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Was ist zu sehen? Ungeschminktes, wie das sozialkritische Kaleidoskop aus einem Telefon-Shop oder jener klaustrophobische Fahrstuhl-Kurzfilm, wo weibliche Lebenswelten mit krasser Gefängnismetaphorik gezeichnet werden. Zu sehen sind, auf der anderen Seite des Spektrums, enigmatische Wüstenflugbilder einer "Ästhetik des Verschwindens" oder "zerbrochene Filme", die Kriegschaos in dissonant-verwürfelten Fragmenten auf die Leinwand werfen und sarkastisch from Beirut with love grüßen. Dazwischen gibt es immer wieder Trouvaillen: Eine wunderbare Reminiszenz an Eisensteins PANZERKREUZER POTEMKIN, nachgestellt in Tunis; ein ironisches Selbstporträt namens ARAFAT & I; ein Film gemacht aus amerikanischen Zeitungsfotos über den Irak; eine einfühlsame Studie über das Erwachsenwerden und den Weg, "Schritt für Schritt", in eine harsche, zersplitterte Gesellschaft. Die Film-Arbeiten in "Arab Shorts" eröffnen ungewohnte und ungewöhnliche Bildwelten. Es gibt verständliche "Botschaften" und "verrätselnde" Maskierungen. Im Code der Kunst wird hier, so die Süddeutsche Zeitung, eine "arabische Welt (dargestellt), wie sie wirklich ist: menschlich und divers". Während das Fernsehen bewegende Bilder von Freiheitskampf und erschütternder Gewalt in unseren Alltag transportiert, ist dies viel und wenig zugleich. Denn eines ist, im Kulturaustausch mit der arabischen Welt, ganz sicher: Wir wissen zu wenig voneinander. Künstlerischer Leiter ist der Kurator und Filmemacher Marcel Schwierin. Im Arsenal werden die Highlights des Projekts gezeigt. (17. & 18.6.) Auf www.arabshorts.net sind alle Kurzfilme zu sehen. (Günther Hasenkamp) Unabhängige ägyptische Filme – unabhängig wovon?
Ägypten ist eine Regionalmacht; nicht nur politisch sondern auch bezüglich der Unterhaltungsindustrie ist das Land führend in der arabischen Welt. Bereits 1925 eröffnete ein bedeutender Geschäftsmann die Ägyptische Gesellschaft für Schauspiel und Kino als einen von vielen Investitionssektoren seiner Bank. Damit waren zwei zentrale Aspekte des ägyptischen Films installiert: der kommerzielle Charakter und die Vormachtstellung im sonst noch kolonisierten arabischen Raum. Tragende Säule des Hollywood am Nil, eine gezielte Imitation, sind seit jeher die Stars. Sie sind das Risikokapital des Films, der sich komplett an der Kinokasse refinanziert. Heraus kommen massentaugliche eskapistische Werke, die im Dunkel des Kinosaals und in hermetisch geschlossenen filmischen Texturen durchaus heikle Themen behandeln, meist bezüglich der Liebe. In einem solchen System ist die Zensur nicht bedeutend. Es braucht sie jedoch, um offenere Formen des künstlerischen Ausdrucks zu unterbinden. Die Zensur wurde in Ägypten von der englischen Kolonialmacht eingeführt und seither nicht wesentlich verändert. Drehbücher müssen der Behörde vorgelegt werden; nach Fertigstellung des Films erteilt der Zensor die Vorführerlaubnis. Des Weiteren gilt es die Bewilligung des Filmsyndikats einzuholen, was offiziell nur Mitgliedern, also Absolventen der staatlichen Filmhochschule, möglich ist. Das Dokument kostet 10.000 bis 25.000 $ und für Nicht-Mitglieder einen Aufschlag; beides bei undurchsichtigen Konditionen. In den letzten sieben Jahren haben immer mehr Filmschaffende begonnen, diese Regeln zu ignorieren, was in Ägypten unabhängiges Filmschaffen genannt wird. Der Begriff bedeutet vor allem die Ablehnung staatlicher Kontrolle, wird aber auch für Arbeiten ohne Stars und mit Interesse am Realen verwendet. Das betrifft in erster Linie Kurz- und Dokumentarfilme, Arbeiten also ohne Kinoauswertung. Vier unabhängige Kinofilme sind bisher fertiggestellt und werden im Arsenal gezeigt. Ibrahim El Batouts AIN SHAMS (2008, 19.6.) hat zentrale Bedeutung: Batout holte keine Genehmigungen ein und hat den gesamten Prozess dieses Ungehorsams medial begleitet. Der Zensor sah erst das fertige Werk, ein eindeutiger Regelverstoß, wie er in der Presse monierte. Er gab den Film über politische und soziale Lüge und Wahrheit in Ägypten dennoch für das Kino frei. In seinem folgenden Film HAWI (2010, 20.6.), einer gesellschaftlichen Nahaufnahme Alexandrias, hat der Regisseur die gleiche Arbeitsweise angewandt, nämlich die Erarbeitung des Stoffes mit den SchauspielerInnen, keine Stars, Drehen an Originalschauplätzen und ein Stoff, der sich der Lebensrealität in Ägypten stellt. Ahmad Abdalla lässt seinen ersten Film HELIOPOLIS (2009, 21.6.) im gleichnamigen Kairener Stadtteil spielen, sucht nach dem verlorenen Kosmopolitismus des Ortes und zeigt seine aktuelle Kommunikationslosigkeit. Dabei bedient er sich ähnlicher Arbeitsweisen wie El Batout, die filmische Umsetzung unterscheidet beide Regisseure jedoch stark voneinander. In MICROPHONE (2010, 22.6.) stellt Abdalla die musikalische Subkultur Alexandrias vor. Den Protagonisten beider Filme gibt Khaled Abol Naga, der aus dem Starsystem kommt. (Irit Neidhardt) Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut.

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