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L'ARGENT(Das Geld, F/CH 1983, 1.5.) Ein Gymnasiast bringt einen gefälschten Geldschein in Umlauf, um seine Schulden bezahlen zu können. Der Besitzer eines Fotogeschäfts gibt den Schein an den LKW-Fahrer Yvon weiter, der durch die Falschaussagen des Ladenpersonals verurteilt wird und seine Arbeit verliert. Aus finanzieller Not lässt er sich überreden, als Fahrer bei einem Banküberfall mitzumachen. Er wird gefasst, zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt und nach seiner Entlassung zum Mörder. Bresson stellt die Mechanismen eines gesellschaftlichen Systems, dessen sichtbarer Gott das Geld ist, in seinem meisterlichen Spätwerk mit der ihm eigenen radikalen Konsequenz dar und verzichtet auf alle Effekte und jeden Anflug von Sentimentalität.PROCÈS DE JEANNE D'ARC (Der Prozess der Jeanne d'Arc, F 1962, 2. & 6.5.) verzichtet auf die Vorgeschichte der Jungfrau von Orléans, die sich von Gott berufen glaubte, die Engländer aus Frankreich zu vertreiben, durch Verrat gefangen genommen, von einem Gericht wegen Ketzerei verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Grundlage des Films sind die Protokolle des Prozesses aus dem Jahr 1431. Aus ihnen entnahm Bresson den Dialog und wählte vor allem die Stellen aus, die sich auf die Person Jeanne selbst beziehen. Anders als Carl Theodor Dreyer in "La passion de Jeanne d'Arc" zielte Bresson nicht auf Emotion und verzichtete auf Großaufnahmen. Sowohl die Fragen der Richter als auch die Antworten Jeannes werden ohne äußere Dramatik vorgetragen.LANCELOT DU LAC (Lancelot, Ritter der Königin, F/Italien 1974, 2.5.) handelt von der schicksalhaften Verstrickung des Einzelnen in die Konventionen der Gesellschaft. Die ausweglose Situation des an Loyalitätskonflikten zugrunde gehenden Helden wird bildhaft gemacht in der Enge der Szenenausschnitte – es gibt nur eine einzige Totale in diesem weitgehend im Freien spielenden Film – und in der akustisch verstärkten Allgegenwart der bedrückenden Rüstungen, die keinen Schutz zu bieten, aber jede natürliche Bewegung zu behindern scheinen. In den blutigen Zweikämpfen und Schlachten zeigt sich Bresson als ein Meister des Aussparens; ohne dass man je eine Handlung ganz im Zusammenhang sieht, wird der Blick so sicher auf das jeweils wichtige Detail gelenkt, dass man nicht nur das Geschehen, sondern gleich auch dessen Implikationen vermittelt bekommt.PICKPOCKET(F 1959, 3.5.) Michel wird aus Armut und intellektuellem Hochmut zum Taschendieb. Wie der Protagonist Raskolnikow in Dostojewskis Roman "Schuld und Sühne / Verbrechen und Strafe" ist er überzeugt, bestimmte Menschen hätten das Recht, sich über Gesetze hinwegzusetzen. Diese These vertritt er auch gegenüber einem Kriminalkommissar, der ihn verdächtigt, und gegenüber Jeanne, deren Liebe er zunächst nicht erwidert. Der wohl bekannteste Film Bressons weist die stärksten Gemeinsamkeiten mit den Filmen der Nouvelle Vague auf und beeinflusste viele Regisseure dieser Generation. Berühmtheit erlangte PICKPOCKETnicht zuletzt durch seine kunstvolle Montage. Höhepunkt ist eine Bahnhofsszene, in der mehrere Diebe gemeinsam tätig werden. Bresson verwandelt sie zu einem virtuosen Ballett zugreifender und weiterreichender Hände, wandernder und verschwindender Objekte.MOUCHETTE(F 1967, 3.5.) Die 14-jährige Mouchette lebt in armseligen Verhältnissen in einem südfranzösischen Dorf. Zu Hause muss sie die kranke Mutter pflegen, alle Arbeiten verrichten und sich vom betrunkenen Vater verprügeln lassen. In ihrer Familie, bei Bekannten und in der Schule sucht sie vergeblich nach Liebe und Verständnis. Bresson hat aus Georges Bernanos' Erzählung Die neue Geschichte der Mouchette kein Lehrstück über Armut und die Rollenverteilung in unterprivilegierten Familien gemacht. Er nimmt keinen Standpunkt ein – weder den metaphysischen Bernanos', der die "sinnliche Reinheit" des Mädchens zeigen wollte, noch einen soziologischen, der die Gesetze des Dorfs zum Gegenstand einer Fallstudie macht.LES DAMES DU BOIS DE BOULOGNE (Die Damen vom Bois de Boulogne, F 1945, 4.5.) Eine Frau nimmt Rache an ihrem ehemaligen Liebhaber, indem sie ihn in eine nicht standesgemäße Ehe mit einer Frau von zweifelhaftem Ruf treibt. Bresson hat zusammen mit Jean Cocteau, der die Dialoge schrieb, die Episode aus Denis Diderots Roman Jacques der Fatalist und sein Herr in die 1940er Jahre verlegt. Der Film ist Bressons Abschied von dem, was er "fotografiertes Theater", Cinéma, nennt. Er arbeitet noch einmal mit professionellen Schauspielern und dem vordergründigen Realismus eines alle Ebenen des Films umfassenden Sujets: psychologische Charakterisierung der Personen, dramatische Entwicklung, Konstruktion eines geschlossenen Zusammenhangs.QUATRE NUITS D'UN RÊVEUR (Vier Nächte eines Träumers, F 1971, 5.5.) Bresson hat Dostojewskis Novelle Weiße Nächte ins Paris der 1970er Jahre transferiert. Der scheue Maler Jacques trifft nachts auf dem Pont Neuf die suizidale Marthe und hält sie von dem Sprung in die Seine zurück. Sie verabreden sich für den nächsten Abend an gleicher Stelle und nähern sich über vier Nächte hinweg einander an. Marthe erzählt von ihrem Geliebten, der sie nach einer einjährigen Studienreise auf dem Pont Neuf wiedertreffen wollte. Jacques erzählt die Geschichte seiner Einsamkeit und seiner Sehnsucht nach einem geliebten Menschen. AU HASARD BALTHAZAR(Zum Beispiel Balthasar, F/Schweden 1966, 7.5.) Anhand der titelgebenden Hauptfigur, dem Esel Balthazar, sowie des Schicksals seiner Besitzer schildert Bresson den Zyklus des Lebens: Als Balthazar klein ist, umgibt ihn Zärtlichkeit; Kinder spielen mit ihm und geben ihm seinen Namen. Später bestimmt harte Arbeit auf einem Bauernhof sein Dasein. Er wird gepeitscht, tritt dressiert im Zirkus auf, trägt bei einer Prozession die Reliquien und stirbt, als Lasttier eines Schmugglers, von einer Kugel getroffen auf einer Bergwiese. Bressons thematisch reichste Arbeit ist der am weitesten deutbare seiner Filme."Jeder, der diesen Film sieht, wird absolut erstaunt sein, denn dieser Film ist wahrhaftig die Welt in anderthalb Stunden." (Jean-Luc Godard)INTHRONISATION UND STURZ. ZU MOTIVEN IN DEN FILMEN VON ROBERT BRESSON(Manfred Blank, BRD 1977, 6.5.) Manfred Blank realisierte für den WDR einen Dokumentarfilm, der sich u.a. mit den Helden bei Bresson beschäftigt. Voice-over werden Ausschnitte und Stills aus MOUCHETTE, PICKPOCKET, UNE FEMME DOUCEund PROCÈS DE JEANNE D'ARC kommentiert.BRESSON NI VU NI CONNU (Bresson, unerkannt, François Weyergans, F 1965/94, 6.5.) In der für die Reihe "Cinéastes de notre temps" entstandenen Dokumentation gibt Bresson – zwischen Ausschnitten aus PICKPOCKET und PROCÈS DE JEANNE D'ARC – erstmals vor einer Kamera Auskunft zu seiner Arbeitsweise. (hjf) Eine Veranstaltung mit freundlicher Unterstützung des Institut français. Dank an Mylène Bresson.

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