Susan Sontag (1933–2004) war Essayistin und Schriftstellerin, Aktivistin und Theoretikerin, darüber hinaus Celebrity der Pop-Kultur. Sontag verband leichthändig Geist, Glamour und Dissidenz. Ihre Texte zu Fotografie und Kriegsberichterstattung, Krebs und AIDS und nicht zuletzt auch Film und Kino sind legendär. Vielzitiert ihre Formulierung von 1964 – enthalten im Essay Gegen Interpretation –, dass der Film gegenwärtig die lebendigste, erregendste und bedeutendste aller Kunstgattungen sei. Sie war fest überzeugt, dass Filme durch die von ihnen herbeigeführte Wahrnehmung der Realität eine außergewöhnliche Erziehungsfunktion haben könnten, nicht nur im Sinne einer ästhetischen Bildung, sondern auch im Sinne einer Ausweitung des Empfindungsvermögens, sozusagen einer Erziehung des Herzens.
Weitgehend unbekannt blieb Susan Sontags Wirken als Filmemacherin: Zwischen 1969 und 1993 hat sie selbst ein halbes Dutzend Filme gedreht. In einem Porträt der New York Times "gestand" Susan Sontag anlässlich ihres ersten Films DUETT FÖR KANNIBALER (1969), dass sie seit Jahren eine unerfüllte Ambition mit sich herumgetragen habe, nämlich selbst Regie zu führen: "Ich hätte jedes Angebot angenommen, nur um zu beweisen, dass ich es kann. Ich wäre sogar nach Afghanistan gegangen." Mit unüberhörbarer Süffisanz ergänzt der Autor Mel Gussow: "Es stellte sich jedoch heraus, dass sie nur bis nach Schweden gehen musste."
Regie zu führen erschien Susan Sontag als eine logische Fortsetzung ihrer bisherigen Karriere, hatten doch schon andere, von ihr bewunderte europäische Autoren wie Jean Cocteau, Marguerite Duras, Alain Robbe-Grillet und Pier Paolo Pasolini den Weg vom Schreiben zum Filmemachen beschritten – wobei sie Pasolini, als erklärter Wilderer in vielerlei Jagdrevieren, möglicherweise gar als direktes Role Model sah.
Das erste Mal seit über zwei Jahrzehnten zeigt das Arsenal im Januar und Februar eine von Ralph Eue kuratierte Werkschau der Filme, die Susan Sontag als Regisseurin oder Koregisseurin gedreht hat. Ergänzend geben einige weitere filmische Arbeiten Einblicke in ihr Universum.