2010 gewann Kathryn Bigelow für THE HURT LOCKER als erste Frau überhaupt den Oscar für die Beste Regie. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits eine lange Karriere als Regisseurin hinter ihr, die alles andere als geradlinig verlief. 1951 in Kalifornien geboren, studierte sie erst Malerei und kam als 20-Jährige mit einem Stipendium des Whitney Museums nach New York. Ein Filmstudium an der Columbia University schloss sich an. In New York war sie bald Teil der lebendigen Kunstszene der 70er Jahre, arbeitete mit Richard Serra und Robert Rauschenberg und wurde Mitglied der Konzeptkunstgruppe Art & Language. Ihr konzeptuelles Interesse und ihre Faszination für Gewaltdarstellungen zeigten sich erstmals in einem Kurzfilm, den sie als Studentin an der Columbia University drehte. "The Set-Up" (1978) zeigt, wie sich zwei Männer auf der Straße prügeln. Gleichzeitig analysieren auf der Tonebene die zwei Theoretiker Sylvère Lotringer und Marshall Blonsky das Geschehen.
Ihr erster Spielfilm, THE LOVELESS (1982), entstand noch aus der New Yorker Szene heraus. Inspiriert von Kenneth Angers SCORPIO RISING erzählt er von einer Motorradgang, die in ein Kaff im Süden der USA einfällt. Die Zutaten des Bikerfilms – glänzendes Leder, schwere Maschinen und Waffen – setzt Bigelow als fetischistische Objekte in Szene. Der 1995 von James Cameron geschriebene und produzierte STRANGE DAYS, in dem der objektifizierende Kamerablick, Voyeurismus und Medialität verhandelt werden, war an den Kinokassen ein Flop und legte ihre bis dahin vielversprechende Laufbahn fürs Erste aufs Eis. Erst im Jahr 2000 konnte sie ihren nächsten Film drehen. Mit ihren letzten beiden Filmen schließlich, THE HURT LOCKER und ZERO DARK THIRTY, katapultierte sie sich wieder in die öffentliche Wahrnehmung.
Außenseiter und verschworene Gruppen stehen immer wieder im Zentrum von Bigelows Filmen. Die Bombenentschärfer in THE HURT LOCKER ebenso wie die CIA-Agentin in ZERO DARK THIRTY und die Polizistin in BLUE STEEL agieren allein, ohne Rückhalt und Sicherheitsnetz. Ersatzfamilien und Subkulturen, die gemeinsam gegen einen äußeren Feind antreten, finden sich unter den Vampiren in NEAR DARK und in der Surferclique in POINT BREAK. Bigelows Filme spielen sich meist in typischen Männerwelten ab. Dennoch nehmen ihre oft androgynen Frauenfiguren nie die Rolle des passiven Subjekts ein, sondern behaupten sich als eigenständige Charaktere.
Bigelows Verhältnis zu Hollywood liegt im Spannungsfeld zwischen Affirmation und selbst-reflexiver Dekonstruktion. Der virtuose Umgang mit den Konventionen und Codes des Hollywood-Films erlaubt es ihr, diese immer wieder zu unterwandern. Die Grenzen Hollywoods dehnt sie nicht nur bezüglich der filmischen Form, sondern auch hinsichtlich der Darstellung von Geschlechterrollen und mit ihrer Lust am Spiel mit Genre-Formen.
Das Arsenal zeigt alle neun Spielfilme Kathryn Bigelows sowie BORN IN FLAMES (Lizzie Borden, USA 1982), in dem sie als Schauspielerin zu sehen ist.