Obwohl der libanesische Bürgerkrieg (1975–1990) schon vor über 20 Jahren endete, ist er in aktuellen Filmen libanesischer FilmemacherInnen überaus präsent. Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Landes richtet sich gegen die staatlich geförderte kollektive Amnesie, die eine öffentliche Debatte über den Krieg und die damit verbundenen Fragen um Schuld und Sühne verhindern will. Es gibt im Libanon bis heute keinen nationalen Dialog über den Krieg und die im Krieg begangenen Verbrechen, keine Bestrafung der Täter und weder einen offiziellen Erinnerungsdiskurs noch einen Konsens über die Geschichtsschreibung. Das Kapitel Bürgerkrieg sollte durch die Generalamnestie von 1991 endgültig abgeschlossen werden.
Das gemeinsam vom Arsenal und dem Zentrum Moderner Orient veranstaltete Programm "Sights of Memory" präsentiert vor diesem Hintergrund acht Filme aus dem Libanon, die sich aus heutiger Perspektive mit den offenen Wunden des libanesischen Bürgerkriegs beschäftigen. Die ausgewählten Essay-, Dokumentar- und Spielfilme aus den Jahren 2005 bis 2012 – die meisten sind erstmalig in Berlin zu sehen – bieten Einblicke in eine zutiefst gespaltene, konfessionell wie politisch fragmentierte und traumatisierte Gesellschaft, in der die Nachwirkungen des Kriegs stets präsent sind. Ästhetisch divers und aus verschiedensten Blickwinkeln eröffnen sie alternative Sichtweisen auf den Bürgerkrieg und seine Folgen, leisten einen Beitrag zur Aufarbeitung kollektiver Geschichte und plädieren nicht nur für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern weisen vor allem auch auf deren Gegenwärtigkeit hin. Die thematischen Aspekte der Filme sind so vielfältig wie ihre formalen Mittel: die Begegnung von Tätern und Opfern, die Rekonstruktion gescheiterter revolutionärer Utopien, das schmerzvolle Warten auf die Rückkehr von im Krieg Verschwundenen, emotionale Isolation sowie die Erkundung der Stadt Beirut. Die ausgewählten Filme registrieren darüber hinaus auch die latenten, die gegenwärtige libanesische Gesellschaft prägenden Spannungen und zeugen von einer fragilen, politisch unsicheren Situation. Um einen Dialog von Vergangenheit und Gegenwart zu ermöglichen, braucht es eine Erinnerungskultur. "Sights of Memory" präsentiert Filme, die Erinnerungsproduktion mit künstlerischen Mitteln betreiben und selbst Schauplätze der Erinnerung sind.
Wir freuen uns sehr, dass wir vier FilmemacherInnen aus dem Libanon im Arsenal begrüßen dürfen: Eliane Raheb, Ghassan Salhab sowie Rania und Raed Rafei werden ihre Filme mit dem Publikum diskutieren. Außerdem findet am 29.9. ein Podiumsgespräch mit den FilmemacherInnen sowie Irit Neidhardt (mec film) und Rabih El-Khoury (Metropolis Art Cinema, Beirut) statt, das sich mit den Rahmenbedingungen des Filmemachens im Libanon beschäftigt.