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Im Zuge der politischen Ereignisse um 1968 und den großen Streiks der Arbeiter in Frankreich nahmen diese selbst die Kamera in die Hand. Wir zeigen ein Programm mit Filmen des Arbeiter-Kollektivs Groupe Medvedkine aus Besançon und Sochaux (1. & 3.2.): NOUVELLE SOCIÉTÉ N°5, 6, 7 (F 1969/70), SOCHAUX, 11 JUIN 1968 (F 1970), LES TROIS-QUARTS DE LA VIE (F 1971). RHODIA 4 X 8 (F 1969) ist ein klassenkämpferisches "Musik-Video". SCÈNES DE GRÈVE EN VENDÉE (Paul Bourron, F 1973) zeigt Arbeiterinnen im Streik. Ohne Fließbänder und Zeituhren entdecken sie, dass man miteinander sprechen und singen kann.

Das Black Audio Film Collective gründete sich 1982 in London (es existierte bis 1998) und war in den 80er Jahren in Großbritannien eine wichtige Stimme in der Debatte um Repräsentationspolitik. Ihre Dokumentarfilme verbanden politisches Engagement mit formaler Experimentierfreude. HANDSWORTH SONGS (John Akomfrah, GB 1986, 2. & 4.2.) ist ein vielstimmiger Essayfilm, der nach den Unruhen 1985 in Handsworth und London entstand. Aus einem Mosaik aus Bildern und Tönen, Archivmaterial, Aufnahmen der Unruhen und alten Familienfotos entsteht eine multiperspektivische Collage.

DEUX FOIS (Jackie Raynal, F 1968, 4. & 6.2.), eine wichtige Arbeit des feministischen Undergrounds, beginnt mit einer apokalyptischen Verkündung, von Jackie Raynal selbst direkt in die Kamera gesprochen: "Diese Arbeit wird das Ende der Signifikation sein." Jackie Raynal war Teil der Zanzibar-Gruppe, einem informellen Zusammenschluss von etwa zwölf Künstlern (u.a. Philippe Garrel, Pierre Clémenti und Serge Bard), die sich nach der damals maoistischen Insel benannt hatten. Rund 15 Zanzibar-Filme entstanden zwischen 1968 und 1973, die alle von der jungen Öl-Erbin Sylvina Boissonnas finanziert wurden und komplett außerhalb der damaligen Förder- und Verleihstrukturen standen. Durch ihre Nähe zur Welt der Mode (es bestanden auch enge personelle Verbindungen zu Warhols Factory) wurden die Zanzibar-Mitglieder als Dandys des Mai 68 bekannt.

KILLER.BERLIN.DOC (Bettina Ellerkamp, Jörg Heitmann, D 1999, 5.2., in Anwesenheit der Regisseure & 8.2.) Ein Kinderspiel, mit dem im Mai 1998 zehn Personen beschließen, ihr Leben in Berlin für 14 Tage zur Fiktion zu machen: Sie spielen "Killer", in dem jeder der zehn zum Verfolgten und zum Verfolger wird. Sie spannten ein Netz über die Stadt: die zurückgelegten Wege, Orte und Begegnungen, die eine subjektive Skizze vom gegenwärtigen Leben in Berlin in der "Zwischenzeit" zeichnen. Produziert wurde der Film von der Gruppe dogfilm, der neben Bettina Ellerkamp und Jörg Heitmann auch Merle Kröger, Ed van Megen und Philip Scheffner angehörten, und die zwischen 1991 und 1999 regelmäßig an gemeinsamen Video- und Fernsehproduktionen arbeitete.

ZÜRI BRÄNNT (Schweiz 1980/81, 9. & 22.2.), produziert vom Videoladen Zürich, entstand als Reaktion auf die Jugendunruhen in Zürich, deren zentrale Forderung die nach Freiräumen für eine selbstbestimmte Jugend- und Alternativkultur war. ZÜRI BRÄNNT ist ein "anarchisches und (selbst)ironisches Videopamphlet, das durch eine erstaunliche Dynamik und den Mut zu einer reflektierten, aber radikalen Subjektivität besticht. Assoziation statt Argumentation. Durch eine einfallsreiche Montage, die sich Erklärung und Chronologie verweigert, wird Dokumentarisches, Satirisches, Text, Sprache und Musik zu einer mitreißenden Mischung zusammengestellt." (Kyros Kikos)

L'AGGETTIVO DONNA (Annabella Miscuglio, Rony Daopoulos, mit dem Collettivo Femminista di Cinema, Italien 1971, 21. & 28.2.) entstand aus einem feministischen Kollektiv der italienischen Frauenbewegung. In einer radikalen Gesellschafts- und Herrschaftskritik werden die doppelte Ausbeutung der Arbeiterinnen und die Isolation der Hausfrauen analysiert. Ironisch im Umgang mit der Montage dokumentarischen Materials, zeigt der Film, wie die Frau immer als "Adjektiv-Frau", als Anhängsel des Mannes definiert wird. Dazu läuft der an der dffb entstandene FÜR FRAUEN – 1. KAPITEL (Cristina Perincioli, BRD 1971), der zeigt, wie sich eine Gruppe von Verkäuferinnen eines Supermarktes solidarisch zusammenschließt, um gleiche Löhne wie Männer zu erkämpfen.

NOWY WAWILON (Das neue Babylon, Grigori Kosinzew / Leonid Trauberg, UdSSR 1929, 23. & 27.2., am Klavier: Eunice Martins) ist der bekannteste Film der FEKS, der Fabrik des Exzentrischen Schauspielers. Gegründet wurde die FEKS 1921 von Grigori Kosinzew und Leonid Trauberg in Petrograd, sie verband Schauspielerausbildung mit kollektiver Theater- und Filmarbeit. Die Enfants terribles der sowjetischen Avantgarde entwickelten den "Exzentrismus" als neuartiges Ausdrucksmittel. NOWY WAWILON erzählt vor dem Hintergrund der Niederschlagung der Pariser Kommune 1871 die Liebesgeschichte von Louise, einer Verkäuferin im Kaufhaus "Das Neue Babylon" und überzeugte Kommunardin, und Jean, ein Soldat, der gezwungen ist, die Kommune zu bekämpfen. Mit einer stark karikaturistischen und pathetischen Überzeichnung der Personen und Dekors, dem furiosen Tempo und der radikalen Montage brachten sie eine neue Ästhetik in das sowjetische Filmschaffen.

WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1970/71, 24. & 26.2.) ist eine Bestandsaufnahme Fassbinders der bisherigen Arbeit mit der Gruppe des antiteaters. In einem Hotel irgendwo in Spanien wartet eine Gruppe von Schauspielern auf die Ankunft des Regisseurs, des Stars (Eddie Constantine als Eddie Constantine) und des Filmmaterials. Als der Regisseur mit seinem Star eintrifft, wird er sofort zum Mittelpunkt des Chaos. "Der  Film handelt zwar von Dreharbeiten, aber das eigentliche Thema ist, wie die Gruppe arbeitet und wie Führer-Positionen entstehen und ausgenutzt werden. Mit diesem Film haben wir endgültig unsere erste Hoffnung, nämlich das antiteater, begraben." (Fassbinder)

Eine der legendärsten Künstlerfamilien scharte sich in den 60er Jahren um Warhols Factory. Sie war Treffpunkt für Künstler, Schauspieler und Selbstdarsteller, war Atelier, Filmstudio und Partylocation, ein Katalysator der kreativen Szene New Yorks. In A WALK INTO THE SEA: DANNY WILLIAMS AND THE WARHOL FACTORY (Esther B. Robinson, USA 2007, 25. & 29.2.) erfährt Esther B. Robinson von einer ganz eigenen Verbindung zur Factory. Ihr früh und unter mysteriösen Umständen verstorbener Onkel Danny, so erzählt es ihr ihre Großmutter eher beiläufig, war Andys Lover und Mitglied der Künstlerfamilie. Es gelingt Robinson, eine Kiste mit 16mm-Filmen im MoMA aufzuspüren, die mit dem Namen Danny Williams beschriftet sind. Ein Schatz tut sich auf: Bilder aus der Factory, von Velvet Underground, bekannte Gesichter, in einer nie gesehenen Verschmelzung von Intimität und Glanz.

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