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Die Diskrepanz zwischen dem Alltagsleben und dem Ideal einer sozialistischen Gesellschaft führte zur Enttäuschung über den Stillstand beim Aufbau des Sozialismus. Dabei war die Kritik am herrschenden System durchaus konstruktiv zu verstehen. Der Angriff auf Autoritäten und offizielle Ideologien bestand im Einfordern einer egalitären Gesellschaft und der stetigen Weiterentwicklung der revolutionären Ideale. Weitab vom Helden des Partisanenfilms – der Partisanenkampf gegen die deutsche Besatzung gilt als Gründungsnarrativ des sozialistischen Jugoslawiens –, der in der Nachkriegszeit das jugoslawische Filmschaffen beherrschte, beleuchteten die Filme der Schwarzen Welle mit analytischer Schärfe und oft anarchischem Humor die Kehrseiten der Gesellschaft und schreckten dabei vor keinem Tabu zurück. Armut, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Schmutz und Gewalt standen im Zentrum ihrer Erzählungen, die oft von einer düsteren und fatalistischen Sichtweise geprägt waren. Das blieb nicht ohne Reaktion von offizieller Seite. Geprägt wurde der Ausdruck Schwarze Welle 1969 von einem Kulturfunktionär in der Zeitschrift Borba (Kampf), der sich abschätzig über Filme äußerte, die sich im Gegensatz zum Partisanenfilm (heute auch als Rote Welle bezeichnet) kritisch mit der jugoslawischen Gesellschaft auseinandersetzten. Želimir Žilnik wiederum eignete sich 1971 mit seinem Kurzfilm CRNI FILM (Schwarzer Film) den zur Diffamierung gedachten Begriff ironisch an. Obwohl es offiziell keine Zensur gab, verschwanden zahlreiche Filme in den Regalen und wurden Regisseure in ihrer Arbeit behindert.

Möglich wurde die Blütezeit des jugoslawischen Films durch die Dezentralisierung und Demokratisierung der Filmproduktion in den frühen 60er Jahren. Unter der Führung von Josip Broz Tito brach Jugoslawien 1948 mit dem Stalinismus und verfolgte einen Sonderweg zwischen Plan- und Marktwirtschaft, in dem Demokratie, Pluralismus und eine Öffnung zum Westen mit den Idealen einer gerechten Gesellschaft verbunden werden sollten. In diesem Klima war in den 60er Jahren eine enorme gesellschaftliche und politische Dynamik möglich, die zu intellektueller Freiheit und vielfältigen Avantgarde-
Bewegungen in Literatur und Kunst führte. Die meisten Regisseure der Schwarzen Welle begannen ihre Laufbahn als Amateure in den Filmklubs, die nach dem Krieg Teil einer emanzipatorischen Kulturpolitik wurden und in unterschiedlichen Städten aller jugoslawischen Republiken beheimatet waren.

Auch formal brachen die Regisseure des Neuen Jugoslawischen Films mit hergebrachten Formeln. Sie sprengten Genre- und Sujetgrenzen, suchten nach neuen, individuellen Ausdrucksformen und bewegten sich frei zwischen Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilm. In ästhetischer Hinsicht sind die Filme durchaus heterogen. Während Regisseure wie Aleksandar Petrović und Živojin Pavlović realistische, lineare Erzählungen bevorzugten, sind Želimir Žilniks Filme kühne Mischungen aus agitatorischen und dokumentarischen Elementen. In Dušan Makavejevs und Lazar Stojanovićs Filmen mischten sich collagenartig Archivaufnahmen und eigenes Material zu subversiven Montagen.

Heute sind die Filme der Schwarzen Welle kaum noch bekannt. Von wenigen berühmten Protagonisten wie Dušan Makavejev und Želimir Žilnik (die beide über die 70er Jahre hinaus tätig waren) abgesehen, sind die meisten Regisseure und Filme außerhalb des ex-jugoslawischen Territoriums in Vergessenheit geraten.

Mit der umfangreichen Retrospektive "Schwarze Wellen, rote Horizonte" möchten wir diese wichtige Episode des jugoslawischen Films näher beleuchten und freuen uns, mit Želimir Žilnik und Karpo Godina zwei wichtige Vertreter des Neuen Jugoslawischen Films im Arsenal begrüßen zu können. Einführungen und Vorträge über das Verhältnis von Liebe, Sex und Politik, über Arbeiterorganisation und die Repräsentation von Frauen im Sozialismus kontextualisieren die Filme. Wir eröffnen die Reihe mit einem Kurzfilmprogramm mit Filmen von Krsto Papić  und Želimir Žilnik (4.9., zu Gast: Želimir Žilnik).
ČVOR (Der Knotenpunkt, Krsto Papić, 1970) Ein neues, modernes Bahnhofsgebäude in der kroatischen Provinz, in dem nur die vielen Arbeitslosen stören – oder wie der enthusiastische Bahnhofsvorsteher klagt: Wieso müssen Filme immer nur das Schlechte zeigen?

CRNI FILM (Schwarzer Film, Želimir Žilnik, 1971) Eines Nachts liest Žilnik zehn (laut offizieller Diktion nicht existierende) Obdachlose von den Straßen Novi Sads auf und bringt sie zu sich nach Hause. Während sie sich in der zwei-Zimmer-Wohnung, die der Regisseur mit seiner Frau und der kleinen Tochter bewohnt, aufhalten, fragt Žilnik Passanten auf der Straße nach der Lösung des Problems. "Es ist ein Film über die Klassenstruktur der jugoslawischen Gesellschaft, aber auch über den Missbrauch sozial deklassierter Menschen für Filmzwecke; er zeigt die Ausbeutung sozialer Not durch den Filmemacher." (Ž. Ž.)

NEZAPOSLENI LJUDI (Die Arbeitslosen, Želimir Žilnik, 1968) Žilnik konfrontiert mehrere Arbeitslose mit einer Reihe von Fragen, die ein universelles Bild der Arbeitslosigkeit abgeben. Von sozialistischem Optimismus ist hier nichts zu spüren, dafür von der Enttäuschung über die ökonomischen Reformen.

USTANAK U JASKU (Aufstand in Jazak, Želimir Žilnik, 1973) Alte Bewohner eines Dorfes in der Vojvodina erinnern sich an den Krieg und die Partisanenkämpfe. Darüber hinaus erzählt der Film davon, wie kollektive Erinnerungen und Mythen in das Bewusstsein des Einzelnen eindringen.

NEKA SE ČUJE I NAŠ GLAS (Let Our Voices Be Heard Too, Krsto Papić, 1971) Ein liebevoller Blick auf Piratenradiosender, die mit viel Leidenschaft und Improvisationstalent von der Landbevölkerung in ihren Häusern betrieben und von der offiziellen Politik bekämpft werden.

NEMIRNI (The Naughty Ones, Vojislav Kokan Rakonjac, 1967, 5.9., Einführung: Vedrana Madžar & 11.9.) beginnt mit einem schweren Autounfall auf den Straßen Belgrads. Ermittlungen ergeben, dass vier Minderjährige das Auto gestohlen und den Unfall verursachten haben. Die junge Frau, die laut Augenzeugen am Steuer saß, ist aber nicht auffindbar – die Suche geht weiter. NEMIRNI, für den die Belgrader Band "Elipse" die Musik schrieb, gilt als erster jugoslawischer Rock'n'Roll-Film und ist in der Belgrader Gegenkultur der 60er Jahre angesiedelt. Der unerwartete Tod des Regisseurs mit nur 34 Jahren unter ungeklärten Umständen zwei Jahre nach Erscheinen des Films trug dazu bei, dass NEMIRNI Kultstatus erlangte. Im Unterschied zu den meisten Autoren der Schwarzen Welle, die ihre Filme hauptsächlich in ländlichen Gebieten drehten, ist Rakonjacs bevorzugtes Setting die Stadt. Sein Schaffen wird durch eine melancholische Atmosphäre charakterisiert, die mit Entfremdung und Veränderungen menschlichen Verhaltens unter neuen Umständen einhergeht.

PO ISTI POTI SE NE VRAĆAJ (Don’t Come Back By the Same Way, Jože Babič, 1965, 6. & 15.9.) Jože Babičs Filme wurden bislang nicht der Schwarzen Welle zugeordnet. Dennoch war er der einzige unter den damaligen Regisseuren, der eines der heikelsten Themen des sozialistischen Jugoslawien kritisch darstellte: PO ISTI POTI SE NE VRAĆAJ erzählt die Geschichte von einigen ungelernten Bauarbeitern aus armen und unterentwickelten Teilen Jugoslawiens wie Bos-nien und Herzegowina oder Mazedonien, die in Slowenien Saisonarbeit verrichten. In der hochentwickelten Republik, weit weg von Zuhause, entstehen für die Arbeiter Probleme mit ihren Familien, mit dem Alkohol, dem Spott vonseiten der lokalen Bevölkerung und den "wahren slowenischen Arbeitern".

SPECIJALNI VLAKOVI (Sonderzüge, Krsto Papić, 1972, 6. & 15.9.) schildert die Zugreise jugoslawischer "Gastarbeiter_innen" nach Deutschland. Im Münchner Hauptbahnhof finden sie sich in einem Kellerraum wieder, wo zur Registrierung ihre Namen durch eine Nummer ersetzt werden.

ČOVEK NIJE TICA (Man Is Not a Bird, Dušan Makavejev, 1965, 7. & 13.9.) Makavejev ist nicht nur einer der bekanntesten, sondern der wohl eigenwilligste und subversivste Regisseur der Schwarzen Welle. Sein Langfilmdebüt ČOVEK NIJE TICA erzählt vom Musterarbeiter Jan Rudinski, der in die Kupferminen der serbischen Provinzstadt Bor geschickt wird, um den Aufbau neuer Maschinen zu beaufsichtigen und die Produktion anzukurbeln. Obwohl er ganz auf die Arbeit konzentriert ist, gelingt es der jungen Friseurin Rajka (Milena Dravić), eine Liebesbeziehung mit ihm einzugehen. Auf der anderen Seite steht der trink- und streitfreudige Barbulovic, der in derselben Fabrik als einfacher Arbeiter tätig ist. Ein Hypnotiseur, der in die Stadt kommt, lässt sich als Kritik an den Glauben an einfache Wahrheiten und Ideologien lesen.

W. R. – MISTERIJE ORGANIZMA (W. R. – Mysteries of the Organism, Dušan Makavejev, Jugoslawien/BRD 1971, 8. & 18.9.) Das Meisterwerk Makave-jevs: Eine wild-aberwitzige, assoziative Montage aus dokumentarischem Material, inszenierten Passagen und Filmzitaten, in der Makavejev die These durchleuchtet, dass eine freie (kommunistische) Gesellschaft und freie Liebe untrennbar zusammengehören. In zwei Strängen erzählt er einerseits vom Leben und Werk des Psychoanalytikers und Sexualforschers Wilhelm Reich (1897–1957), dessen Konzept der orgastischen Potenz und der Orgon-Energie ihn zuerst unter den Psychoanalytikern Wiens, später im amerikanischen Exil zu einer umstrittenen Figur machten, und andererseits von der jungen Jugoslawin Milena, die seine revolutionäre Theorie der politischen Befreiung durch die sexuelle an einem dogmatischen sowjetischen Eiskunstläufer namens Wladimir Iljitsch in die Tat umzusetzen versucht. Das lustvolle Zertrümmern von politischen und sexuellen Tabus war der jugoslawischen Kulturpolitik zu gefährlich: W.R. wurde verboten, Makavejev war gezwungen, ins Ausland zu gehen, um weiterarbeiten zu können.

DAN VIŠE (Noch ein Tag, Vlatko Gilić, 1971, 8. & 18.9.) zeigt ein Schlammbad nahe der serbischen Kleinstadt Bujanovac, dessen Besuch Krankheiten heilen soll, darin Menschen, von Kopf bis Fuß mit Schlamm eingerieben und langsam im Wasser treibend: Vlatko Gilić schafft daraus eine gespenstische, surrealistisch anmutende Szenerie, deren eigentlich alltäglicher Charakter zu einer Allegorie des menschlichen Leidens und Strebens verdichtet wird.

RANI RADOVI (Frühe Werke, Želimir Žilnik, 1969, 9. & 30.9., Einführung: Antonia Majaca) Želimir Žilniks Langfilmdebüt, benannt nach den frühen Werken von Karl Marx („zusätzlicher Dialog: Karl Marx, Friedrich Engels“) ist eine Aufarbeitung der Hoffnungen der Studentenproteste in Belgrad 1968. Vier junge Menschen, drei Männer und eine Frau, ziehen mit einem klapprigen Auto aufs Land, wo sie die Bevölkerung zur Emanzipation und zum politischen Bewusstsein auffordern und die revolutionären Theorien in die Praxis umzusetzen versuchen. Frustriert vom Widerstand und ihren Misserfolgen folgt die Selbstzerstörung. Am Anfang steht das Wort "Komödie", und am Ende ein Ausspruch des französischen Revolutionärs Saint-Just: "Wer eine Revolution nur halb durchführt, schaufelt sein eigenes Grab!" Der so wütende wie ausgelassene Film gewann 1969 den "Goldenen Bären" der Berlinale.

TRI (Three, Aleksandar Petrović, 1965, 10. & 18.9.) In drei Kapiteln wird der Protagonist Miloš Bojanić im Krieg zwischen 1941 und 1944 aus jeweils unterschiedlicher Perspektive mit dem Tod konfrontiert. Im ersten Teil wird er Zeuge, wie ein Unschuldiger aufgrund der Hetze einer aufgebrachten Menschenmenge ermordet wird. Die zweite Episode zeigt ihn als Partisanen auf der Flucht vor den Deutschen. In der unwirtlichen, öden Landschaft, durch die er gejagt wird, spiegelt sich seine Einsamkeit und Verzweiflung, als er mitansehen muss, wie ein Genosse bestialisch ermordet wird. Das dritte Kapitel findet gegen Ende des Kriegs statt. Als desillusionierter Kommandant muss Miloš der Exekution einer jungen Kollaborateurin zustimmen. In eindringlichen, minimalistisch inszenierten Bildern hinterfragt Aleksandar Petrović den Mythos des Partisanenkampfes. TRI war im In- und Ausland sehr erfolgreich und brachte Petrović, einem der wichtigsten und produktivsten Regisseure der Schwarzen Welle, den Durchbruch.

ULOGA MOJE PORODICE U SVETSKOJ REVOLICIJI (Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution, Bato Čengić, 1971, 10. & 17.9.) Basierend auf dem gleichnamigen, 1969 veröffentlichten Roman von Bora Ćosić (der zusammen mit Bato Čengić auch das Drehbuch schrieb), ist der Film die satirische Betrachtung einer vom Kommunismus begeisterten großbürgerlichen Familie und deren Erlebnisse nach dem Einzug der Kommunisten in Belgrad. Während die Tochter sich in einen ernsthaften jungen Partisanen verliebt, schließt sich der Sohn enthusiastisch der kommunistischen Partei an, um für die Weltrevolution zu kämpfen. Obwohl die Segnungen des Kommunismus zunächst alle Erwartungen übertreffen (Schweizer Schokolade!), folgt bald die Enttäuschung. In einer Collage von Momentaufnahmen und in Form einer Musik-Nummern-Revue sprüht die "marxistische Revolutionskomödie mit Huldigungen an Karl und Groucho Marx" (Melbourne International Film Festival) vor anarchischem Witz.

KAD BUDEM MRTAV I BEO (When I Am Dead and Pale, Živojin Pavlović, 1967, 11. & 29.9., Vortrag: Gal Kirn) Ein prototypischer Anti-Held der Schwarzen Welle ist Jimmy Barka, ein junger Gelegenheitsarbeiter, der ziellos durch die Provinz streift, sich mit kleinen Diebstählen über Wasser hält, keine feste Beziehungen eingeht und immer nur seinen eigenen Vorteil im Blick hat. Großspurig versucht er sich als Sänger, was wie alles andere zum Scheitern verurteilt ist. In die jugoslawische Gesellschaft lässt er sich nicht integrieren und findet schließlich ein so schäbiges wie grausames Ende. In einem rauen, naturalistischen Stil und einer episodischen Struktur wirft Živojin Pavlović einen ironischen Blick auf eine prekarisierte Gesellschaftsschicht, für die die sozialistischen Versprechungen nicht viel mehr als hohle Propaganda sind.

NA OBJEDU (Bei der Mahlzeit, Vefik Hadžismajlović, 1972, 11.9.) Familien beim Tischgebet für ihre Familienmitglieder, die "ins ferne Ausland gezogen sind, um eine Brotkrume zu verdienen". (Vefik Hadžismajlović) Kurzfilmprogramm Karpo Godina (12.9., zu Gast: Karpo Godina & 23.9.) Karpo Godina (*1943) ist Kameramann, Regisseur, Cutter und Drehbuchautor. Er sorgte nicht nur mit seinen eigenen experimentellen Kurzfilmen für Furore, sondern führte auch bei zahlreichen Filmen seiner Kollegen die Kamera (z.B. RANI RADOVI, ULOGA MOJE PORODICE U SVETSKOJ REVOLICIJI). Sein Markenzeichen wurde die statische Kamera, durch deren Distanz zum Gefilmten seine subversive Ironie nur noch deutlicher wurde.

PICKNICK V NEDELJO (Picknick am Sonntag, 1968) schildert einen ausgelassenen Sonntag auf dem Land, bevölkert von skurrilen Charakteren und Ereignissen.

GRANITIRANI MOZAK PUPILIJE FERKEVERK (The Gratinated Brains Of Pupilija Ferkeverk, 1970) ist so absurd wie sein Titel und zeigt ein surreales Setting: Fünf junge Männer stehen in wechselnden Formationen im Wasser, eine Frau schaukelt, Schrifttafeln rufen zum Konsum von LSD auf. Der mit der slowenischen Performancegruppe "Pupilija Ferkeverk" gedrehte Film wurde als "dekadente Filmkunst" geschmäht und verboten.

ZDRAVI LJUDI ZA RAZONODU (Litanei der heiteren Leute, 1971) porträtiert Menschen vor ihren Häusern in der Vojvodina, wo unterschiedlichste Nationalitäten zusammenleben. An der Farbe der Häuser kann man die Herkunft ihrer Bewohner erkennen, Volkslieder erzählen von der Liebe zwischen den verschiedenen Völkern.

O LJUBAVNIM VESTINAMA ILI FILM SA 14441 KVADRATA (The Art Of Love Or a Film With 14441 Frames, 1972) stellt eine Einheit der jugoslawischen Armee mit ihren Übungsmanövern jungen Fabrikarbeiterinnen gegenüber, die in der gleichen Gegend arbeiten. Zu einem Kontakt zwischen den beiden Gruppen kommt es lediglich in Karpo Godinas Montage. Eigentlich eine Auftragsarbeit der jugoslawischen Armee, bildete der Film alles andere als den gewünschten militärischen Kampfgeist ab und wurde nach Fertigstellung sofort beschlagnahmt und vernichtet – Karpo Godina gelang es, eine Kopie zu retten.

NEDOSTAJE MI SONJA HENIE (I Miss Sonia Henie, 1972) Eine Gruppe internationaler Regisseure (Miloš Forman, Tinto Brass, Paul Morrisey, Buck Henry, Frederick Wiseman, Dušan Makavejev, Puriša Djordević, Bogdan Tirnacić) dreht in Belgrad zusammen einen Film. Jeder hat drei Minuten und eine fixierte Kamera mit dem gleichen Bildausschnitt eines Zimmers zur Verfügung plus der Vorgabe, dass der Satz "I miss Sonja Henie" (nach der norwegischen Eiskunstläuferin und Schauspielerin) fallen muss. Die acht Episoden wurden von Karpo Godina zu einem Film montiert.

DELIJE (The Tough Ones, Miodrag Mića Popović, 1968, 14. & 20.9.) Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kehren zwei Brüder, beide Partisanen, in ihr verbranntes und verwüstetes Dorf zurück. Sie gehören der Generation von Jugoslawen an, die verloren und emotional geschädigt aus dem Krieg zurückkehrte, ohne jegliche Zukunftsperspektive und unfähig, sich an Friedenszeiten anzupassen. Als Hoffnungslose, Marginalisierte und Rebellische sind sie typische Protagonisten der Schwarzen Welle. Obwohl die Besatzer besiegt sind, wenden sich die zwei Veteranenbrüder, die außer einem aus dem Befreiungskampf mitgebrachten Automatikgewehr nichts besitzen, dem Einzigen zu, was sie können – der Kriegsführung.

U ZAVJETRINI VREMENA (Im Windschatten der Zeit, Vlatko Filipović, 1966, 14. & 20.9.) Dokumentarfilm über ein kleines Dorf in den Bergen, in dem die Einwohner kaum Verbindungen zur Außenwelt haben. Sie leben ohne Strom, ohne Straßen, haben ihre eigene Lebens- und Arbeitsweise, 30 Kilometer von Sarajevo entfernt, 1440 Meter über dem Meeresspiegel.

JUTRO (Der Morgen, Puriša Đordjević, 1967, 16. & 23.9.) Am ersten Morgen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beginnen die Angehörigen der Partisaneneinheit in der Stadt Čačak, mit ihren politischen Feinden und „einheimischen Verrätern“ abzurechnen, so dass dieser lang ersehnte Morgen der Freiheit keineswegs die Ankunft des Friedens bringt. Exekutiert werden soll auch die ehemalige Freundin eines Kommandanten, weil sie unter Folter ihre Mitkämpfer_innen verraten haben soll. Sie ist von der Todesdrohung nicht eingeschüchtert, wird aber von Scham und der Befürchtung geplagt, an derselben Stelle am Fluss zu sterben, wo die jugoslawischen Partisanen und Partisaninnen von den deutschen Besatzern während des Krieges ermordet wurden. JUTRO gehört mit seiner modernistisch-fragmentarischen Erzählweise, den metaphorischen Dialogen und der expressiven Musik zu den wichtigsten Werken der Schwarzen Welle, obwohl Puriša Đorđević, der im Laufe seiner Karriere 60 Filme drehte, in der Filmgeschichtsschreibung zu Unrecht marginalisiert wird. Gleich nach Erscheinen wurden in der Öffentlichkeit Vorwürfe laut, JUTRO stelle Menschen und Ereignisse aus der Revolution in falscher Art und Weise dar und sei eine Beleidigung für Partisanenkämpfer.

PLASTIČNI ISUS (Plastic Jesus, Lazar Stojanović, 1971, 17. & 21.9.) Stojanovićs Abschlussfilm an der Belgrader Filmakademie ist eine freie Collage aus Archivmaterial und einer losen Spielfilmhandlung um den jungen Regisseur Tom, der nach Belgrad kommt, um einen Film zu drehen. In der Hauptrolle spielte der Künstler und Kommilitone Stojanovićs Tom Gotovac eine an eigene Erlebnisse angelehnte Figur, die sich mittellos durchs Leben schlägt, bei wechselnden Liebhaberinnen wohnt und am Schluss von einer von ihnen erschossen wird. Sequenzen aus Archivmaterial (Aufnahmen von verschiedenen Reden Titos, der faschistischen Regimes Kroatiens und Serbiens, Parallelmontagen von deutschen Besatzungstruppen und Partisanenverbänden) scheinen das Geschehen ironisch zu kommentieren und machten den Film zum Skandal: Lazar Stojanović wurde die „Verbreitung feindlicher Propaganda“ vorgeworfen und kam für drei Jahre ins Gefängnis, seinem Professor Aleksandar Petrović wurde die Lehrerlaubnis entzogen – der Schlusspunkt der Schwarzen Welle. PLASTIČNI ISUS wurde erst 1990 das erste Mal öffentlich vorgeführt.

KROS KONTRI (Cross Country, Puriša Đorđević, 1969, 19.9., Vortrag: Nebojša Jovanović & 22.9.) Nach seiner so genannten "Kriegstetralogie", seiner Reihe von Filmen über den Zweiten Weltkrieg und den Volksbefreiungskampf, zu denen auch JUTRO gehört, wandte sich Puriša Đorđević gegenwärtigen Themen bzw. dem Alltag im sozialistischen Jugoslawien zu. CROSS COUNTRY verfolgt auf satirische Art und Weise die Liebes- und Sportleistungen einer Pfarrerstochter. Jovana (Milena Dravić) beginnt Geländelauf zu trainieren, nachdem sie den Sport im Fernsehen gesehen hat, und entdeckt beim Training die Liebe zu einem jungen Bauern, aber auch zu anderen Männern. CROSS COUNTRY und mit ihm die Kritik an Geschlechterbeziehungen und -normen wurde bislang selten im Kontext der Schwarzen Welle verortet, wie auch die Repräsentation von Gender und Sexualität noch nicht als eines ihrer Schlüsselmerkmale anerkannt wird.

OD 3 DO 22 (From 3 To 22h, Krešo Golik, 1966, 19. & 22.9.) Von drei Uhr morgens bis zehn Uhr abends dauert der Arbeitstag einer jungen Arbeiterin. Vor und nach der Fabrikarbeit kümmert sich sie sich um den Haushalt, kocht, putzt, wäscht und versorgt das Kind.

SLIKE IZ ŽIVOTA UDARNIKA (Life Of a Shock Force Worker, Bato Čengić, 1972, 22. & 28.9.) Ähnlich wie die im Russland der Stalin-Ära initiierte Praxis des udarnici wurde der Begriff "shock force worker/Stoßarbeiter" (udarnici) auch in Jugoslawien eingeführt. Stoßarbeiter_innen arbeiteten üblicherweise mehr als zwölf Stunden pro Tag und oft unter lebensgefährlichen Umständen. Sie erhöhten die Produktion, dienten als Vorbild für die anderen Arbeiter_innen und wurden vom Staat hochgelobt. SLIKE IZŽIVOTA UDARNIKA erzählt die Geschichte von Adem, einem schwer arbeitenden, bosnischen Minenarbeiter, der als exemplarischer sozialistischer Arbeiter zahlreiche offizielle Auszeichnungen, Medaillen, nationale Popularität und Anerkennung erhalten hat. Obwohl Bato Čengić Adem mit großer Sympathie als einen Arbeiter darstellt, der sich für das Allgemeinwohl opfert, wirft er generell einen eher satirischen Blick auf diese vom Staat implementierte Praxis und den allseits verkündeten jugoslawischen Fortschritt. Die Bildsprache mit ihren tableaux vivants realisierte unverwechselbar Karpo Godina, hier auf dem Höhepunkt seines Schaffens.

VESELA KLASA (Merry Working Class, Bojana Makavejev, 1969, 22. & 28.9.) Bojana Makavejev war die einzige Frau, die als Regisseurin im stark männlich dominierten Umfeld der Schwarzen Welle arbeitete. In VESELA KLASA begleitet sie Arbeiter_innen in ihre Fabriken und zeigt, wie sie ihre Freizeit verbringen: malend, lesend, diskutierend (al/vm) Die Reihe wurde kuratiert von Annette Lingg und Vedrana Madžar. Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.

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