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ABSCHIED VON GESTERN (Alexander Kluge, 1966, 1.& 2.7.) Die junge Anita hat als Jüdin die Nazizeit überlebt und flieht nun aus der DDR in die Bundesrepublik. Orientierungslos trifft sie hier auf eine bürokratische, herzlose Gesellschaft, die sie ausbeutet, belehren oder erziehen will. Kluge über seinen Debütfilm: "Anita ist wie ein Seismograf, der durch unsere Gesellschaft geht, wie eine Sonde. Ich habe versucht, deren Ausschlag zu registrieren."
DER JUNGE TÖRLESS (Volker Schlöndorff, 1966, 3. & 4.7.) Parabel über die Haltung eines Mitwissers. In einem Jungeninternat quälen zwei Schüler einen Außenseiter jüdischer Herkunft. Der junge Törless wird dabei vom neutralen Beobachter zum schuldhaften Mitläufer. Überzeugende Adaptation der klaustrophobischen Dekadenz und subtilen Psychologie des Musil-Romans.
ES (Ulrich Schamoni, 1966, 5.7.) Versuch der Beschreibung des Lebensgefühls der jungen Generation in West-Berlin nach dem Mauerbau: Die Beziehung eines jungen Paares gerät durch eine verheimlichte Schwangerschaft in eine Krise. Das ernste Thema kontrastiert Schamoni mit einem scheinbar verspielten, heiteren Grundton des Films. Brillante Kurzauftritte: Tilla Durieux und Bernhard Minetti.
MACHORKA MUFF (Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, 1962) und NICHT VERSÖHNT (Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, 1965, 6. & 7.7.) "Versiegelte Flaschenpost im Meer der kinematografischen Beliebigkeiten." (Wolfram Schütte) Bereits die beiden ersten Kurzfilme des Filmemacher-Paares Danièle Huillet und Jean-Marie Straub – basierend auf Werken von Heinrich Böll – sind einer strengen ästhetischen und politischen Grundhaltung verpflichtet, kompromisslos im Umgang mit Sprache, Bild und Ton.
SUMMER IN THE CITY (Wim Wenders, 1969, 8. & 9.7.) Wenders’ Debüt- und Abschlussfilm – ein Versuch der Ergründung des Verhältnisses zwischen Musik und Bewegung. Im nasskalten Winter hastet ein aus dem Gefängnis entlassener Mann auf der Flucht vor unsichtbaren Verfolgern durch München und Berlin. Intensive Alltagsbeobachtungen, bundesdeutsche Stadtlandschaften als Orte der Isolation, aber auch der Utopie, werden von der Musik Chuck Berrys und der Kinks durchwirkt.
JAGDSZENEN AUS NIEDERBAYERN (Peter Fleisch-mann, 1968, 10. & 11.7.) Hauptwerk des "Anti-Heimatfilms" des "Neuen Deutschen Films" über den jungen Mechaniker Abram, dessen Homosexualität in seinem Heimatdorf auf eine Mischung aus bäuerlichem Starrsinn, konservativer Kirchenmoral und Restbeständen von NS-Ideologie trifft. Quälend präzise spielt der Film alle Eskalationsstufen eines mörderischen Ausschlussverfahrens durch.
MATHIAS KNEISSL (Reinhard Hauff, 1971, 12. & 13.7.) Tiefgründige Betrachtung des gleichnamigen, von der Gesellschaft in die Außenseiterrolle gedrängten, berüchtigten Räubers. In der Form einer Moritat dokumentiert der Film die verzweifelten Versuche des Protagonisten, Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD (Rainer Werner Fassbinder, 1969, 14. & 15.7.) Eigenwillige Variation des amerikanischen Gangsterfilm-Genres. In klinisch hellen Bildern, fast leeren Räumen und langen Einstellungen agieren der Zuhälter Franz, seine Freundin Joanna und der Verbrecher Bruno. Das Münchner Unterweltmilieu gleicht einem artifiziellen Experimentierfeld, in dem die komplizierte Dreiecksbeziehung ein jähes Ende findet.
FONTANE: EFFI BRIEST (Rainer Werner Fassbinder, 1972, 17. & 18.7.) "Dies ist kein Frauenfilm, sondern ein Film über Fontane, über die Haltung eines Dichters zu seiner Gesellschaft. Es ist ein Film, der eine Haltung nachvollzieht, von einem, der die Fehler und Schwächen seiner Gesellschaft durchschaut und sie auch kritisiert, aber dennoch diese Gesellschaft als die für ihn gültige anerkennt." (RWF)
LEBENSZEICHEN (Werner Herzog, 1968, 19. & 20.7.) Schicksal eines deutschen Soldaten Ende des Zweiten Weltkriegs, der über seine Untätigkeit auf einer griechischen Insel den Verstand verliert und Amok läuft. In Stil und Motiven versammelt Herzogs Debütfilm bereits Elemente seiner späteren Werke.
AGUIRRE, DER ZORN GOTTES (Werner Herzog, 1972, 21. & 22.7.) Der größenwahnsinnige Abenteurer Aguirre befindet sich in offener Auflehnung gegen Gott und Natur und ist besessen, das mythische Königreich El Dorado zu erobern. Als er sein Ziel nicht erreicht, verfällt er dem Wahnsinn. Eine an Originalschauplätzen verfilmte historische Chronik um Irrsinn, Imperialismus und eine monströse Führerfigur.
Die Nouvelle Vague

Einige Jahre vor dem "Oberhausener Manifest" und etwa ein Jahrzehnt vor der Entstehung der ersten abendfüllenden "Neuen Deutschen Filme" rief eine Gruppe junger französischer Filmkritiker und -regisseure aus dem Umfeld der Filmzeitschrift Cahiers du Cinéma zum Bruch mit den Filmen auf, die in der formelhaften sog. "Tradition der Qualität" verharrten und das Kino der 50er Jahre in Frankreich gleichzeitig dominierten und lähmten. Der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Kino und der schriftlichen Skizzierung des "Films von Morgen" (François Truffaut) ließen die jungen Regisseure wie Truffaut, Jean-Luc Godard, Claude Chabrol, Jacques Rivette, Eric Rohmer, Agnès Varda und Alain Resnais Ende der 50er Jahre eine Reihe von Filmen folgen, deren grundlegende Neuartigkeit in der programmatischen Ablehnung des konventionellen filmischen Regelwerks in Form und Inhalt bestand. Mit dem gemeinsamen Auftreten der Nouvelle-Vague-Regisseure vollzog sich nicht nur ein Generationswechsel im französischen Film, sondern auch eine Revolutionierung filmischer Ästhetik und filmischen Erzählens, die weitreichende Auswirkungen auch außerhalb von Frankreich hatte.
ET DIEU CRÉA LA FEMME (Roger Vadim, And God Created Woman, 23., 24. & 25.7.) Skandalträchtiger wie kommerziell erfolgreicher Vorläufer der Nouvelle Vague, der nicht nur die Hauptdarstellerin Brigitte Bardot über Nacht zum Star bzw. französischen Sexsymbol machte, sondern auch das Vertrauen in die Marktchancen junger Regisseure aufbaute. Lebendigkeit und Realismus des Films verglich Truffaut mit einem frischen Wind, der durch die selbstgefällige französische Filmszene wehte.
ASCENSEUR POUR L'ÉCHAFAUD (Fahrstuhl zum Schafott, Louis Malle, 1957, 26.7., 27.7. & 6.8.) Elegant-düstere Studie mit großartiger Filmmusik von Miles Davis – wiederum im Vorfeld der Nouvelle Vague entstanden – um Schuld und Sühne, Liebe und Misstrauen, Zufall und Schicksal: Ein Mann erschießt den Ehemann seiner Geliebten, bleibt jedoch im Fahrstuhl stecken, als er seine Spuren beseitigen will.
PARIS NOUS APPARTIENT (Paris gehört uns, Jacques Rivette, 1958, 28. & 29.7.) Reise durch die Schattenzonen der Metropole Paris und komplexes filmisches Experiment auf der Grenze zwischen Schein und Wirklichkeit: Eine junge Studentin kommt aus der Provinz nach Paris, folgt den Spuren eines rätselhaft verstorbenen Exil-Spaniers und gerät dabei in das Labyrinth einer Geheimorganisation.
À BOUT DE SOUFFLE (Außer Atem, Jean-Luc Godard, 1959, 30. & 31.7.) Prototyp der Nouvelle Vague: mit seiner subtilen Parodie des amerikanischen Gangsterfilms setzte sich Godard über alle Genre- und sonstigen filmischen Konventionen hinweg. Damals schockierten die narrativen Ellipsen, die nervösen Jump-Cuts und extremen Close-ups, das fragile Licht der Originalschauplätze und der vermeintlich gewissenlose Protagonist.
VIVRE SA VIE : FILM EN 12 TABLEAUX (Die Geschichte der Nana S., Jean-Luc Godard, 1962, 1. & 2.8.) Die Geschichte der jungen Prostituierten Nana S., die bei einem Streit unter Zuhältern den Tod findet, ist ein in zwölf Kapitel gegliederter Film-Essay. "Mit der Einblendung von Dreyers La Passion de Jeanne d’arc erklärt Godard die Geschichte der Nana S. zu einer Leidensgeschichte. Heilige wie Prostituierte sind – wollen sie ihre Seele behalten – zum Martyrium verdammt." (Barbara Eichinger)
LES 400 COUPS (Sie küssten und sie schlugen ihn, François Truffaut, 1959, 3., 4. & 5.8.) Eine dokumentarische Reise in das Paris der späten 50er Jahre: mit der Geschichte des unverstandenen zwölfjährigen Antoine, der auf die schiefe Bahn kommt und schließlich in einer Besserungsanstalt landet, erzählt Truffaut verschlüsselt und völlig unsentimental seine eigene Jugend.
LES BONNES FEMMES (Die Unbefriedigten, Claude Chabrol, 1959, 7. & 8.8.) Langsame, präzise, überzeugende Inszenierung des Alltagslebens junger Verkäuferinnen, die fast ohne äußere Handlung auskommt. Zwischen sozialem Empfinden und kühler Mitteilungskunst oszillierend zeigt der Film die Langeweile der Protagonistinnen, ihr scheiterndes Verlangen nach Glück und einen möglichen Hoffnungsrest.
LE SIGNE DU LION (Im Zeichen des Löwen, Eric Rohmer, 1959, 9. & 10.8.) Nüchtern elegante Beschreibung der Verwandelbarkeit der Existenz: Als Pierre erfährt, dass eine erwartete Erbschaft nicht ihm, sondern seinem Vetter zugefallen ist, beginnt er das Leben eines Clochards zu führen. Rohmers Debüt entwickelt einen beharrlichen Blick für die Details des Alltags und erschließt so eine ferne, abenteuerliche Welt. Zwei Filme des Paten der Nouvelle Vague: Jean Rouch, Mitbegründer des Cinéma vérité, der bereits in den frühen 50er Jahren mit unterschiedlichen filmischen Formen experimentierte.
MOI UN NOIR (1959, 11. & 12.8.) Godard zufolge einer "der mutigsten und zugleich bescheidensten Filme, von unfassbarer Machart: der Film eines freien Mannes." Junge nigerianische Arbeiter in einer westafrikanischen Hafenstadt spielen sich selbst. Die Tonspur ist ein atemloser, spontaner, mitreißender, oft sehr komischer Off-Kommentar.
CHRONIQUE D'UN ÉTÉ (Chronik eines Sommers, Jean Rouch & Edgar Morin, 1960, 13. & 14.8.) nimmt die heute gängigen Formen des Fernsehjournalismus vorweg und befragt Passanten auf der Straße nach ihrer Vorstellung von Glück. Wie schwer und einfach zugleich dies in Worte zu fassen ist, und welchen Einfluss die Kamera dabei hat, ist Gegenstand des Films.
PARIS VU PAR … (Paris gesehen von …, Jean Douchet, Jean Rouch, Jean-Daniel Pollet, Eric Rohmer, Jean-Luc Godard, Claude Chabrol, 1965, 15. & 16.8.) Sechs Nouvelle-Vague-Regisseure auf filmischen Streifzügen durch Pariser Stadtteile. Ursprünglichkeit, Spontaneität, Improvisation, direkter Ton, Befreiung von technischen und ökonomischen Zwängen – alles, was die Nouvelle Vague geprägt hat, findet sich in diesem Film wieder, der als Manifest die wichtigsten Namen der Nouvelle Vague zusammengeführt hat.
Japan zwischen Tradition und Moderne
Trotz oder gerade wegen des fest etablierten japanischen Studiosystems erlebte das japanische Kino in den 50er Jahren eine Hochblüte epochaler Werke von Regisseuren wie Akira Kurosawa, Kenji Mizoguchi und Yasujiro Ozu. Wir zeigen einige (wenige) große Meisterwerke aus dieser Zeit und beenden die Reihe japanischer Klassiker mit einem Beispiel unabhängigen Filmschaffens SUNA NO ONNA, das Anfang der 60er Jahre in eine japanische Neue Welle mündete. Fortsetzung im September.
UMARETE WA MITA KEREDO (Ich wurde geboren, aber …, Yasujiro Ozu, Japan 1932, 17. & 18.8.) Nach einem Umzug versuchen zwei Jungen, sich der neuen Umgebung anzupassen. Als sie realisieren, dass ihr Vater gegenüber ungerechten sozialen Verhältnissen und gesellschaftlichen Konventionen machtlos ist, schlägt der feine, launige Humor des Films in Melancholie und schließlich in die leisen Töne einer Tragödie um. Einer der schönsten Filme Ozus.
BANSHUN (Später Frühling, Yasujiro Ozu, Japan 1949, 19.& 20.8.) Die sensible Alltags- und Menschenstudie ist Sinnbild für das gesamte Œuvre Ozus. Professor Soniyama macht sich Sorgen um die Zukunft seiner 27-jährigen Tochter und versucht, eine Verbindung zwischen ihr und seinem Assistenten herbeizuführen. Im Bewusstsein für die dem menschlichen Dasein innewohnende Flüchtigkeit und Traurigkeit fügen sich Vater und Tochter in die unvermeidliche, doch ungewollte Trennung.
TOKYO MONOGATARI (Tokyo Story, Yasujiro Ozu, Japan 1953, 21. & 22.8.) Die Zerstörung des Familienverbands und die Entfremdung zwischen den Familienmitgliedern ist eines der zentralen Themen in Ozus Werk. Mit außergewöhnlichem Feingefühl inszeniert er die Erfahrung der Enttäuschung eines älteren Ehepaares, das erkennt, dass die erwachsenen Kinder ihr eigenes Leben haben.
UGETSU MONOGATARI (Erzählungen unter dem Regenmond, Kenji Mizoguchi, Japan 1953, 23. & 24.8.) Zeugnis der vergeblichen Jagd nach dem Glück, das weder auf dem Schlachtfeld noch im "Jenseits" zu finden ist. In langsam schwebenden, in Licht und Schatten getauchten Bildern und aus poetischer Distanz entwickelt Mizoguchi das fantastische Geschehen um einen Bauern, dessen erfolgreiche Laufbahn als Samurai auf einer Lüge beruht.
SHICHININ NO SAMURAI (Die sieben Samurai, Akira Kurosawa, Japan 1954, 25. & 26.8.) Samurai-Epos als Schwertkämpferfilm und Geschichtsreflexion. Im Japan des 16. Jahrhunderts beschließen die Bewohner eines Dorfes, Samurai zu ihrem Schutz anzuwerben. Die Motivation der zunächst unwilligen Samurai verändert sich im Lauf der Kämpfe: Aus Ruhmsucht und Gehorsam wird aufrichtige Solidarität mit den unterdrückten Bauern.
NARAYAMA BUSHI-KO (Die Ballade von Narayama, Keisuke Kinoshita, Japan 1958, 27. & 28.8.) Im Stil des Kabukitheaters gehaltene und jeglichen Realismus bewusst meidende Geschichte einer 70-jährigen Frau, die sich zum Sterben auf den Berg Nara zurückzieht. "Kinoshita durchbricht den Bühnenraum und lässt einzelne Szenen grandios auseinander hervorgehen. Ein Film, der die Natur in den Kunstraum holt – und damit umso stärker wirken lässt." (Walter Ruggle)
SUNA NO ONNA (Die Frau in den Dünen, Hiroshi Teshigahara, Japan 1964, 30. & 31.8.) Bildgewaltiger, zutiefst verstörender Meilenstein des japanischen Kinos und einer der wenigen unabhängigen Filme, die Anfang der 60er Jahre außerhalb des japanischen Studiosystems entstanden. Ein Ausflügler aus Tokio quartiert sich bei einer Frau ein, die in den Dünen wohnt. Am nächsten Morgen versperrt eine gewaltige Düne die Rückkehr in sein normales Leben. Schicksalsergeben nimmt er den Kampf mit den Sandmassen auf.

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