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INDAGINE SU UN CITTADINO AL DI SOPRA DI OGNI SOSPETTO (Investigation of a Citizen Above Suspicion, 1970, 6.11., zu Gast: Paola Petri, Rainer Hanshe, Verleger: Elio Petri: Writings on Cinema and Life & 16.11.) Mord als Probe aufs machtstrukturelle Exempel. Dottore (Gian Maria Volonté), der als ehemaliger Leiter der Mordkommission gerade eben in der Polizeihierarchie weiter aufgestiegen ist, verübt kaltblütig einen Mord, hinterlässt einen Tatort voller Spuren und streut erdrückende Hinweise auf seine Täterschaft, um seine Unantastbarkeit innerhalb des Polizeiapparats zu testen. Petris kafkaesker Polit-Thriller mit satirischen Momenten steht am Anfang der "bleiernen Jahre", einer Zeit der dramatischen politischen und sozialen Konflikte in Italien. Seine abgründige Abrechnung mit den staatlichen Rechts- und Ordnungshütern positioniert sich innerhalb des damaligen politischen Spannungsfeldes, liest sich aber ebenso als universelle Reflexion über Macht(missbrauch), Abhängigkeit und Willkür. ELIO PETRI … APPUNTI SU UN AUTORE (Elio Petri … Notes on an Author, Federico Bacci, Nicola Guarneri, Stefano Leone, 2005, 7.11., zu Gast: Paola Petri) Dichtes, aufschlussreiches Porträt über Elio Petri im Spiegel seiner Filme und Texte, im Kontext der politischen und gesellschaftlichen Zustände Italiens und anhand ausführlicher Gespräche mit zahlreichen Zeitgenossen, Mitstreitern, Kollegen und Bewunderern Petris, wie z.B. Bernardo Bertolucci, Ursula Andress, Dante Ferretti, Ennio Morricone, Gillo Pontecorvo, Vanessa Redgrave und Robert Altman. I GIORNI CONTATI (Numbered Days, 1962, 7. & 14.11., zu Gast: Rainer Hanshe) Petris vielleicht persönlichster Film ist eine Hommage an seinen Vater und basiert auf einer ähnlichen Begebenheit in dessen Leben. Im Mittelpunkt steht Cesare (Petris Stammschauspieler Salvo Randone), ein verwitweter Klempner, Mitte 50, der miterlebt, wie ein Mann im Bus verstirbt. Unter dem Einfluss dieses einschneidenden Erlebnisses kündigt Cesare seine Arbeit und entschließt sich, von nun an "zu leben". Sein Umfeld reagiert verständnis- und ratlos, Cesare selbst ist bald doppelt desillusioniert: Die Arbeit und ihre identitätsstiftende Kraft hat für ihn jede Bedeutung verloren, aber auch der Versuch eines neuen Lebens birgt nicht den erhofften Neuanfang. Jenseits der deutlichen neorealistischen Anklänge ist I GIORNI CONTATI ein Film der Zurückhaltung, der Konzentration, woraus Cesares unsentimentale Reise durch Rom emotionale Wucht entwickelt. LA CLASSE OPERAIA VA IN PARADISO (The Working Class Goes to Heaven, 1971, 8.11., Einführung: Bert Rebhandl & 21.11.) Furiose Polemik gegen den Industriekapitalismus im schillernden Gewand einer absurden (Tragi)-Komödie, einer politischen Erweckungsgeschichte und eines Melodrams. Lärm, Chaos und Nervosität bestimmen den Film wie das Leben von Lulù Massa (Gian Maria Volonté), dem besten Arbeiter der Fabrik. Produktivität zählt für ihn mehr als Solidarität mit den Kollegen, von denen es keiner am Fließband mit Lulù aufnehmen kann – dementsprechend unbeliebt ist er in der Belegschaft. Als Lulù versucht, noch mehr Quote zu bringen, zieht er sich eine Handverletzung zu. Von seinen Vorgesetzten im Stich gelassen und von seinem Umfeld gemieden, wandelt sich Lulù vom Vorzeigearbeiter zum Streikführer. L'ASSASSINO (The Assassin, 1961, 8. & 16.11.) Bereits in seinem Spielfilmdebüt greift Petri zur Genreform und wählt den "giallo", eine spezifisch italienische Thriller-Variante, für seine beklemmende Katz-und-Maus-Jagd. Der 30-jährige Antiquitätenhändler Martelli (Marcello Mastroianni) wird verdächtigt, seine vermögende, ältere Geliebte umgebracht zu haben. Er wird verhaftet und einem ausführlichen Verhör durch den gewieften Kommissar Palumbo (Salvo Randone) unterzogen. In Flashbacks fächert Petri das Leben Martellis auf und skizziert seine verschiedenen Liebesbeziehungen, sein Arbeitsleben, seine Ansichten, sein Verhalten. Immer deutlicher entsteht das Bild eines skrupellosen, egoistischen Bonvivants, der sich vor allem der Unmenschlichkeit schuldig gemacht hat. Eines der bemerkenswertesten italienischen Debüts der 60er Jahre. TODO MODO (1976, 9.11., zu Gast: Albert Buschmann) Ein satirischer "giallo" als Kammerspiel: Wie jedes Jahr begibt sich die Führungselite Italiens, Größen aus Wirtschaft, Kirche und Politik, darunter der Staatspräsident "M" (Gian Maria Volonté), an einem abgeschiedenen Ort in Klausur. Schauplatz ist eine Klosteranlage, der Pater Don Gaetano (Marcello Mastroianni) vorsteht. Hier werden weniger die drängenden Probleme des Landes besprochen, vielmehr wird an Machtpositionen und Netzwerken gefeilt. Doch dann werden, während im Land eine Epidemie grassiert, auch hinter den Klostermauern Leichen gefunden. Petris Verfilmung eines Romans von Leonardo Sciascia entwirft ein bestürzendes Bild der Verhältnisse der späten "bleiernen Jahre" in Italien. Anspielungen auf Aldo Moro und seinen "historischen Kompromiss" sind unverkennbar und werden wenige Jahre später von einer tödlichen Realität eingeholt. A CIASCUNO IL SUO (We Still Kill the Old Way, 1967, 9. & 17.11., zu Gast: Rainer Hanshe) Petris erste Sciascia-Adaption folgt den eigenmächtigen Nachforschungen des leicht verhuschten, linken Uni-Professors Laurana (Gian Maria Volonté), der einen Doppelmord in seiner sizilianischen Heimatstadt nicht als altmodisches Ehrendelikt abtun will. Dem wahren Mörder und, wie es scheint, einem politisch motivierten Verbrechen auf der Spur, verstrickt sich Laurana sowohl in einem Dickicht aus Seilschaften, dem die meisten Honoratioren der Stadt anzugehören scheinen, als auch in der unerwiderten Liebe zur Frau eines der Ermordeten. Ein über weite Strecken distanziert beobachtender Film, der über den Mafia-Bezug (die Mafia wird kein einziges Mal erwähnt) hinausgeht und das Blickfeld auf die Unfähigkeit des Protagonisten verengt, die Realität zu erkennen. UN TRANQUILLO POSTO DI CAMPAGNA (A Quiet Place in the Country, 1969, 10. & 17.11.) Petris Interesse für die Bildende Kunst des 20. Jahrhunderts zeigt sich in vielen seiner Filme. Die italienische zeitgenössische Kunst, aber auch der deutsche Expressionismus haben deutliche Spuren in seinen Filmen hinterlassen, wie auch die amerikanische Pop Art, die in Form von großformatigen Gemälden des amerikanischen Pop-Art-Künstlers Jim Dine unübersehbar Eingang in den experimentellen Geister-Erotik-giallo A QUIET PLACE IN THE COUNTRY gefunden hat. Entsprechend ist es ein Künstler (Franco Nero), der gemeinsam mit seiner Frau (Vanessa Redgrave) die titelverheißende Ruhe auf dem Lande sucht. Die vermeintliche Idylle wird für ihn jedoch zum Ausgangspunkt von Wahnvorstellungen und Obsessionen. Petri bettet sein präzises Porträt der Künstlerwelt in eine komplexe Ton-Geräusch-Klang-Landschaft von Ennio Morricone ein. LA PROPRIETA PRIVATA NON E PIU UN FURTO (Property Is No Longer a Theft, 1973, 13. & 19.11.) Nach INDAGINE … und LA CLASSE OPERAIA … ist dies der exzentrische letzte Teil von Petris Trilogie der "sozialen Neurose", die sich an Macht, Arbeit und in diesem dritten Teil am Geld entzündet. Der Bankangestellte Total wird von einer Geldallergie heimgesucht, der negative Einfluss des Mammons auf die Menschheit widert ihn an. Er kündigt. Fortan betätigt er sich als Dieb symbolischer Gegenstände und hat es dabei vor -allem auf den Besitz eines wohlhabenden Metzgers abgesehen. Sinnfällig durchbricht Petri seine scharfe Satire auf die Herrschaft des Geldes, indem er die Akteure des Films wiederholt in Brecht'scher Manier direkt zum Publikum sprechen lässt. BUONE NOTIZIE (Good News, 1979, 14. & 21.11.) Von guten Nachrichten keine Spur in Petris letztem Film, einer bitteren, tiefschwarzen Komödie über die Leere im mediendominierten Zeitalter. Der namenlose Protagonist verbringt ganze Tage mit dem ununterbrochenen Betrachten von Schreckensmeldungen auf mehreren Fernsehbildschirmen in seinem Büro. Abwechslung von dieser Routine bringt die Begegnung mit einem alten Freund, der vorgibt, in tödlicher Gefahr zu schweben. Eine pessimistische Betrachtung der italienischen "Gesellschaft des Spektakels" (Olaf Möller). ROMA ORE 11 (Rome, 11:00, Giuseppe de Santis, 1952, 20.11., zu Gast: Guido Kirsten) Mit der Recherchearbeit für diesen neorealistischen Klassiker beginnt Petris Laufbahn beim Film und seine langjährige Zusammenarbeit und Freundschaft mit seinem Mentor und Vorbild de Santis. Der Film beruht auf realen Ereignissen und rekonstruiert den Einsturz einer Treppe, auf der 200 junge Frauen warten, um sich auf eine einzige Arbeitsstelle zu bewerben. Das Drehbuch basiert auf ausführlichen Interviews, die Petri mit den am Unglück Beteiligten geführt hatte. (mg) Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut Berlin, Cinecittà und Contra Mundum Press.

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