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THE HALFMOON FILES (Philip Scheffner, D 2007, 1. & 8.4.) "Wenn ein Mensch stirbt, irrt er umher und wird ein Geist", hören wir Bhawan Singh sagen, dessen Stimme auf einer Schellackplatte in einem Lautarchiv überdauert hat. Diese und weitere Tonaufnahmen einer Reihe von Kolonialsoldaten, die als Kriegsgefangene im Ersten Weltkrieg im brandenburgischen Wünsdorf interniert waren, werden zum Ausgangspunkt, zentralen Bestandteil und roten Faden einer komplexen audiovisuellen Recherche zur Verflechtung von Politik, Kolonialismus, Wissenschaft und Medien. Aus der akribischen Suche nach Spuren der einstigen Gefangenen entwickelt sich eine besondere erzählerische Freiheit, in der mit der Verschränkung unterschiedlicher Zeitebenen die Grenzen zwischen Realem und Irrealem zu verschwimmen scheinen. DER STUDENT VON PRAG (Stellan Rye, D 1913, 4. & 11.4., am Klavier: Eunice Martins) "Menschen schrien im Parkett auf und wagten nicht, auf die Leinwand zu sehen, da sie dort zweimal leibhaftig dieselbe Gestalt sahen. Unmögliches war in diesem Film fotografische Wirklichkeit geworden." (W. Noa) Die Reaktion des Premierenpublikums während der Aufführung des STUDENTEN VON PRAG illustriert nicht nur anschaulich das damalige Potential des Kinos, sondern würdigt auch Guido Seebers Verfahren der Doppelbelichtung, dank derer der Schauspieler Paul Wegener an verschiedenen Stellen des Films zwei Mal im Bild zu sehen ist: als Student Balduin und als sein entfesseltes Spiegelbild, welches er zuvor an einen dubiosen Wucherer verkauft hat. KAGEMUSHA(Der Schatten des Kriegers, Akira Kurosawa, Japan 1980, 5. & 10.4.) Japan, gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Nach dem Tod des mächtigen Fürsten Shingen wird sein „Schattenkrieger“, ein Doppelgänger / Bodyguard und ehemaliger Dieb, verpflichtet, die Rolle des Landesfürsten zu übernehmen, um den Frieden zu wahren. Nach anfänglichem Zögern wächst er in seine Rolle hinein und tritt aus dem Schatten des Toten hervor, womit er den Untergang der Herrscherfamilie einläutet. Kurosawa inszeniert seine Reflexion über Macht und deren Repräsentation als ein komplexes Gefüge der Schatten, der Verschattung, des Trugbilds und der Illusion. WESELE (Die Hochzeit, Andrzej Wajda, PL 1972, 6. & 13.4.) Wajdas werkgetreue Adaption des berühmten polnischen Dramas von Stanisław Wyspiański kreist um die verlorene Identität und den Mythos Polen. Das um die Jahrhundertwende angesiedelte Geschehen entfaltet sich auf zwei Ebenen, die bei der schwelgerischen Hochzeit eines Dichters mit Bauerntochter in einer surrealen Fantasmagorie zusammengeführt werden. Die Zwiesprache zwischen den Hochzeitsgästen und aus dem Nichts auftauchenden, geisterhaften Gestalten der polnischen Geschichte entfaltet sich zu einem entfesselten Rausch. THE PURPLE ROSE OF CAIRO (Woody Allen, USA 1984, 7. & 15.4.) In seiner Liebeserklärung an das Kino und einer großartigen Variation des Doppelgängermotivs dreht Allen mit größter Selbstverständlichkeit die klassische Kinoblick-Achse um 180 Grad: Cecilia (Mia Farrow) himmelt den smarten Tropenforscher Gil auf der Leinwand gerade zum fünften Mal an, als dieser ihren Blick unvermutet erwidert und zu ihr in den Zuschauerraum hinabsteigt. Die Grenzen zwischen Kino und Wirklichkeit werden lässig über den Haufen geworfen, nicht nur Cecilias Leben, sondern ganz Hollywood gerät durchein-ander. Schließlich soll der Gil-Darsteller Shepard seinem Schatten den Weg zurück in die Welt derselben weisen. SCHATTEN (Arthur Robison, D 1923, 12. & 14.4., am Flügel: Eunice Martins) Schatten als trügerische Beweise der Untreue und als probates Mittel der "Therapie" zeigt Robison in diesem deutlich von Freuds Lehren inspirierten Kammerspiel. Zuckende Schatten auf einer Gardine lassen einen krankhaft eifersüchtigen Mann an der Treue seiner Frau zweifeln. Bevor es zum Bruch kommt, inszeniert ein durchreisender Schausteller die Begierden und Ängste der Anwesenden als Schattenspiel. DIE INNERE SICHERHEIT (Christian Petzold, D 2000, 18. & 29.4.) Der erste Teil von Petzolds sogenannter Gespenster-Trilogie zeigt Mitglieder einer Familie, die eine Schattenexistenz im Untergrund führen. Nach dem bewaffneten Kampf gegen den westdeutschen Staat in den 70er Jahren leben Clara und Hans mit ihrer halbwüchsigen Tochter auf der Flucht. Als sie nach Deutschland zurückkehren müssen, eskalieren die Ereignisse. Petzolds „Gespenster“ leben jenseits der Welt und unserer Gegenwart, in einem endlos flüchtigen Zustand ohne Möglichkeit der Rückkehr. LOONG BOONMEE RALEUK CHAT (Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben, Apichatpong Weerasethakul, Thailand/GB/F/D/
Spanien/NL 2010, 19. & 21.4.) "Geister sind nicht mit Orten verbunden, sondern mit Menschen, mit den Lebenden." So gesellen sich der Geist der verstorbenen Ehefrau und der im Dschungel verschollene Sohn als Affenmensch zu Uncle Boonmee, der selbst nur noch kurze Zeit leben wird und zum Sterben in seine Heimat zurückgekehrt ist. Familie und Freunde nehmen Abschied und begleiten ihn von einer Seinsform in die andere. Mit beeindruckender Intensität und mystizismusfreien Bildern der durchscheinenden Wesen, dem undurchdringlichen Dschungel und der pechschwarzen Nacht erzählt Weerasethakul von Leben und Tod, Reinkarnation und Seelenwanderung. REBECCA (Alfred Hitchcock, USA 1940, 20. & 24.4.) Ein hochherrschaftliches Haus, auf dem ein Fluch zu lasten scheint, seine verstorbene Herrin, deren morbide Präsenz auch Jahre nach ihrem Tod das Anwesen heimsucht, und eine Hausdame als "Statthalterin der Toten im Reich der Lebenden" (Klaus Kreimeier) bilden die Pole dieses schauer-erregenden Bermuda-Dreiecks, in dem eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen an ihrer romantischen Ader, ihrer Naivität und Unbedarftheit zu Grunde zu gehen droht. THE INNOCENTS(Jack Clayton, GB 1961, 25. & 27.4.) Der jungen Gouvernante Miss Giddens (Deborah Kerr) wird die Erziehung von zwei Kindern übertragen. Hinter der Umgänglichkeit ihrer Schutzbefohlenen glaubt Miss Giddens jedoch bald eine Welt der übersinnlichen Mächte, der Gespenster und des Wahns zu entdecken. Ein Klassiker des Horrorfilms, dessen abgründig-unheimliche Grundstimmung ohne jeglichen Schockeffekt, Blutrausch oder körperliche Gewalt auskommt. Die steigende Spannung speist sich vielmehr aus der psychologischen Differenzierung und letztlich aus der Vieldeutigkeit des Geschehens. DER DIBEK/ DYBUK (Der Dibbuk, Michał Waszyński, Polen 1938, 26. & 28.4.) Frühe Verfilmung von An-Skis gleichnamiger Bühnenfassung der jüdischen Legende: Ein junger Talmudstudent stirbt an gebrochenem Herzen, weil die ihm bestimmte Braut einen anderen heiraten muss. Am Tag ihrer Hochzeit wird die junge Frau vom Geist ihres Geliebten, vom Dibbuk, besessen. In der Kombination von Mystizismus und Expressionismus entstand eines der großen Meisterwerke des jiddischen Kinos.

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