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Der Autor, Regisseur und Produzent Michael Mann (*1943) ist einer der herausragenden amerikanischen Filmemacher unserer Zeit. Mit großem künstlerischen Formwillen und hand-werklicher Präzision hat er in den letzten vier Jahrzenten neue Maßstäbe im Genrekino gesetzt. Kennzeichnend für seine visuell ambitionierten Filme, die mehrfach in Zusammenarbeit mit dem Kameramann Dante Spinotti entstanden, sind eine sinnenfreudige Begeisterung für Bewegung, eine exponierte Farbdramaturgie sowie ein besonderes Gespür für Musik. Aufgrund seiner intensiven Vorbereitung, akribischen Recherche und einem Hang zur Perfektion wurde Mann wiederholt mit Stanley Kubrick verglichen. Die Hingabe an ein professionelles Ethos ist denn auch ein zentrales Thema in Manns Werk. Die Definition von Menschen über ihre Arbeit, das Verhältnis von Arbeit und Moral, Arbeit und Männlichkeit sowie Einzelgängertum und Einsamkeit sind weitere wiederkehrende Motive. Das Arsenal zeigt, begleitet von Einführungen, alle zwölf Kinofilme Michael Manns.

HEAT (USA 1995, 11.9., Einführung: Verena Lue-ken & 17.9.) Neil McCauley (Robert De Niro) führt mit großer Präzision und kleinem Team riskante, nach Möglichkeit unblutige Überfälle durch. Der erste Einsatz eines neuen Komplizen kostet jedoch drei Wachmännern das Leben. Lieutenant Vincent Hanna (Al Pacino) vom Morddezernat nimmt die Fährte auf. Michael Manns Meisterwerk, ausschließlich on location in Los Angeles gedreht, ist die Charakterstudie zweier Männer, die wie ein Spiegelbild die Kehrseiten des Verbrechens bilden (Hanna: „Ich bin, was ich jage.“). Der bis in die Nebenrollen erstklassig besetzte Thriller führt das Genre an seine Grenzen und darüber hinaus, angefangen von der epischen Länge bis zur vielschichtigen Charakterzeichnung und der existenziellen Grundspannung zwischen den Protagonisten. „Es sind (…) Einstellungen von überraschender kontemplativer Qualität, die ungewöhnlich starke Präsenz der Frauen, Unterspielungen sonst eher übertrieben extrovertierter Genre-Figuren (…), die das Geschehen vom üblichen Actionfilm mehr und mehr wegführen und die Handlung unmerklich zum Synonym für das Leben am Ausgang des 20. Jahrhunderts werden lassen.“ (Franz Everschor)

THE JERICHO MILE (USA 1979, 12. & 14.9.) Larry „Rain“ Murphy (Peter Strauss) sitzt für die Tötung seines gewalttätigen Vaters eine lebenslängliche Haftstrafe ab. Im Gefängnis versucht er den rivalisierenden Gruppen aus dem Weg zu gehen und dreht einsam seine Laufrunden im Hof. Nach einer gestoppten Weltklasse-Zeit über die Meilendistanz will die Anstaltsleitung Murphy für die Teilnahme an den Olympischen Spielen anmelden. Michael Mann drehte mit zehn Schauspielern und 600 Häftlingen im kalifornischen Folsom Prison, das erstmals eine Drehgenehmigung innerhalb seiner Mauern erteilte. Die Bezahlung der Insassen – die wie die Wärter Gelegenheit bekamen, das Drehbuch auf seine Realitätstauglichkeit zu überprüfen – ermöglichte einen während der Dreharbeiten geltenden Waffenstillstand zwischen den Banden. Der Erfolg der mit mehreren Preisen ausgezeichneten TV-Produktion zog einen Kinostart in mehreren Ländern nach sich, u.a. in beiden deutschen Staaten.

THIEF (USA 1981, 12. & 25.9.) Juwelendieb Frank (James Caan) ist ein Profi, der mit seinen Partnern Barry (James Belushi) und Joseph Safes ausraubt. Als Gangsterboss Leo ihm eine mil-lionenschwere Zusammenarbeit anbietet, zögert der Einzelgänger Frank, übernimmt aber schließlich Auftragsarbeiten, um seine bürgerlichen Träume schneller verwirklichen zu können. Leo verschafft ihm ein Haus und ein Adoptivkind – und beginnt gleichzeitig, ihn auszubeuten. Bis Frank einen Rachefeldzug startet. Die Klarheit und Eleganz sowie das hohe technische Niveau der Inszenierung seines atmosphärisch dichten Kino-Debüts brachten Michael Mann internationale Anerkennung ein.

THE LAST OF THE MOHICANS (USA 1992, 13. & 15.9.) 1757 ringen auf einem der verschiedenen Schauplätze des Siebenjährigen Krieges Engländer und Franzosen um die Herrschaft in Nordamerika. Im Mittelpunkt des Kolonialkriegsepos’, frei nach James Fenimore Cooper, steht Hawkeye (Daniel Day-Lewis), weißer Adoptivsohn des Mohikanerhäuptlings Chingachcook. Zusammen mit seinem Halbbruder Uncas versucht er, die beiden entführten Töchter des britischen Offiziers Munro vor dem Huronenhäuptling Magua (Wes Studi) zu schützen, der Rache für den Tod seiner Familie geschworen hat. -„Michael Mann erzählt die Geschichte der Kolonisationskriege nicht nur clever, weil seine Sequenzen nie völlig von einem politischen Subtext zu lösen sind, er inszeniert sie auch erstaunlich souverän – erstaunlich, weil man dem vermeintlichen ‚Großstadtregisseur‘ den Umgang mit den Landschaften nicht zugetraut hätte. Mit dem Blick für die Weite und die Schönheit der Wälder, aber auch für den Zusammenhang zwischen den Menschen und der Natur, in der sie sich bewegen, oft bis ins kleinste physische Detail realisiert, kehrt der Film schließlich doch zu den Romanen Coopers und selbst zu den Freiheitsträumen der Leseabenteuer zurück.“ (H.G. Pflaum)

THE KEEP (GB 1983, 13. & 18.9.) 1941 nimmt der Wehrmachtsoffizier Woermann (Jürgen Prochnow) zur Bewachung eines Bergpasses mit seinen Soldaten Quartier in einer alten Festung in den Karpaten. Die Wände des pyramidenartigen Gemäuers scheinen eine mysteriöse unbekannte Macht zu bergen, die nachts auf grausame Weise Soldaten tötet. Als auf einer der Mauern eine Schrift in einer alten Sprache erscheint, lässt der SS-Offizier Kaempffer den Gelehrten Prof. Cuza aus dem KZ holen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Das „Märchen über die Natur des Faschismus“ (Michael Mann) mit Anleihen beim Horror- und Kriegsfilmgenre entstand unter schwierigen Produktionsbedingungen und wurde vom Studio gegen den Willen des Regisseurs um 24 Minuten gekürzt.

THE INSIDER (USA 1999, 16.9., Einführung: Peter Körte & 22.9.) Der ehemalige Forschungsleiter eines großen Tabakkonzerns, Jeffrey Wigand (Russel Crowe), berichtet in einem Fernsehinterview dem Journalisten Lowell Bergman (Al Pacino), dass die Tabakindustrie ihre Zigaretten mit suchtverstärkenden Stoffen anreichert. Wigand ist daraufhin Psychoterror und direkter Bedrohung ausgesetzt, der Fernsehsender CBS lehnt die Ausstrahlung des Interviews wegen Gefährdung finanzieller Interessen ab und beurlaubt Bergman. THE INSIDER, eine Geschichte nach wahren Begebenheiten über die Macht der großen Konzerne und den Niedergang des unabhängigen Journalismus, ist ein atemberaubender Politthriller, der nur aus Dialogen besteht, ein Actionfilm ohne Schießereien und Verfolgungsjagden.

MANHUNTER (USA 1986, 18. & 25.9.) Nacheinander sind bei Vollmond zwei Familien grausam ermordet worden, außer Gebissabdrücken hat der Täter keine Spuren hinterlassen. Die ratlose Polizei bittet den ehemaligen FBI-Profiler Will Graham um Hilfe, der über die Gabe verfügt, sich in die Gedankenwelt psychopathischer Krimineller versetzen zu können. Graham hatte vor einigen Jahren den Serienkiller Hannibal Lecktor hinter Gitter gebracht, musste sich danach aber in psychiatrische Behandlung begeben und den Dienst quittieren. „Michael Mann überträgt seine für die Fernsehserie Miami Vice entwickelte Oberflächenästhetik in einen reduzierten, mit schlafwandlerischer Präzision inszenierten High-Concept-Thriller. William Petersen als der gleichzeitig getriebene und ermattete Polizist und Tom Noonan als vampirartiger Serienkiller driften durch monochrome Innenräume, in den Außenszenen verlieren sich ihre Konturen oft völlig in der Dunkelheit. Kalte, aber gerade in ihrer vermeintlichen Stasis quicklebendige Bilder sind das, gleichzeitig berückend elegant und potenziell todbringend, Bilder, die wie der sedierte Tiger anmuten, über dessen Fell Joan Allen in einer besonders schönen Szene ihre Hand gleiten lässt.“ (Lukas Foerster)

ALI (USA 2001, 20. & 23.9.) Der von einem spezifischen Beat geprägte, mit einem Sam-Cooke-Medley startende Film widmet sich den zehn ereignisreichen Jahren im Leben von Cassius Clay / Muhammad Ali (Will Smith) zwischen 1964 und 1974: erster Schwergewichtsweltmeistertitel durch den Sieg über Sonny Liston, Eintritt in die Nation of Islam, Gefährtenschaft von Malcolm X (Mario Van Peebles), Verweigerung des Kriegsdiensts in Vietnam („Ain’t got no quarrel with the Vietcong. No Vietcong ever called me nigger“), die daraus resultierende Aberkennung des Weltmeistertitels sowie der Entzug der Reisefreiheit, schließlich die triumphale Rückeroberung des Titels im Kampf gegen George Foreman, dem „Rumble in the Jungle“ in Kinshasa.

PUBLIC ENEMIES (USA 2009, 21. & 27.9.) 1933/34 halten John Dillinger (Johnny Depp) und seine Bande den Mittleren Westen der Vereinigten Staaten durch Banküberfälle in Atem. J. Edgar Hoover nutzt die so bezeichnete „Crime Wave“ als Gelegenheit, die Bundespolizei gegen alle Widerstände aufzurüsten und die Fahndungsmethoden des von ihm geleiteten, neu geschaffenen FBI zu professionalisieren. Michael Mann interessiert sich in seinem mit hochauflösender Digitalkamera gedrehten Gangsterfilm für die Ursprünge des Pop-Mythos „Staatsfeind Nr. 1“ vor dem Hintergrund der großen Depression und des Strukturwandels in den USA. Dillinger war die erste zum „public enemy“ erklärte Person – mit der ein Teil der Bevölkerung durchaus sympathisierte. Als sein Gegenspieler fungiert Hoovers Vertrauter Melvin Purvis (Christian Bale), der später Inspiration für die Comic-Figur Dick Tracy war.

MIAMI VICE (USA 2006, 24. & 26.9.) Nach dem Mord an zwei FBI-Agenten in Südflorida wird ein Maulwurf in den eigenen Reihen vermutet. Zwei verdeckte Ermittler aus Miami, Ricardo Tubbs (Jamie Foxx) und James „Sonny“ Crockett (Colin Farrell), sollen die Morde aufklären und sich als vermeintliche Drogentransporteure in den engeren Kreis um den kolumbianischen Drogenbaron Arcángel de Jesús Montoya und dessen Gefährtin Isabella (Gong Li) einschmuggeln. Gut 20 Jahre nach der gleichnamigen Fernsehserie, an der er als ausführender Produzent maßgeblich beteiligt war, drehte Michael Mann in grobkörnigen Bildern und kalten Farben einen rasanten Neo-Noir-Thriller, der mit der TV-Serie wenig gemein hat: „keine Flamingos, Bikinischönheiten, Gastauftritte der alten Fernsehstars, hellblaue Armani-Anzüge und Latino-Pop, sondern Hip-Hop, dunkle Hemden zu gedeckten Anzugfarben und international agierende Drogenbosse und Neonazis (…) Wenn die Fernsehserie pastellfarbener Pop war, dann ist der Kinofilm düsterer Free Jazz.“ (Ulrich Kriest)

COLLATERAL (USA 2004, 26. & 30.9., Einführung: Ulrich Kriest) Max (Jamie Foxx) arbeitet seit zwölf Jahren als Taxifahrer in Los Angeles und träumt vom eigenen Limousinen-Service. Sein Leben erfährt eine einschneidende Wendung, als ihm ein Fahrgast (Tom Cruise) 600 Dollar für seine Chauffeurdienste in der anbrechenden Nacht bietet. Bei der ersten angesteuerten Adresse wird Max klar, dass er es mit einem Profikiller zu tun hat, der, ortsunkundig, im Auftrag eines Drogenkartells in der Nacht vor der Gerichtsverhandlung die vier wichtigsten Zeugen und die Staatsanwältin ermorden soll. In ihrer wechselseitigen Abhängigkeit tauschen sich die beiden unterschiedlichen Charaktere im Taxi über existenzielle Fragen des Lebens aus. Neben Tom Cruise (in einer seltenen Rolle als bad guy) und Jamie Foxx ist das nächtliche Los Angeles der dritte Protagonist des Films – ein Thriller mit Anklängen an den amerikanischen und französischen Film noir, einer beeindruckenden Musikalität, nächtlicher Poesie und atemberaubend choreografierten Actionszenen.

BLACKHAT (USA 2015, 27. & 28.9.) Durch die von einem „Blackhat“ eingeschleuste Malware kommt es in einem Atomkraftwerk in Hongkong zu einer schweren Explosion. Zeitgleich verübte Cyber-Anschläge in den USA scheitern. Chinesische Experten und FBI-Agenten fahnden nach dem Attentäter und stellen dem inhaftierten Meister-Hacker Nicholas Hathaway für seine Mitarbeit Straferlass in Aussicht. Durch die Besetzung Hathaways mit „Thor“-Darsteller Chris Hemsworth bricht Michael Mann mit der landläufigen Vorstellung des schmächtigen Computer-Nerds, dessen Stärken nicht im sozialen Umgang mit anderen Menschen liegen. „Es passt dazu, dass Michael Mann sich generell zum Ziel gesetzt zu haben scheint, das Greifbare, Körperliche gegen das Digitale zu verteidigen: Sein Film über die Virtualisierung von Verbrechen setzt ganz entschieden auf Körperlichkeit und Sinnlichkeit. Das zeigt sich in den gewohnt handfesten Shoot-outs, in den Liebesszenen wie auch in Momenten des Innehaltens, wenn Hathaway auf dem Weg in die Freiheit kurz stehen bleibt, um die Weite der flachen Landschaft auf sich wirken zu lassen.“ (Felicitas Kleiner) (hjf)

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