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Die Filme von Lisandro Alonso zeichnen sich durch eine gewisse Einfachheit und Reduktion aus. Er arbeitet mit kleinem Team, geringem Budget, wenig Technik und LaiendarstellerInnen. Seine Geschichten sind auf der Ebene der Narration minimalistisch, fragmentarisch und anti-dramatisch, Plot und Psychologie spielen nahezu keine Rolle – die Filme haben eher den Charakter von präzisen Beobachtungen mit bisweilen mythischer, existenzieller Dimension. Im Mittelpunkt stehen Einzelgänger, Außenseiter, einsame, wortkarge Männer auf der Suche und auf Reisen. Das Rätselhafte und machmal Verstörende der Figuren und Geschichten wird nicht aufgelöst, Alonso lässt ihnen ihre Geheimnisse und vieles im Ungewissen. Die Protagonisten sind keine professionellen Schauspieler, nicht nur deshalb vermischt sich Dokumentarisches und Fiktives.
In gleichem Maße wie von den Menschen handeln Alonsos Filme aber auch von den Orten, an denen sie spielen: die öde Pampa, der grün flirrende Dschungel, die patagonische Schneelandschaft, ein moderner Kulturpalast – fast menschenleere Welten. Musik gibt es nur im Vor- und Abspann, Dialoge sind rar – der Fokus liegt auf der Beobachtung von einfachen Handgriffen, elementaren Gesten, alltäglichen Verrichtungen, die etwas enthüllen über die Figuren und ihre Art, in der Welt zu sein. Das Zusammenspiel von Raum und Körper gerät in den Blick, und das Vergehen von Zeit wird spürbar.
LIVERPOOL (Argentinien / F / NL / D / Spanien 2008, 9.4., in Anwesenheit von Lisandro Alonso; vom 15. – 21.4. täglich im Programm) Farrel (Juan Fernandez), Matrose auf einem Containerschiff, geht von Bord, um nach jahrelanger Abwesenheit seine Mutter zu besuchen. Bei eisigen Temperaturen reist er durch die schneebedeckten Weiten Feuerlands in sein abgelegenes Heimatdorf. Wortkarg und in sich gekehrt wandert er durch die immer bergiger werdende Einöde. Seine Rückkehr vollzieht sich langsam und nur zögerlich. Bei der Ankunft am Ort seiner Kindheit erwartet ihn keine freudige Begrüßung, sondern eine überraschende Begegnung: Die Familie hat ein neues Mitglied. Eine Variation auf das Thema Einsamkeit – mit bestechenden Bildkompositionen, großer Sorgfalt im Umgang mit Farben und Licht, langen Einstellungen und einer Kamera, die gelegentlich einfach abschweift.
LOS MUERTOS (Argentinien 2004, 10.4., in Anwesenheit von Lisandro Alonso & 13.4.) Ein Mann (Argentino Vargas) wird nach langer Haft aus dem Gefängnis entlassen und streift durch den Dschungel, auf der Suche nach seiner erwachsenen Tochter, die in den abgelegenen Sümpfen am Rande des Urwalds lebt. Verschlossen und schweigsam, von einem Geheimnis umgeben, besteigt er ein Boot und fährt damit flussaufwärts in immer entlegenere Gebiete. Nicht auf eine Erzählung konzentriert, sondern auf die Beobachtung der Natur und Tätigkeiten wie das Ausräuchern eines Bienenstocks und das Schlachten einer Ziege, wird aus der sprachlosen Reise eines stoischen Einzelgängers ein hypnotischer, außergewöhnlicher Film.
FANTASMA (Phantom, Argentinien / F / NL 2006, 10.4., in Anwesenheit von Lisandro Alonso & 13.4.) Argentino Vargas, der Hauptdarsteller aus LOS MUERTOS, trifft im Teatro San Martín in Buenos Aires ein, um an einer Vorführung des Films teilzunehmen. Auf der Suche nach dem Kinosaal verirrt er sich jedoch und läuft dabei Misael Saavedra, dem Protagonisten aus LA LIBERTAD, über den Weg, der ebenfalls versucht, sich in dem labyrinthartigen Gebäude zurechtzufinden. Indem er seine Schauspieler, die eigentlich gar keine Schauspieler sind, aus ihrem gewohnten Umfeld, dem argentinischen Hinterland, mitten ins Zentrum von Buenos Aires' Kinokultur versetzt und als Neuankömmlinge in einer ihnen unbekannten Welt inszeniert, gelingt Alonso ein selbst-reflexiver, ironischer Kommentar.
LA LIBERTAD (Freedom, Argentinien 2001, 11.4., in Anwesenheit von Lisandro Alonso & 14.4.) Der Debütfilm von Lisandro Alonso verdichtet einen Tag im Leben eines jungen Holzfällers (Misael Saavedra) in der argentinischen Pampa und zeigt seine alltäglichen Routinen: Er fällt Bäume, isst, hält Siesta, liefert Holz aus, telefoniert, kauft im Dorf ein, hört Musik aus dem Transistorradio, grillt ein Gürteltier. Er lebt allein, nur mit dem Nötigsten, hat fast keinen Kontakt zu anderen Menschen, spricht kaum. Misael Saavedra spielt sich selbst als Holzfäller. Dokumentarisches und Fiktives gehen ineinander auf. In gleitenden, langen Einstellungen wird der Kreislauf einer gleichzeitig archaischen und doch gegenwärtigen Existenz gezeigt.

Eine Veranstaltung mit freundlicher Unterstützung des Organisationskomitees für die Teilnahme Argentiniens an der Frankfurter Buchmesse 2010, des argentinischen Außenministeriums, der Botschaft der Republik Argentinien, des INCAA (Instituto Nacional de Cine y Artes Audiovisuales) sowie der dffb (Deutsche Film- und Fernsehakademie).

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