Fließende Zeichenkaskaden, rotierende Worte, tänzelnde Buchstaben, gekratzt, gestanzt, doppelbelichtet, einkopiert, animiert – seit Beginn des Kinos werden Schriftzeichen im Film von ihrer ursprünglichen starr-statischen Zeichenhaftigkeit befreit und in unterschiedlichster Weise in Dynamik versetzt. Die in Bewegung geratenen Lettern übernehmen im neuen System höchst unterschiedliche Funktionen: Sie eröffnen oder beschließen Filme, sie fungieren als Kommentar oder als Metapher (des Erzählens), als Informationsträger oder grafisches Element, als dramaturgisches Mittel oder als emotionalisierender Faktor. Schrift im Film eröffnet neue Assozia-tionsfelder, wirft Fragen nach Sichtbarkeit und Struktur, Wahrnehmung und Materialität, Inszenierung und Innovation auf. Dem wollen wir im Exkurs der Magical History Tour in die bewegte Welt der Buchstaben nachgehen und präsentieren im Februar Beispiele des frühen Umgangs mit Schrift in Spiel-, Avantgarde- und Experimentalfilmen, "klassischen" Schrift- und lettristischen Filmen, aber auch in zeitgenössischen Spielfilmen mit verschriftlichten Leitmotiven.
Caligari-Preis für "Akher ayam el madina" ("In the Last Days of the City")
AKHER AYAM EL MADINA (IN THE LAST DAYS OF THE CITY) von Tamer El Said erhält den diesjährigen Caligari-Preis. Die Begründung der drei Juroren Rüdiger Suchsland (FILMDIENST), Christine Müh (Kommunales Kino Pforzheim) und Wolfgang Dittrich-Windhüfel (Kommunales Kino Freiburg) lautet: "Eine märchenhafte Suche nach der verlorenen Zeit und dabei ganz gegenwärtiges, hellwaches Kino. Ein Film der essayistisch ist, fiktional und dokumentarisch, ein Film über das Filmemachen, ein intimes Selbstportrait und eine Betrachtung des letzten Sommers vor der Revolution – nostalgisch, sinnlich, klug. Wie erzählt man im Kino das Universum einer Stadt? Diese Frage beantwortet dieser Film aufs Überzeugendste: nämlich fragmentarisch, mit wachem Auge sich dem Zufall hingebend und zugleich mit ausgefeilter Inszenierungskunst. Dies ist ein Film, der große Vorbilder kennt, ob sie nun Rossellini heißen, Godard, Chris Marker oder vielleicht auch Dominik Graf – der sich aber nie sklavisch von ihnen abhängig macht. Er stellt uns indirekt und voller stilistischer List unter der Hand eine ganze Region vor, die viel zu Unrecht lange im Schatten lag, und jetzt zwar im Fokus liegt, aber von den Wolken der Dummheit und der Vorurteile wieder verdunkelt wird. Dieser Film ist ein Paradebeispiel dafür, dass es im Kino nicht darum geht, "politische Filme zu machen, sondern politisch Filme zu machen" (Godard). Das ist: Engagement und künstlerischer Aktivismus jenseits des allzu-Erwartbaren."
Sichtungsmöglichkeit im silent green Kulturquartier
"Meet me at the bottom of the pool" (in Anlehnung an Jack Smiths "Wait for me at the bottom of the pool") ist der Titel einer Liste mit analogen Filmkopien aus dem Archiv des Arsenal, die Bezüge zu den Filmen des diesjährigen Programms von Forum und Forum Expanded aufweisen. Diese Filme können während des Festivals täglich von 10–18 Uhr in den neu eingerichteten Sichtungsräumen des Arsenal im silent green Kulturquartier an Schneidetischen angesehen werden. Die Liste wird fortwährend aktualisiert und erweitert. Das Arsenal Archiv umfasst ca. 10.000 Filme, viele davon entstammen früheren Festivalprogrammen.
"Xénogénèse": Installation und Empfang im silent green
Am Dienstag, den 16. Februar lädt Forum Expanded gemeinsam mit dem im silent green Kulturquartier ansässigen Harun Farocki Institut und der Galerie SAVVY Contemporary zu einem Empfang in den neu eröffneten Ausstellungs- und Veranstaltungsort.
Mit XÉNOGÉNÈSE von Morishita Akihiko präsentiert Forum Exanded dort die Installation der digitalen Fassung eines japanischen Kurzfilms, der 1984 im Forum zu sehen war und zeigt, wie ein Mann hinter den Laufstreifen eines Films verschwindet. Die Installation in der Betonhalle des silent green Kulturquartier kann noch bis zum 21.2. täglich von 12-18 Uhr besichtigt werden.
Um von dem, was als Lichtinformation in unser Auge fällt, zu einem für unseren Organismus sinnvollen Seheindruck zu kommen, vollziehen sich äußerst komplexe Vorgänge. Unter dem Titel "Das visuelle Feld" präsentiert Karola Schleglmilch in unserer Reihe Filmmakers' Choice am 8. Februar Filme, die Sehen als Schnittstelle zwischen mentaler und äußerer Welt erkunden, als individuelle, lebendige Interaktion. Das geschieht zum Beispiel durch Eingriffe in das Filmbild, welche den Seheindruck manipulieren, dadurch, dass sich eine innere Haltung durch die Führung der Kamera auf das Motiv überträgt. Oder es wird Sehen als Grenze zum Anderen reflektiert. Das Programm ist inspiriert durch wahrnehmungsbezogene psychologische Forschung.
Filmmakers' Choice
Visionary Archives 2
2015 wurde im Rahmen des Forum Expanded das Projekt "Visionary Archive" vorgestellt, ein kollaboratives, translokales Experiment zu Phasen und Facetten des afrikanischen Kinos. Ausgehend vom diesjährigen Thema von Forum Expanded "Traversing the Phantasm" geht es nun um die Frage, wie die Begegnung mit Archiven Phantasmen hervorbringt und in Frage stellt. Gefundene, verloren geglaubte, zerfallene, niemals fertiggestellte oder im Ausnahmezustand entstandene Filme und Videoclips sind Thema von sieben Präsentationen, die ab dem 13.2. täglich um 11 Uhr im Foyer der Akademie der Künste stattfinden.
Forum Expanded Keynote Lecture: "Traversing the Phantasm"
Jedes Jahr werden die Arbeiten des Forum Expanded im Hinblick auf ein bestimmtes Thema ausgewählt. In diesem Jahr lautet es: „Traversing the Phantasm“. In Anlehnung an den Theoretiker Jacques Lacan versteht das Programm den künstlerischen, experimentellen Film als eine Form der Durchquerung realer und imaginärer Territorien, die sich sowohl in (geo-)politischen Realitäten, als auch in Phantasiegebilden manifestieren, bei denen es sich oft um Symptome kapitalistischer Konsumgesellschaften handelt. Im Rahmen unserer Think-Film-Veranstaltungsreihe hält der Kunsttheoretiker Helmut Draxler am 13. Februar eine Keynote Lecture zum diesjährigen Thema.
Arsenal Filmatelier: Großes Kino, kleines Kino #2
Eine Reise nach "Anderswo" mit fünf experimentellen Filmen ohne Dialog für Kinder ab sieben Jahren und Erwachsene präsentieren wir am 28. Februar: In THE SPIRIT OF THE NAVAJO (1966) folgen Mary Jane und Maxine Tsosie – beide Navajo – dem Heilungsritual eines Medizinmanns, vom Kräutersammeln in der Wildnis, dem "Malen" eines Sandmandalas bis zur Behandlung von Patienten. NAVAJO RAIN CHANT (1971) ist eine klitzekleine bunte Animation, so lang wie das Lied, das den Regen herbeiruft. VALENTIN DE LAS SIERRAS (1968) filmte Bruce Baillie in Mexiko mit einem blinden Sänger und Ball spielenden Kindern. In TAKE THE 5:10 TO DREAMLAND (1975) nimmt uns die assoziative Montage aus gefundenen Filmbildern mit auf eine Reise ins Traumland. Und zum Schluss spielt Richard Serra mit seiner großen Hand Fangen (HAND CATCHING LEAD, 1968).
Gefördert durch:
Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds
Die internationalen Programme von Arsenal on Location sind eine Kooperation mit dem Goethe-Institut.