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Dabei befindet sich die Welt in Fords Filmen im Umbruch und in Neuorientierung, seine Protagonisten sind auf der Suche nach Gemeinschaft, Heimat und Identität. Fords Helden sind zumeist Einsame, Außenseiter, Einzelgänger, die vor allem in den Western vor dem Hintergrund einer vermeintlich grenzenlosen Natur oder übermächtigen Landschaft (weite Steppen oder das klaustrophobische Monument Valley) Gemeinschaft stiften, selbst jedoch oft keine finden. Eine Gemeinschaft der besonderen Art entwickelte Ford wiederum hinter der Kamera und arbeitete immer wieder mit den gleichen Crew-Mitgliedern und Schauspielern zusammen, letztere – Darsteller wie Harry Carey, Will Rogers, John Wayne, Henry Fonda oder James Stewart – sind zum Inbegriff des Ford'schen zerrissenen Helden geworden und haben unter Ford oftmals nicht nur ihre Karrieren begonnen, sondern auch ihre besten Rollen gespielt.

Die Filme von John Ford haben das Amerika-Bild von Generationen von Kinogängern geprägt und können auch heute noch einen Beitrag zum Verständnis der amerikanischen Mythen liefern. Zur Zeit ihrer Entstehung riefen sie große Bewunderung, aber auch vehemente Ablehnung hervor. Eine umfassende Neubewertung seiner Filme in den letzten Jahrzehnten hat zu zahlreichen Publikationen geführt, darunter an prominenter Stelle die umfangreiche Studie von Tag Gallagher John Ford – The Man and His Films (neu bearbeitet 2007). Wir freuen uns, den amerikanischen Filmhistoriker und Autor im Arsenal begrüßen und darüber hinaus drei seiner Kurzfilme über STAGECOACH, SHE WORE A YELLOW RIBBON und FORT APACHE zeigen zu können. Trotz einer lebhaften filmwissenschaftlichen/-historischen Auseinandersetzung mit seinen Filmen sind diese in Deutschland nur ausgesprochen selten auf der großen Leinwand zu sehen, da Kopien und Rechte hier kaum mehr verfügbar sind. Umso mehr freut es uns, eine gemessen am Gesamtwerk kleine Retrospektive seiner Filme mit freundlicher Unterstützung der Botschaft der USA in Berlin im Arsenal präsentieren zu können und halten es mit Frieda Grafe: "Es gibt keine Filme, die das Kino notwendiger brauchen als seine. Das Kino, das heißt: die Leinwand und das Publikum im Saal."

STAGECOACH (1939, 8.5., Einführung: Tag Gallagher & 22.5.) Fords erster Western nach 13 Jahren begründete John Waynes Weltruhm, etablierte das Monument Valley als dramatischen Schauplatz und machte das Western-Genre wieder -salonfähig. Im Mittelpunkt steht eine zusammengewürfelte Gruppe Reisender – ein Kompendium der Figuren der Westerngeschichte –, die in einer Postkutsche gefährliches Indianergebiet durchqueren müssen. Die dramatische Fahrt – mit zahlreichen burlesken, romantischen und zuweilen pathetischen Momenten – wird zur Bewährungsprobe für alle Mitreisenden, bei der sich die gesellschaftlichen Verhältnisse umkehren.

HOW GREEN WAS MY VALLEY (Schlagende Wetter, 1941, 10. & 27.5.) Bergarbeiterfilm, der in einem idyllischen walisischen Tal Ende des 19. Jahrhunderts spielt. Das glückliche Leben der ländlichen Gemeinschaft wird durch die Entdeckung von Bodenschätzen und eine vordringende Grubenindustrie gefährdet – die Region wird zum Kampfplatz gegensätzlicher Interessen, innerhalb derer die Bergarbeiterfamilie Morgan zu überleben versucht. Die schwierige Beziehung zwischen Individuum und Familie vor dem Hintergrund dramatischer sozialer Veränderungen beschreibt Ford aus der Perspektive des jüngsten Familienmitglieds.

MY DARLING CLEMENTINE (Faustrecht der Prärie, 1946, 11. & 24.5.) Poetisch-mythischer Western über die Revolverhelden Wyatt Earp und Doc Holliday, die eine Kleinstadt von den Repressionen der Clanton-Familie befreien. "Ford handelt die Geschichte ab, als gälte es, sie zum ersten oder letzten Mal zu erzählen, teils als Legende und Drama, teils als einen aufs US-Kino übertragenen homerischen Gesang, in dem Sentiment und Rüpelwitz, komische Details und ekstatisch anverwandelte Genre-Anthologiestücke gestattet sind – Verfolgungsritt, Pokerspiel, die plötzliche Stille im Saloon, das aussetzende Klavier, die abtastenden Blicke und im Finale der Austrag des Gunfight at the O.K. Corral." (Harry Tomicek)

FORT APACHE (1948, 12. & 21.5.) Erster Teil der Kavallerie-Western-Trilogie und Schlüsselfilm in Fords Werk: Ein verbitterter Offizier (Henry Fonda) führt in zerstörerischer Arroganz seine gesamte Einheit in die Vernichtung und wird dennoch nach seinem Tod zum patriotischen Helden stilisiert. Sein Kontrahent (Wayne) versucht vergeblich, das Massaker im Monument Valley zu verhindern. Fords Paraphrase der letzten Schlacht von General Custer am Little Big Horn ist eine kritische Studie über Hybris und Autorität und vereint das Beschwören der Militärgemeinschaft und dessen Hinterfragung. Das Ende des Films nimmt die zentrale Aussage aus LIBERTY VALANCE vorweg: Letztlich gehen die Legenden in die Geschichte ein und nicht die Fakten.

THE GRAPES OF WRATH (Früchte des Zorns, 1940, 13.5.) Adaption von John Steinbecks sozialkriti-schem Roman, die Ford als Variation der Landnahme inszeniert: Farmerfamilie Joad verliert aufgrund der Mechanisierung der Landwirtschaft ihre Existenzgrundlage und zieht voller Erwartung nach Kalifornien, um auf den dortigen Obstplantagen Arbeit zu finden. Doch die erhoffte neue Heimat entpuppt sich als ein Ort der Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Dokumentarisch-realistisch anmutende Szenen wechseln mit stark stilisierten hell/dunkel-Passagen, in denen eine hervorragende Besetzung (v.  a. Henry Fonda und Jane Darwell) agiert. Am selben Abend läuft Fords Dokumentarfilm THE BATTLE OF MIDWAY (1942) über den Angriff japanischer Einheiten auf eine amerikanische Militärbasis im Pazifik.

SHE WORE A YELLOW RIBBON (Der Teufelshauptmann, 1949, 14. & 23.5.) Farbenprächtige, episodische Studie über die Bedeutung von Tradition und Verantwortung. John Wayne als verwitweter Kavalleriekapitän begibt sich trotz der am Tag zuvor erfolgten Pensionierung auf eine heikle Friedensmission und kann einen Indianerangriff abwenden. Fords stimmungsvolle Bilder erinnern in Farbgebung und Komposition an die Arbeiten des Westernmalers Frederic Remington und bilden den Rahmen des melancholischen, wenn auch immer wieder von komischen Einschüben unterbrochenen Porträts eines Abschieds.

THE QUIET MAN (Der Sieger, 1952, 15. & 28.5.) Kommerziell erfolgreichster und wiederum Oscar-prämierter Film um einen amerikanischen Preisboxer (Wayne), der sich in seiner Heimat Irland zur Ruhe setzen will, dort jedoch erneut verschiedene Kämpfe ausfechten muss, um akzeptiert zu werden. Über zehn Jahre musste Ford auf die Umsetzung dieses sehr persönlichen Projekts warten – neben seinen irischen Wurzeln ein weiterer Grund, um sich mit größtmöglicher Aufmerksamkeit den kleinsten Details der verschiedenen Facetten des irischen Lebens zu widmen (Dekor, Sprache, Sitten).

THE INFORMER (Der Verräter, 1935, 15.5.) Vor dem Hintergrund der irischen Freiheitskämpfe 1922 verrät Gypo (Victor McLaglen) seinen besten Freund an die Engländer, um sich mit der Belohnung in die USA absetzen zu können. Unter dem Einfluss Murnaus und mithilfe suggestiver Lichteffekte ver-wandelte Ford menschenleere Straßen in trostlose, dunkle Schluchten. THE INFORMER gilt als ein frühes Meisterwerk Fords, der für den Film seinen ersten Oscar erhielt. 20 Jahre später gab Ford selbst zu bedenken, der Film sei voller Tricks und ohne Humor.

MOGAMBO (1953, 16.5. Einführung: Tag Gallagher & 25.5.) Exotische Schauplätze in Afrika, abenteuerliche Safaris und eine gehörige Portion Erotik bestimmen die Dreiecksgeschichte zwischen Clark Gable als erfolgreichem Großwildjäger, dem Callgirl Ava Gardner und der vernachlässigten Ehefrau eines Anthropologen, Grace Kelly. Ein so untypisches wie faszinierendes Werk John Fords.

THE SUN SHINES BRIGHT (Wem die Sonne lacht, 1953, 17. & 28.5.) Liebevoll-ironisches Porträt einer amerikanischen Kleinstadt um die Jahrhundertwende, in der ein humorvoller Bezirksrichter die gegensätzlichen Fraktionen zu vereinen sucht. Präzise und klar navigiert Ford nicht weniger als 20 Charaktere durch vier Erzählstränge und eine Kaskade von Bällen, Paraden und Gerichtsverhandlungen. Eine Komödie inklusive Drama und Pathos, sowie eine scharfsinnige Analyse intoleranter Klassenverhältnisse – einer von John Fords Lieblingsfilmen und Remake seines zwei Jahrzehnte zuvor entstandenen Films JUDGE PRIEST (1934, 17.5.).

THE SEARCHERS (Der schwarze Falke, 1956, 18. & 31.5.) Meisterhaft-stimmiger, epischer Western vom Format einer klassischen Tragödie. Ein spröder, heimatloser Westerner (Wayne) begibt sich auf die Suche nach seiner von Indianern verschleppten Nichte, um diese zu retten und die Ermordung seines Bruders und dessen Frau zu sühnen. Die fünfjährige Suche entwickelt sich zu einer Reise in die Seelenlandschaft einer der vielschichtigsten Figuren der Western-Geschichte. "Ein Film wie ein doppeltes Leuchten. Außen Hollywood-Erzählkino, dahinter Verzweiflung und Qual in einer Schrift der Dunkelheit." (Harry Tomicek)

THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE (1962, 19. & 23.5.) "This is the West. When the legend becomes fact, print the legend." Dieser für den Film sowie für Fords Œuvre zentrale Satz fällt gegen Ende des multi-perspektivischen Films: Senator Stoddard (James Stewart) will endlich die Wahrheit über den Tod des berüchtigten Mörders Liberty Valance verkünden, der nicht im fairen Kampf, sondern aus dem Hinterhalt erschossen wurde. Doch die Kraft des Mythos seiner Person als Retter einer Western-kleinstadt ist größer und verdeckt die unrühmlichen Umstände.

THE PRISONER OF SHARK ISLAND (1936, 22.5.) Fords albtraumhaft-existenzialistische Version der bis heute ungeklärten Frage, ob der Arzt Samuel Mudd in die Ermordung von Präsident Lincoln ver-wickelt war. Ford zeigt Mudd als einen zu Unrecht Beschuldigten, der die schikanöse Behandlung auf der Strafinsel stoisch erträgt. Fact or legend?

CHEYENNE AUTUMN (1964, 20. & 26.5.) Aus der Sicht der Cheyenne erzählt Ford von ihrem beschwerlichen Weg in die Heimat. Ford: "Ich wollte diesen Film schon lange drehen. Ich habe mehr Indianer umgebracht als Custer, Beecher und Chivington miteinander, und die Europäer wollen immer etwas über die Indianer wissen. Jede Geschichte hat zwei Seiten, und ich wollte einmal ihren Standpunkt zeigen." Jean-Marie Straub: "Es gibt niemanden, der mehr Respekt für die Indianer hatte als Ford. Man kann keinen Film wie CHEYENNE AUTUMN machen und ein Rassist sein."

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