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DER HIMMEL ÜBER BERLIN (Wim Wenders, BRD/F 1986/87, 1. & 15.4.) "Als das Kind Kind war …" Anstelle des Vorspanns beginnt Wenders' Hommage an das geteilte Berlin mit einer leinwandfüllenden Szene des Schreibens. Erst im Verlauf des Films wird man die Hand, Schrift und später einsetzende Stimme einem der Protagonisten, dem Engel Damiel, zuordnen können, doch zunächst schaffen die Worte auf Papier einen Übergang vom Buch zum Film und markieren dessen literarisches Gedächtnis, welches sich nicht erst am Ende des Films wieder manifestiert. In der Zwischenzeit begleiten wir die Engel Damiel (Bruno Ganz) und Cassiel (Otto Sander) auf ihren Streifzügen durch das Berlin der 80er Jahre. LA SIGNATURE (Marcel Broodthaers, BRD 1970, 1. & 15.4.) Hand- und Unterschrift des Künstlers führt der belgische Künstler in diesem vielleicht kürzesten Film der Filmgeschichte ironisch ad absurdum. M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER (Fritz Lang, D 1931, 2. & 12.4.) Der Kreideabdruck des Buchstabens "M" auf einem Mantel entlarvt nicht nur den Kindermörder in Langs frühem Tonfilm, sondern bildete ebenso das grafische Leitmotiv der Werbekampagne für den Film. Ein Buchstabe als Wiedererkennungsfaktor in doppelter Hinsicht, flankiert von zahlreichen Textinserts im Film: Plakate auf Litfaßsäulen, Schriftzüge auf Häuserfassaden, Zeitungsausschnitte, die den Eindruck einer überall lauernden Gefahr und einer sich ständig potenzierenden Verdächtigungshysterie verstärken. Langs spannende Mischung aus Thriller, Gangsterfilm und Psychodrama entwirft mit seiner Geschichte um die Jagd auf einen Triebtäter ein vielschichtiges Soziogramm Deutschlands Anfang der 30er Jahre. POLIZEIBERICHT ÜBERFALL (Ernö Metzner, D 1928, 2. & 12.4.) Gedehnt-verzerrte, bis zur Unlesbarkeit überlagerte Vorspanntitel bilden den Auftakt dieses für die deutsche Filmavantgarde zentralen Kurzspielfilms über einen Tag im Leben eines Mannes, dem ein gefundenes Geldstück zum Verhängnis wird. ZORNS LEMMA (Hollis Frampton, USA 1970, 3. & 13.4.) Ein Klassiker des strukturellen Films, betitelt in Anlehnung an eine Theorie aus dem Bereich der Mengenlehre des deutsch-amerikanischen Mathematikers Max Zorn. Der Film "exemplifiziert den Übergang vom alphabet-gelenkten Denken zum kinematischen, indem ein Alphabet aus 24 Bildern sich nach und nach an die Stelle der alten Letternreihe setzt, wobei ein jeder Bildbuchstabe eine Sekunde lang steht, das heißt, bei der heutigen Vorführgeschwindigkeit sich 24-mal wiederholt." (Frieda Grafe) GLORIA! (Hollis Frampton, USA 1979, 3. & 13.4.) Eine Überlagerung von Szenen aus frühen Filmen mit Video-Texten. "Eine mal komische, mal rührende Meditation über den Tod, die Erinnerung und über das Vermögen von Bildern, Musik und Text, die Vergangenheit neu entstehen zu lassen." (Bruce Jenkins) MEMENTO (Christopher Nolan, USA 2000, 4. & 13.4.) Eingebrannte Erinnerung im wahrsten Sinne des Wortes: Seit dem Mord an seiner Frau hat der Versicherungsagent Leonard sein Kurzzeitgedächtnis verloren. Mithilfe von Fotos, Notizen und Tätowierungen von Schlüsselsätzen auf seinem Oberkörper versucht er, ein Erinnerungsnetz zu spannen und Fragmente zusammenzusetzen, um die Mörder zu finden. Ein konsequent rückwärts erzählter, komplexer Neo-Noir über die Macht der Erinnerung. LE FILM EST DEJA COMMENCE?(Maurice Lemaître, F 1951, 5.4., Einführung Madeleine Bernstorff & 20.4.) Das Schlüsselwerk des lettristischen Films war ursprünglich mit begleitender Intervention gedacht: "Dieser Film sollte unter besonderen Voraussetzungen gezeigt werden: auf einer Leinwand, die aus neuen Formen und Materialien besteht, und mit spektakulären Vorgängen im Vorraum und im Kino selber (Unterbrechungen, großes Gedrängel, Dialoge, die laut mitgesprochen werden, Konfetti und auf die Leinwand gerichtete Schüsse …)." (M.L.) Auch ohne Performance ist der Film ein radikales Werk: Lemaître kombiniert unterschiedlichste Filmszenen (u.a. zeigt er immer wieder Passagen aus Intolerance), montiert Positiv-, Negativ- und Schwarzfilm, beschädigtes Filmmaterial, bemalt, stanzt und zerkratzt den Filmstreifen, präsentiert Texttafeln mit vermeintlichen Credits oder Zuschauerermahnungen, Selbstbeschimpfungen, Collagen oder Wortfragmenten. Die Tonspur besteht aus einem langen Monolog, unter- und überlagert von lettristischen Gedichten. Die ersten Aufführungen endeten im Skandal – der Einfluss des Films auf die Nouvelle Vague und die heutige Avantgarde ist unbestritten. DAS CABINET DES DR. CALIGARI (Robert Wiene, D 1919, 6. & 26.4., am Klavier: Eunice Martins) Form und Wirkung der schiefen Wände, geneigten Ebenen und schrägen Linien des expressionistischen Klassikers um den Somnambulen Cesare (Conrad Veidt) und den Jahrmarktsmagier Dr. Caligari (Werner Krauß) spiegeln sich auch in den kunstvoll gestalteten Zwischentiteln des Films: In der Art eines grafischen Bildes verlaufen die Textzeilen auf einer stark gebogenen Linie, manchmal gezackt und immer verzerrt. Gegen Ende des Films verlässt die Schrift den ihr angestammten Platz im Zwischentitel. Der Schlüsselsatz "Du musst Caligari werden!" wird zur dramatischen Bildinschrift und zum Ausdruck von Caligaris Wahnsinn. ANEMIC CINEMA(Marcel Duchamp, Man Ray, Marc Allegret, F 1926, 6. & 26.4., am Klavier: Eunice Martins) Eine Versuchsanordnung mit zahlreichen rotierenden Scheiben, auf denen sich abstrakte Reliefs mit französischen Wortspielen abwechseln. THE PILLOW BOOK(Peter Greenaway, GB 1996, 7. & 11.4.) Um nichts weniger als um die Bedeutung des geschriebenen Wortes geht es Greenaway in seiner vielschichtigen Erzählung um eine junge Japanerin, die die Körper ihrer Liebhaber mit kunstvollen Kalligrafien bedeckt, sich in der Folge jedoch in einem tödlichen Racheplan verfängt. Die Idee von Schrift und Zeichen als einem "körperhaften" Wahrnehmungssystem formt der britische Regisseur mit beeindruckender visueller Opulenz. ABSCHIED VON GESTERN (Alexander Kluge, BRD 1966, 14. & 28.4.) Kluges programmatisch betiteltes Langfilmdebüt erzählt von der jungen jüdischen Anita G., die aus der DDR in die Bundesrepublik kommt; Juristen und Bewährungshelfer versuchen sie zu erziehen; bald befindet sie sich wieder auf der Flucht. Zahlreiche Zwischentitel unterbrechen die nüchtern-distanzierte, teilweise ironische Beschreibung und kommentieren messerscharf – "Wahrheit, wenn sie ganz ernst auftritt, wird totgeschlagen!" – die gesellschaftlichen Zustände in der BRD. Das Kurzfilmprogramm kombiniert den Klassiker der filmischen Avantgarde der 20er Jahre LE BALLET MECANIQUE (Fernand Léger, Dudley Murphy, F 1924, 17.4.) mit PROJECTION INSTRUCTIONS (Morgan Fisher, USA 1976, 17.4.), in dem der Text auf der Leinwand zum Ausgangspunkt einer ungewöhnlichen Interaktion zwischen Vorführer und Leinwand wird, und SO IS THIS (Michael Snow, Kanada 1982, 17.4.) "Der Film ist ein Text. Jede Einstellung besteht aus einem leinwandfüllenden Wort in weißen Buchstaben vor schwarzem Hintergrund. Mit formalistischer Kriegslust droht SO IS THIS seinen Zuschauern, sie zum Lachen zu bringen, zum Weinen und dazu, 'die Gesellschaft zu verändern'. (…) Snow kreiert eine Art bewegte konkrete Poesie. Gleichzeitig macht er einer theoretischen Debatte – Ist Film eine Sprache? – einen Strich durch die Rechnung." (Jim Hoberman) PIERROT LE FOU (Jean-Luc Godard, F 1965, 18. & 25. & 30.4.) Neonschrift, Tagebuchaufzeichnungen, Briefe, Buchstabenfragmente großformatiger Schilder, Buchseiten – Godards Umgang mit Schrift und Wort in PIERROT LE FOU ähnelt in seinem zitierenden und fragmentierenden Gestus dem radikalen Unterteilen seines filmischen Universums. Ein "Fiebertraum" (JLG), der in Form einer eigenwilligen Hommage an den Film noir die Geschichte eines Gangsterpaares (Anna Karina und Jean-Paul Belmondo) erzählt, das der Pariser Gesellschaft den Rücken kehrt und sich raubend nach Südfrankreich absetzt. STATSCHKA (Streik, Sergej Eisenstein, UdSSR 1924, 19. & 24.4., am Klavier: Eunice Martins) Bereits in seinem Debüt gelingt Eisenstein die dynamische Umschmelzung eines revolutionären Stoffes – ein Fabrikarbeiterstreik im zaristischen Russland – in eine filmische Form. Quasi umgeschmolzen werden auch einige Zwischentitel, die, eben noch Informationsträger, wenig später zur grafisch-animierten, revolutionären Bewegung werden. MATRIX(Larry Wachowski, Andy Wachowski, USA 1999, 27. & 29.4.) Wie ein grüner Regen ergießen sich Kolonnen von Zahlen, Kana-Zeichen und Buchstaben über die Leinwand – die flirrenden Computer-Codes sind jenseits des Vorspanns aller drei Matrix-Filme längst zum Key Visual der Marketingkampagne für die Filme geworden. Innerhalb des Films verbirgt sich
im digitalen Regen ein Computercode, der den Menschen eine längst nicht mehr existierende Realität vorgaukelt. Computer-Hacker Neo (Keanu Reeves) nimmt den Kampf gegen die fluoreszierende Übermacht auf.

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