmens sein Bestreben, die Arbeiter an Entscheidungsprozessen teilnehmen zu lassen.
Ulrike Ottinger gilt als eine der eigenwilligsten deutschen Filmemacherinnen von internationalem Rang. Das Forum zeigte zahlreiche ihrer Filme. Ihre Wahl fiel auf SEITSEMÄN LAULUA TUNDRALTA (Sieben Lieder aus der Tundra, Markku Lehmuskallio und Anastasia Lapsui, 3.7., zu Gast: Markku Lehmuskallio und Anastasia Lapsui, Ulrike Ottinger), der wie eine Ballade in sieben Liedern vom Leben der Nenet, eines Nomadenvolks im nördlichen Russland, während der Sowjet-Ära erzählt.
Anja Salomonowitz realisiert politische Filme und Videokunst an der Schnittstelle von Dokumentation und Fiktion. Ihr Langfilmdebüt Kurz davor ist es passiert gewann 2007 im Forum den Caligari-Preis. Sie wählte den kurzen Film (Sharon Lockhart, USA 2003) aus, der in einer einzigen Kameraeinstellung die Entstehung eines Landschaftsbildes zeigt, sowie den Spielfilm BEAU TRAVAIL (Claire Denis, Frankreich 1999, 4.7.): eine Gruppe von Fremdenlegionären, vergessen und verlassen auf einem Außenposten am Horn von Afrika. Der Film folgt nur lose den Erinnerungen eines geschassten Offiziers (Denis Lavant). Handlung und Dialoge treten in den Hintergrund zugunsten einer Aneinanderreihung flirrender Szenen und einer Choreografie trainierender, Routine verrichtender, kämpfender und tanzender Körper (zu Gast: Sharon Lockhart, Anja Salomonowitz).
Jia Zhangke hat mit seinem filmischen Schaffen den Aufbruch des neuen chinesischen Kinos maßgeblich geprägt. 1998 debütierte er im Forum mit Xiao Wu. Ebenfalls als Weltpremiere war im selben Jahr das Spielfilmdebüt KASABA (Nuri Bilge Ceylan, Türkei 1998, 4.7., zu Gast: Jia Zhangke) zu sehen. Der von Jia ausgewählte Film erzählt die Geschichte von drei Generationen einer Familie in der Provinz. Die Struktur folgt dem Verlauf eines Tages, der zugleich die Abfolge der Jahreszeiten enthält.
Der thailändische Regisseur Aditya Assarat präsentierte 2008 sein gefeiertes Langfilmdebüt Wonderful Town im Forum. Er stellt den Debütfilm eines amerikanischen Regiekollegen vor, GEORGE WASHINGTON (David Gordon Green, USA 2000, 4.7., zu Gast: David Gordon Green, Aditya Assarat), die Geschichte einer Gruppe Jugendlicher in der unbewussten Sphäre zwischen kindlicher Ahnungslosigkeit und der Suche nach Orientierung. Mit Laienschauspielern gedreht, erzählt der Film vom Leben in einer vom Fortschritt abgehängten Kleinstadt. Tim Orrs grandiose Breitwandfotografie taucht die desolate Szenerie in das warme Sonnenlicht eines ewigen Spätsommers.
Ulrich Köhler zeigte im Forum 2006 seinen zweiten Spielfilm Montag kommen die Fenster. Seine Auswahl fiel auf DIE ALLSEITIG REDUZIERTE PERSÖNLICHKEIT – REDUPERS (Helke Sander, BRD 1977, 5.7., zu Gast: Helke Sander, Ulrich Köhler). Berlin (West) 1977: Edda Chiemnyjewski, alleinstehend mit Kind, freiberuflich arbeitende Pressefotografin, muss feststellen, dass "eine Köchin keine Zeit hat, die Staatsgeschäfte zu führen". "Das Prinzip des Films sind seine kleinen Aufmerksamkeitsverschiebungen: auf die Brüche zwischen Bild und Abbild, zwischen behauptetem und realem Verhalten. Die Summe dieser lockeren Bewegungen auf bodenlosem Terrain addiert sich zu einem Essay über Westberlin und die Möglichkeiten einer Frau, in jener Stadt anders zu leben, mit einem veränderten Blick." (Karsten Witte)
Die aus Sarajevo stammende Regisseurin Jasmila Žbanić zeigte 2005 ihren dokumentarischen Kurzfilm Birthday als Teil des Omnibusfilms Lost and Found im Forum. Ihr Spielfilmdebüt Grbavica gewann 2006 den Goldenen Bären der Berlinale. Ihr Wunschfilm war TULITIKKUTEHTAAN TYTTÖ (Das Mädchen aus der Streichholzfabrik, Aki Kaurismäki, Finnland 1989, 5.7., zu Gast: Jasmila Žbanić): Iris arbeitet in der Streichholzfabrik. Sie ist jung, nicht schön, ein Mädchen auf der Suche nach dem Glück. Als Iris sich in einen Mann verliebt, nutzt der sie lediglich zu seinem Vergnügen aus. Statt Glück findet die junge Frau menschliche Kälte. Der Abschluss von Aki Kaurismäkis Arbeiter-Trilogie, die seinen besonderen Ruf begründete.
Anlässlich des Erscheinens auf DVD bei Filmgalerie 451 zeigen wir zum Abschluss des Programms den Film DER ZYNISCHE KÖRPER (Heinz Emigholz, BRD 1986–1990, 5.7., zu Gast: Heinz Emigholz) mit Musik von Nikolaus Utermöhlen. Fünf Menschen blättern in den Notizbüchern des verstorbenen Lektors Roy, der ihr Freund war, und rekonstruieren dabei ihre gemeinsame Vergangenheit: der Schriftsteller Carl, seine Mitbewohnerin Liza, der Architekt Jon, für den Liza fotografiert, der Zeichner Fred, mit dem Carl Situationen seines Romans durchspielt, und die Übersetzerin Bela, die Freudsche Versprecher sammelt.
Ergänzend werden vom 1. bis 5. Juli in der Black Box und im Arsenal-Foyer Arbeiten aus dem Programm von Forum expanded zu sehen sein: WHAT I'M LOOKING FOR (Shelly Silver, USA 2004), MIRAGE (CLUB 'SILENCIO') (Franziska Cordes, Deutschland 2007), WE ARE CHARMING (Ken Jacobs, USA 2007) sowie MAXIMILIAN'S DARKROOM (Anne Quirynen, Antonia Baehr, Deutschland 2004/2005).
Unser besonderer Dank gilt dem Hauptstadtkulturfonds, ohne dessen Unterstützung diese Veranstaltung nicht möglich gewesen wäre.

Gefördert durch:

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