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MOROCCO (Josef von Sternberg, USA 1930, 1. & 12.4.) Marlene Dietrich im Frack! Was längst zum Inbegriff Dietrich’scher Eleganz und ihres Spiels mit Extravaganz, Gewagtheit, Glamour und Erotik geworden ist, verursachte zunächst einen unvorstellbaren Skandal, der nicht zuletzt dadurch befeuert wurde, dass Marlene Dietrich in ihrer Frack-Szene nicht nur zwei Männer verführt, sondern auch eine Frau küsst. Schauplatz ist eine Bar in Marokko, in der die Nachtclub-sängerin Amy Jolly (M.D.) auftritt. Die beiden Männer sind ein reicher Gentleman mit Heiratsabsichten (Adolphe Menjou) sowie ein Fremdenlegionär (Gary Cooper), dem Amy schließlich in die Wüste folgt. Ein Film der Leidenschaft, der Suggestionskraft, des Abenteuers. Als Vorfilm zeigen wir DRESS REHEARSAL & KAROLA 2 (Christine Noll Brinckmann, BRD 1980), ein Film über Kleidung und Selbstdarstellung, kreativen Narzissmus und seine emotionale und formale Verarbeitung im Film.

WORKING GIRL (Mike Nichols, USA 1988, 2. & 4.4.) Die ambitionierte Sekretärin Tess McGill (Melanie Griffith) aus Staten Island will mehr. In Abendkursen hat sie ein Studium absolviert und ist wild entschlossen, in der Finanzwelt Manhattans zu reüssieren, wird von ihren sexistischen Chefs aber nicht ernst genommen. Gegen Vorurteile ankämpfend, nutzt sie gewitzt ihre Chance, als ihre neue Chefin durch einen Unfall ausfällt, und fädelt einen großen Business-Deal ein. Beim (zunächst erschwindelten) Aufstieg in die corporate world verändert sich Tess auch äußerlich: Es verschwinden die breiten Schulterpolster, die hochtoupierten Haare, das grelle Make-up, der auffällige Schmuck, und machen einer raffinierteren Eleganz Platz.

FREAK ORLANDO – KLEINES WELTTHEATER IN FÜNF EPISODEN (Ulrike Ottinger, BRD 1981, 2. & 21.4.) Einen Bogen von mythologischer Vorzeit bis ins 20. Jahrhundert schlägt Ulrike Ottinger in ihrem „kleinen Welttheater“, das vom Leben und Sterben der Freaks, Abnormen und Außenseiter erzählt, von Irrtümern, Inkompetenz, Machthunger, Angst, Wahnsinn, Grausamkeit und Alltag. Die episodische Zeit- und Weltreise, angeführt von Orlando (Magdalena Montezuma), beginnt in einem Kaufhaus mit einem Ausverkauf der Mythen und endet auf einem Festival des Hässlichen. Ottingers fantastische, ungeheuer detailreiche Bildcollagen werden nicht zuletzt von den außergewöhnlichen, von der Regisseurin selbst entworfenen Kostümen geprägt, die das Gezeigte ironisch kommentieren, opulent unterwandern oder zuspitzen.

DRAGON INN (King Hu, Taiwan 1969, 5. & 17.4.) China während der Ming-Dynastie 1457: Verteidigungsminister Yu wird von seinem Gegner, dem Obereunuchen Zhao, hingerichtet, seine Kinder des Landes verbannt. An der einsamen Herberge zum Drachentor wird ihnen ein Hinterhalt gelegt, doch ihre Unterstützer eilen zur Hilfe. DRAGON INN revolutionierte das wuxia-Genre mit kunstvoll choreografierten, tänzerisch leichten Schwertkämpfen, in denen die Kämpfenden wie von der Schwerkraft befreit wirken. Die bunten, bei jeder Bewegung mitschwingenden Gewänder der Protagonist*innen kontrastieren mit der kargen Steppenlandschaft, in der sich die Kämpfe abspielen.

FUNNY FACE (Ein süßer Fratz, Stanley Donen, USA 1957, 8. & 13.4.) Der Fotograf Dick Avery (Fred Astaire) möchte die unscheinbare Buchhändlerin Jo (Audrey Hepburn) zum Fotomodell für das Modemagazin Quality aufbauen. Die an Mode gänzlich uninteressierte Jo kann einzig mit einer Reise nach Paris gelockt werden. Dort nämlich verkehren ihre intellektuellen Helden, die Vertreter des „empathicalism“, die sich schwarz kleiden und in düsteren Kellern zu zigarettengeschwängerten Diskussionen treffen. Das kontrastiert mit dem „Think Pink!“, das die Moderedakteurin als Devise ausgibt und vom Film in den schönsten Farbexzessen in leuchtendem Technicolor erfüllt wird.

TRUE STORIES (David Byrne, USA 1986, 9. & 16. 4.) Dass der Grad zwischen den kleinbürgerlichen Polyester-Bekleidungswelten und einer exzentrischen Mode-Implosion gerade mal so breit wie ein Laufsteg sein kann, zeigt eine der originellsten Modeschauen der Filmgeschichte, die Byrne, gleichermaßen Regisseur und Bandleader, Gitarrist und Sänger der „Talking Heads“ im fiktiven texanischen Städtchen Virgit an-siedelt. Inmitten einer gesichtslos-cleanen Shopping Mall und im Rahmen der städtischen „Celebration of Specialness“ werden in aller Selbstverständlichkeit hinreißende Plastik-Regenoutfits in strahlendem Gelb, pastellfarbene Tüll- und Rüschenträume für Übergrößen-Träger*innen, kleidsame Echt-Rasen-Anzüge für die gesamte Familie und schließlich wagenradgroße Seerosenteich-Hüte, Hochzeitstorten-Etui-Kleider und tragbare, dorische Säulen präsentiert – die Provinz als letzte Bastion der Avantgarde und als Wiege einer Reihe von so originellen wie unterhaltsamen „true stories“ aus dem Byrne’schen Universum.

SALOMÉ (Charles Bryant, USA 1923, 10. & 18.4., am Klavier: Eunice Martins) Oscar Wildes gleichnamiger Einakter, lose auf der biblischen Geschichte um König Herodes und die Enthauptung von Johannes des Täufers beruhend meets Aubrey Beardsley. Die Illustrationen des britischen Grafikers dienten Natascha Rambowa als Ausgangspunkt für die von ihr gestalteten extravaganten Dekors und beeindruckenden, aus feinsten Stoffen gefertigten Kostüme. Produzentin und Hauptdarstellerin des hochstilisierten, experimentellen Werks war die russische Schauspielerin Alla Nazimova, die mit SALOMÉ eines ihrer Herzensprojekte realisierte und die Titelrolle verkörperte – „ein legendärer Film der queeren Filmgeschichte“ (Marc Siegel) oder auch: „Nancy-Prancy-Pansy-Piffle and just too queer for words“ (Kenneth Anger).

SOME LIKE IT HOT (Billy Wilder, USA 1959, 11. & 15.4.) Ein unfreiwilliges Zusammentreffen mit schießwütigen Mafiagangstern im Chicago der späten 20er Jahre lässt die draufgängerischen Jazzmusiker Joe (Tony Curtis) und Jerry (Jack Lemmon) beherzt zu Frauenkleidern greifen und sich von einer Frauencombo auf dem Weg nach Florida anheuern. Was als rasante Gangsterstory beginnt, wird unversehens zu einer nicht weniger temporeichen, dabei rasend komischen und exzessiven Travestie, bei der Kleider, Rollen und Geschlechter mehrfach getauscht, Perspektiven gewechselt und Verwandlungen vollzogen werden. Zugige Röcke, kneifende Badeanzüge, abgerissene BHs und mörderische Pumps – konfrontiert mit den Herausforderungen der Damenbekleidung der späten 20er sowie der hinreißend romantisch-naiven Sängerin Sugar (Marilyn Monroe) keimt bei Joe alias Josephine und Jerry aka Daphne bald Mitgefühl und Verständnis für die „andere Hälfte“.

BLOW UP (Michelangelo Antonioni, I/GB 1966, 14. & 20.4.) Models und Mode, das London der Swinging Sixties und die Mod- & Beat-Kultur der 60er Jahre (auf die die Distributionsstrategie des Films ausgerichtet wurde) bilden das Fadenkreuz, in dem sich Antonionis erster außerhalb Italiens gedrehter Film bewegt. Qua Beruf ist Modefotograf Thomas (David Hemmings) Teil dieser mode- und stilbewussten Szene. Er arrangiert, choreografiert und fixiert ihren schönen Schein, versucht ihm gleichzeitig jedoch auch zu entkommen. Auf der Suche nach neuen Motiven meint er Zeuge eines Mordes geworden zu sein. Im Zuge seiner Recherche verschwimmen Realität und Imagination, die vermeintlichen fotografischen Beweisstücke gerinnen zur Projektion.

FÜR DIE LIEBE NOCH ZU MAGER? (Bernhard Stephan, DDR 1974, 19. & 22.4) „Der Film beginnt mit einem Song der Renft-Combo: Ja, was machen denn die Leute, wenn sie keine Fahne tragen? – und beantwortet diese Frage nach dem privaten Menschen dann auch ganz wörtlich: Sie tragen die durchsichtige grüne Bluse von Tante Rosa aus dem Westen oder die echte Levis. Oder sie tragen die falschen Sachen wie die brave Textilarbeiterin Susanne, deren Emanzipation als modischer Selbstfindungsprozess filmisch sichtbar gemacht wird. Vielleicht müsste so ein sozialistischer Kostümfilm aussehen: von der Produktion her erzählt. Keine Aschenputtelgeschichte, sondern eine materialistische Romanze, die Attraktivität als Spannung von Räumen und Texturen denkt.“ (Stella Donata Haag)

NORMAL LOVE (Jack Smith, USA 1963 | 23.4.) Perlschnüre, wallende Tücher in üppigen Farben, Wunderkerzen, Räucherstäbchen, das Porträt einer Hollywood-Göttin – vor diesem Stillleben-Altar liegt ausgestreckt der Underground-Superstar Mario Montez im Meerjungfrauen-Dress – fulminanter Auftakt der überbordenden Performance-Fantasy-Extravaganza in ländlichem Setting, an der u.a. auch Angus MacLise, Beverly Grant, Francis Francine, Tony Conrad, Tiny Tim, John Vaccaro, Diane Di Prima und Andy Warhol mitwirkten. Von Smith nie vollendet, existiert NORMAL LOVE mittlerweile als restaurierte Version, die auch als opulentes „Kostüm-Epos“ gesehen werden kann, voller juwelenbesetzter Roben, Spitzentücher und bunter Bänder – eine visionäre Aneignung, Huldigung und Beschwörung des Exzesses.

ZAPATAS BANDE (Urban Gad, D 1914, 24. & 27.4., am Klavier: Eunice Martins) Das Eskimobaby (Heinz Schall, D 1917, 24. & 27.4., am Klavier: Eunice Martins) Asta Nielsen – Schauspielerin, Filmautorin, Produzentin – gilt als erster Kino-star der Filmgeschichte und Filmkünstlerin von größter internationaler Bedeutung. Nachdrücklich begleitete sie die unterschiedlichsten Bereiche der Filmproduktion, so auch die Herstellung der Filmkostüme, die sie nicht selten selbst gestaltete, so höchstwahrscheinlich auch für ZAPATAS BANDE, in dem sie eine fulminante Hosen-Rolle spielt. In ZAPATAS BANDE wird ein Filmteam nach Italien geschickt, um dort ein „Zigeunerdrama“ in möglichst „echter“ Umgebung zu filmen. Zur selben Zeit macht eine veritable Räuberbande die Gegend unsicher. Während die Schauspieler drehen, bemächtigen die Räuber sich ihrer Zivilkleider und kommen so unbemerkt über die Grenze. Die Schauspieler werden im Gegenzug für die richtigen Räuber gehalten und von der Polizei festgenommen. In Fellhosen und im Norwegerstricklook spielt Asta Nielsen in DAS ESKIMOBABY eine aus Grönland ins deutsche Kaiserreich verbrachte Inuit, die als ethnographisches Schauobjekt die Berliner Gesellschaft in punkto Kleiderordnung und Verhalten gründlich durcheinanderbringt.

L’ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD (Letztes Jahr in Marienbad, Alain Resnais, F/I 1961, 25. & 28.4.) Man könnte denken, dass Lagerfeld mit der Schau seiner Frühjahr/Sommer-2011-Kollektion einem wichtigen Klassiker des französischen Films seine Referenz erweisen wollte: Dekor, Musik, Farb(Schwarzweiß)- und Formgebung standen ganz im Zeichen von Resnais’ filmischem nouveau roman. Lagerfelds Hommage galt über den Film hinaus jedoch in erster Linie der Modeschöpferin Coco Chanel, die die Kostüme der Hauptdarstellerin des Films, Delphine Seyrig, entworfen hatte. Ihre Entwürfe umfassen klare, strenge Roben, ebenso wie verspielte romantische, mit Federn, Tüll und wallenden Stoffen operierende Kleider, die ihre Entsprechung sowohl in der Architektur des Filmschauplatzes, einem prächtigen Barockschloss, der Erstarrung der Figuren als auch in der labyrinthischen Struktur des Films finden. (al/mg)

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