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SHADOWS (John Cassavetes, USA 1959, 1. & 6.10.) Cassavetes' Debüt basiert auf einer Reihe von Improvisationsworkshops, aus denen Charaktere und Szenen für eine erste Filmversion entwickelt wurden. Mit Spenden und der Unterstützung eines Verleihers wurde die heute bekannte zweite Fassung fertiggestellt – eines der frühesten Beispiele des New American Cinema. Das Künstlermelodram um Hautfarbe, Diskriminierung und Jazz kreist um drei Geschwister einer schwarzen Familie in New York, deren Berufs- bzw. Liebesleben sich an einem Wendepunkt befindet. WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? (Michael Fengler, R.W. Fassbinder, BRD 1969, 2. & 7.10.) Die stilistische Ausnahmeerscheinung in Fassbinders Œuvre basiert auf einer losen "Improvisationsvorlage". Ausgestattet mit diesem Handlungsgerüst improvisieren die Schauspieler Alltagsszenen aus dem Leben einer Durchschnittsfamilie, bestehend aus Herrn R., einem technischen Zeichner ohne beruflichen Erfolg und seiner Frau, die Hausfrau ist und sich um den gemeinsamen Sohn kümmert. Mal kommen die Eltern zu Besuch, mal ein Schulfreund, mal die Nachbarin. Aus der Improvisation der Darsteller schält sich schonungslos die trostlose Existenz der Figuren, erwachsen die monströsen Züge einer Lebensform, die auf das im Titel angedeutete Ende zusteuert. NASHVILLE (Robert Altman, USA 1974, 3. & 8.10.) Fünf Tage in der titelgebenden Hauptstadt von Tennessee. In der Country-Metropole kreuzen sich die Wege von 24 quasi gleichberechtigten Protagonisten, darunter Musiker und Sänger, ein Musikproduzent, eine Journalistin, eine Kellnerin und ein Rechtsanwalt plus einem Lautsprecherwagen, der überlaut Wahlkampfslogans verbreitend durch die Straßen fährt. Altman und sein weitgehend improvisierendes Ensemble zeigen vignettenhaft eine glitzernd-abgründige Scheinwelt: gleichzeitig Fresko des Musikzirkus in Nashville und scharfsichtiges Porträt Amerikas, gleichzeitig Komödie, Tragödie und Musical. DER VERLORENE(Peter Lorre, BRD 1951, 4. & 9.10.) Einzige Regiearbeit des Emigranten Lorre, in der er als Hauptdarsteller einen Arzt spielt, dessen Mord an seiner Braut aufgrund seiner kriegswichtigen Arbeit vertuscht wird. Die ungesühnte Tat hat weitere Morde zur Folge. Die atmosphärisch dichte Nachkriegsproduktion war auch durch Lorres Schauspielerführung singulär: Immer wieder ermutigte er seine Schauspielkollegen zu improvisieren, sich vom Drehbuch zu lösen. Auch diese eher experimentelle Arbeitsweise lag quer zum Zeitgeist: Lorres pessimistische Studie wurde von Kritik und Publikum abgelehnt, er selbst kehrte in die USA zurück. EAST OF EDEN (Jenseits von Eden, Elia Kazan, USA 1955, 5. & 10.10.) Ein Generationskonflikt am Ende des Ersten Weltkriegs: Cal (James Dean in seiner ersten Rolle) fühlt sich von seinem autoritären Vater Adam (Raymond Massey) ungeliebt. Als dieser ihn erneut zurückweist, konfrontiert er seinen Bruder mit der Wahrheit über ihre totgeglaubte Mutter, die ein Bordell führt. Der Bruder flüchtet in den Krieg, der Vater in eine Krankheit. Der Generationskonflikt setzte sich jenseits der Storyline fort: Der in seinem Schauspieler-Selbstverständnis eher konservative Massey lehnte Deans Hang zur Improvisation ab, die Konfrontation zwischen Vater und Sohn fand im Aufeinanderprallen der Darstellungsstile eine zusätzliche Ausdrucksebene. KONZERT IM FREIEN (Jürgen Böttcher, D 2001, 11. & 15.10.) Zwischen 1981 und 1986 drehte Böttcher am und um das Marx-Engels-Denkmal in Berlin-Mitte. Das Material verschwand lange Jahre im Archiv, bis Böttcher zehn Jahre nach der Wende und auf der Grundlage der alten Aufnahmen KONZERT IM FREIEN entwickelte. Entstanden ist eine komplexe Collage aus dokumentarischen Aufnahmen der damals beteiligten Künstler und intensiven Beobachtungen der heutigen Besucher des Denkmalsensembles. Gerahmt, bespielt, strukturiert, erzählt wird der Film von den Musikern Günter "Baby" Sommer und Dietmar Diesner, die mit Perkussion und Saxophon durch den Film führen und ihn kommentieren. Eine musikalisch-improvisierte Auseinandersetzung mit Geschichte und Kunst in der neuen Mitte Berlins. MOI UN NOIR (Jean Rouch, F 1958, 12. & 13.10., Kopie aus den Beständen der Cinémathèque Afrique de l'Institut français) Fiktion, Improvisation und Dokument überlagern sich in Rouchs Cinéma-vérité-Vorläuferfilm, einem Porträt dreier junger Nigerianer, die sich Edward G. Robinson, Eddie Constantine und Tarzan nennen, ihre ländliche Heimat und ihre Familien zurückgelassen haben, um sich in Abidjan mit Gelegenheitsjobs durchzuschlagen. Der Fluss der stummen Aufnahmen wird spontan, mitreißend und immer wieder komisch vom Off-Kommentar eines der drei Protagonisten reflektiert, gespiegelt und unterlaufen. Godard nannte MOI UN NOIR einen "der mutigsten und zugleich bescheidensten Filme von unfassbarer Machart". MENSCHEN AM SONNTAG (Robert Siodmak, Rochus Gliese, Edgar G. Ulmer, D 1929/30, 14. & 21.10. am Klavier und im anschließenden Gespräch über Improvisation bei der Stummfilmbegleitung: Eunice Martins) Ein Regieensemble (unterstützt von Drehbuchautor Billy Wilder und Kameramann Eugen Schüfftan) trifft auf ein (Laiendarsteller-)Ensemble: Es entsteht ein neusachlicher "Wirklichkeitsfilm", die präzise Beschreibung eines Wochenendes im Leben von fünf jungen Berlinern. Am sommerfrischen Wannsee verschieben sich die Interessen, bilden sich Paare und verlieren sich wieder, werden neue Bekanntschaften gemacht und wird das nächste Wochenende geplant. Eine lebendige Collage aus dokumentarischen Aufnahmen und improvisierten Spielfilmszenen. NEUN LEBEN HAT DIE KATZE (Ula Stöckl, BRD 1968, 22. & 27.10.) Farbenprächtig und in Cinemascope gedreht, präzise beobachtet und lustvoll improvisiert, zeigt Stöckl episodische Situationsberichte von fünf Frauen: Katharina will ein Leben jenseits sentimentaler Zwänge, Anne überlegt, sich politisch zu engagieren, Gabriele verbündet sich mit dem Kommerz, Magdalena verteidigt ihren umtriebigen Mann und Kirke, die Erfindung einer Idealfrau, kann alle Männer in Schweine verwandeln. Allen gemeinsam ist der Wille zur Veränderung. Der "erste feministische Film" Deutschlands – ein Klassiker. QUATRE AVENTURES DE REINETTE ET MIRABELLE (Vier Abenteuer von Reinette und Mirabelle, Eric Rohmer, F 1986, 23. & 29.10.) Zeitgleich mit "Le rayon vert"entstanden und im Gegensatz zu diesem nur teilweise improvisiert, führt Rohmer in vier beschwingten Einzelepisoden zwei junge Frauen zusammen: die junge, prinzipientreue Künstlerin vom Lande, Reinette, und die großstädtische Studentin Mirabelle. Spaziergänge, das Erleben der "blauen Stunde", aber auch alltägliche Situationen geben den beiden Anlass für ausführliche Diskussionen, in der die grundverschiedenen Wahrnehmungsweisen und Ansichten nur selten zueinander finden. NORMAL LOVE (Jack Smith, USA 1963, 24. & 31.10.) Perlschnüre, Wunderkerzen, Räucherstäbchen, das Porträt einer Hollywood-Göttin – vor diesem Stilleben-Altar liegt ausgestreckt der Underground Superstar Mario Montez im Meerjungfrauen-Kostüm und beginnt – weitgehend improvisierend – mit den Gegenständen zu interagieren – Auftakt einer überbordenden Performance-Fantasy-Extravaganza in ländlichem Setting. NORMAL LOVE konzipierte Smith als "kommerziellen" Nachfolger zu FLAMING CREATURES. Das nie vollendete, inzwischen restaurierte Werk sollte aus sechs Sequenzen bestehen, die zum Teil von der Meerjungfrau inspiriert sind. (mg)

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