Robert Gardners (1925–2014) Filme sind Reflexionen über die menschliche Existenz, den Kreislauf des Lebens, den Umgang mit dem Tod und das Verhältnis der Geschlechter. Gleichzeitig suchen sie nach einem tieferen Verständnis dessen, was Menschsein bedeutet. Sein radikal subjektiver Blick und sein poetischer Stil verleihen seinen Filmen eine expressive Kraft, die sie zu Klassikern des ethnologischen und dokumentarischen Kinos werden ließen. Ihre Intensität gründet auf der puren Schönheit seiner Bilder und der emotionalen und sinnlichen Einbettung der Zuschauer_innen in ein visuelles und akustisches Universum.
Robert Gardner wandte sich nach seinem Studium der Anthropologie dem Filmemachen zu und drehte 1951 seinen ersten kurzen Dokumentarfilm über die Kwakiutl in einem Dorf auf Vancouver Island. Mit dem Harvard Film Study Center, das er von 1957 bis 1997 leitete, etablierte er das erste Zentrum der filmischen Anthropologie in Nordamerika, wo er nicht nur seine eigenen, sondern auch zahlreiche andere Filme produzierte. Geprägt von filmischen Vorbildern wie Andrej Tarkowskij und Basil Wright, an denen er ihre Fähigkeit bewunderte, die menschliche Seele in bewegten Bildern zu erkunden, verband sich seine anthropologische Ausbildung mit seinen literarischen und philosophischen Neigungen zu einem tiefen Interesse für die Strukturen von Gesellschaften und das Universelle im Fremden. Dabei wandte Gardner den Blick stets auch auf seine eigene Gesellschaft. In einer Reihe von Künstlerporträts beleuchtete er den kreativen Schaffensprozess. Dieses Interesse an Künstler_innen seiner Generation zeigte sich auch in der von ihm verantworteten und im Fernsehen ausgestrahlten Screening-Room-Reihe, die von 1973 bis 1980 zahlreiche Filmemacher_innen vor allem aus dem experimentellen und dokumentarischen Bereich zu langen Gesprächen einlud.
Sein erster langer, 1963 entstandener Film DEAD BIRDS ist noch ganz von einem subjektiven Kommentar, einer linearen Narration und dramatischen Struktur getragen. Im Laufe seiner Karriere gerieten der Dialog und eine geschlossene Erzählung immer stärker in den Hintergrund und machten einer offeneren und assoziativen Filmsprache Platz, in der neben der Wiederholung und Verbindung visueller Motive ein Hervorheben der akustischen Umgebung eine große Rolle spielten. Seinen Höhepunkt fand das in seinem formal radikalsten Film, FOREST OF BLISS (1985), eine Erkundung vom Leben und Sterben in der heiligen indischen Stadt Benares.
Der Einfluss Gardners auf das dokumentarische und ethnografische Filmschaffen zeigt sich im ebenfalls an der Harvard-Universität angesiedelten Sensory Ethnography Lab (das 2012 mit "Leviathan" von Véréna Paravel und Lucien Castaing-Taylor einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde). Wie Gardner stellen die dort entstandenen und entstehenden Filme nicht die analytische Erkenntnis, sondern die Produktion einer ästhetischen Erfahrung und einer unmittelbaren, sinnlichen Wahrnehmung der Welt in den Mittelpunkt.
Wir zeigen die drei wichtigsten Langfilme von Robert Gardner, zwei kürzere Arbeiten und eine Hommage des Experimentalfilmers Robert Fenz.