Claude Sautet (1924–2000) war ein Einzelgänger des französischen Kinos, der parallel zur Nouvelle Vague seine Vorstellungen eines klassischen Erzählkinos umsetzte. François Truffaut nannte ihn den "französischsten aller Regisseure". Das mag damit zu tun haben, dass das Bistro in Sautets Filmen eine wichtige Rolle spielt. Es wird gemeinschaftlich getrunken und gegessen, viel geraucht, Auto gefahren und es geht – die wohl häufigste Assoziation zum französischen Kino – um die Möglichkeiten der Liebe. Claude Sautet realisierte unter Verzicht auf alles Spektakuläre differenzierte Studien menschlicher Beziehungen: Filme über Freundschaft und Liebe voll poetischer Melancholie. Dabei arbeitete er mit den großen Stars des französischen Films seiner Zeit: Lino Ventura, Jean-Paul Belmondo, Romy Schneider, Michel Piccoli, Yves Montand, Gérard Depardieu, Sandrine Bonnaire, Daniel Auteuil, Emmanuelle Béart.
Seit seinem künstlerischen und kommerziellen Durchbruch LES CHOSES DE LA VIE (1970) galt Sautet als Chronist der französischen Mittelschicht. Im Gegensatz zu Claude Chabrol oder Luis Buñuel war er jedoch nicht am Vorführen der Bourgeoisie interessiert. Seine "Porträts in Bewegung", wie er sie nannte, sind frei von Urteilsüberlegenheit. Empathisch zeigt er das Unlebendige des vermeintlich gesicherten Bürgerlebens und sieht den zaghaften Ausbruchsversuchen mit einer Art zärtlicher Trauer zu. Nüchtern, mit großer Zurückhaltung und ohne Psychologisierung folgt er unprätentiös dem Schicksal seiner Figuren, die sich in Gefühlen und Beziehungen verstricken. Mittels einer diskreten Bildsprache erzählen die Filme unsentimental von verpassten Gelegenheiten, nicht gewagten Gefühlen, Versuchen der Selbstfindung, von Liebesbeziehungen, die enden und anfangen. Einsamkeit wird häufig kontrastiert mit der oberflächlichen Wärme von Gruppen und öffentlichen Orten. Die Handlung steht dabei nicht im Vordergrund, vielmehr geht es um genaues Beobachten, das Sichtbarmachen von Gefühlen, die über das Erzählte hinausgehen, Nuancen, Blicke, Gesten, das Alltägliche, die Dinge des Lebens.
Claude Sautet schnitt kurz vor seinem Tod einige seiner Filme neu und kürzte sie zum Teil um mehrere Minuten. Wir zeigen drei davon zum Vergleich in beiden Versionen, jeweils einmal als 35-mm-Kopie in der zeitgenössischen Kinofassung und einmal als kürzeren Director's Cut in digitalem Vorführmaterial: VINCENT, FRANÇOIS, PAUL … ET LES AUTRES, LES CHOSES DE LA VIE und MADO.