"I think of Canada as female. All the art I've been doing or will be doing is about Canada. I may tend to overly identify with Canada." (Joyce Wieland, 1931–1998) Ein Segelboot zieht vorüber und zu lesen ist das Wort SAILBOAT: Der strukturelle Film reflektiert das Verhältnis von starrem Text und bewegtem Bild – bis Hollis Frampton beiläufig aus dem Off vor die laufende Kamera tritt und für einen kleinen Moment aus einer vermeintlich streng konzipierten Arbeit ein Home Movie wird. Dort, am Lake Ontario, drehten die beiden auch A&B IN ONTARIO (1966–84), eine Art Hide and Seek mit der Bolex. Diese Filme, sowie Wielands komplexe Kanada-Reflexion LA RAISON AVANT LA PASSION / REASON OVER PASSION (1969) und 1933, eine geloopte Straßenszene in New York (1967), hatte der 1993 verstorbene Arsenalmitarbeiter Alf Bold für unsere Sammlung angeschafft. Nachdem auch Joyce Wieland im Jahre 1998 verstarb, konnten wir mit Mitteln aus dem Experimentalfilmfond, den Alf Bold uns hinterlassen hatte, sieben weitere ihrer Kurzfilme erwerben. Wir freuen uns, dass das Canadian Filmmakers Distribution Centre (CFMDC) das vollständige Werk dieser herausragenden Künstlerin in einer DVD-Box herausgebracht hat. In Zusammenarbeit mit dem CFMDC und der Botschaft von Kanada präsentieren wir es vom 1.-3. Mai im Arsenal. Lauren Howes vom CFMDC sowie die Filmwissenschaftlerinnen und Kuratorinnen Tabea Metzel (FU Berlin), Robin Curtis (NYU Berlin) und Madeleine Bernstorff halten einführende Vorträge und diskutieren abschließend das Gesamtwerk. Für das dreitägige Programm sind Dauerkarten erhältlich.
Was kann ein Kino, was ein Filmarchiv, was können Filme für die ästhetische und kulturelle Bildung von jungen Menschen leisten, die im digitalen Zeitalter aufwachsen? Im Rahmen ihres "Living Archive"-Projekts beschäftigt sich Stefanie Schlüter u.a. mit diesen Fragen und öffnet am 21. Mai von 15 bis 18 Uhr die Türen des Filmarchivs des Arsenals für Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen und Klassenstufen.
Auf dem Programm steht eine gemeinsame Besichtigung der Archivräume und die Vorführung kurzer Filme, die gemeinsam ausgewählt werden. Lehrerinnen und Lehrer sind eingeladen, im Archiv zu stöbern, das über 10.000 Filme und Videos beherbergt. In einem zweiten Teil stellt Stefanie Schlüter vor, welche Möglichkeiten das Archiv des Arsenals Lehrern bietet, um gemeinsam mit Schülern Fragen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des bewegten Bildes zu erarbeiten.
Hauptpreis für "Dom" ("The House") in Pilsen
Beim 25. Festival des tschechischen Films in Pilsen ist Suzanna Liovás Debütfilm DOM (THE HOUSE) mit dem Hauptpreis in der Kategorie bester Spielfilm ausgezeichnet worden. Der Film, der im letztjährigen Forum uraufgeführt worden war, erzählt von einem Generationskonflikt in der tschechischen Provinz. Stein für Stein baut Imrich fast ganz allein an dem kleinen Haus für seine Tochter Eva. Aber für Eva, die kurz vor ihrem Schulabschluss steht, ist ein möglicher Einzug ungefähr so attraktiv wie eine Haftstrafe in einem Gefängnis, an dem sie selbst mitbaut. Sie hat ganz andere Zukunftspläne. Ihr mürrischer, geiziger und herrschsüchtiger Vater hat schon Evas Schwester Jana verstoßen, nachdem diese mit einem Filou durchgebrannt war, von dem sie nun drei Kinder hat. Eva wird deshalb doppelt gut bewacht, aber es gelingt ihr trotzdem, sich kleine Freiheiten zu nehmen: ein paar Tage Schule schwänzen, Nebenjobs für den ersehnten Trip nach London und eine Affäre mit einem älteren Mann, von dem sich herausstellen wird, dass er ihr Englischlehrer ist. Ein Generationenkonflikt in einem Milieu, das bis in die Nebenfiguren hinein so dicht beschrieben ist, dass man seine Vorbilder bei Regisseuren wie Mike Leigh oder Ken Loach vermutet. Doch die Sprachlosigkeit und einzementierten Gefühle der Elterngeneration spiegeln hier auch die prägende Erfahrung und persönliche Bewältigung radikalen gesellschaftlichen Wandels. Damit wird Zuzana Liovás Spielfilm zu einem bemerkenswerten Beispiel für junges, intelligentes Kino aus Osteuropa. (Anna Hoffmann)
Neu auf unserem VoD-Channel: "Aufnahme"
Wir freuen uns sehr, Stefan Landorfs vielschichtiges Debüt AUFNAHME ab dem 1. Mai auf unserem VoD-Channel bei realeyz.tv präsentieren zu können. Landorf, selbst ein ehemaliger Arzt, widmet sich hier einem Berliner Krankenhaus. Visite, der ärztliche Rundgang, und Anamnese, die Erfragung eines Krankenbildes, diese Begriffe aus der Medizin lassen sich auch auf die Struktur des Films anwenden, denn die Institution erscheint darin wie ein Organismus, der auf verschiedenen Wegen untersucht und abgeklopft wird.
Greenland Eyes International Film Festival
Greenland Eyes präsentiert zum ersten Mal die aktuelle Film- und Kulturszene Grönlands in Berlin. Dabei ist der Blick von Greenland Eyes nicht nur aufs Eis gerichtet: Das Festival will einen Einblick in die komplexe Gesellschaft des heutigen Grönland jenseits gängiger Repräsentationen einer menschenleeren sublimen Eiswüste und eines "Eskimo-Exotismus" ermöglichen. Denn in Grönland – so wird es in den ausgewählten Filmen deutlich – verbinden sich Natur und Kultur, spektakuläre Landschaften und urbane Räume, Robbenfang und Playstation. Und nicht zuletzt vermischt sich die Welt älterer Generationen als Bewahrer von Traditionen mit derjenigen der grönländischen Jugend, die in ihrem Verständnis für Mode, Musik und Zukunftsträume Gleichaltrigen überall auf der Welt ähnelt. Greenland Eyes will genau diesem jungen Grönland ein Forum bieten. Eine eigene Filmproduktion gibt es dort erst seit wenigen Jahren. Ein Großteil der Filmschaffenden sind Autodidakten, die oft gleichzeitig als Produzenten, Regisseure und Schauspieler tätig sind. Das Berliner Publikum wird die Möglichkeit haben, Filme zu sehen, die zum größten Teil noch nie in Deutschland oder außerhalb Grönlands gelaufen sind. Greenland Eyes ist dabei internationale Bühne, Ort einer Zwischenbilanz und Treffpunkt einer Vielzahl von Akteuren des grönländischen Films. Einführungen und Gespräche sowie eine Roundtable-Diskussion (28.4.) mit allen anwesenden Filmemachern ermöglichen es, Film aus und über Grönland in einen breiten kulturellen Kontext zu setzen.
Neu im Verleih: Die Filme von Jack Smith!
2009 präsentierten das Arsenal und das Hebbel am Ufer (HAU) "LIVE FILM! JACK SMITH! Five Flaming Days in a Rented World", kuratiert von Susanne Sachsse, Stefanie Schulte Strathaus und Marc Siegel. Gemeinsam mit 50 internationalen Künstlern und Wissenschaftlern widmete sich das Event dem Underground-Pionier und der queeren Ikone Jack Smith (1932–89). Superstar Mario Montez, der für LIVE FILM zum ersten Mal wieder auf der Bühne stand, und die teilnehmende Regisseurin Ulrike Ottinger erhielten bei der Berlinale einen Ehren-Teddy. Nun gibt es wieder große Neuigkeiten: Auf Initiative von Jerry Tartaglia und durch die Leidenschaft und Tatkraft vieler stellt das Jack Smith Archive der Barbara Gladstone Gallery dem Arsenal nagelneue 16mm-Kopien für Verleihzwecke zur Verfügung. Pünktlich zu Camp/Anti-Camp können wir sie dem Publikum präsentieren und wir hoffen, dass sie künftig auf vielen Leinwänden erstrahlen. (13.4.)
"Hiver nomade" in Nyon ausgezeichnet
Manuel von Stürlers HIVER NOMADE, der im diesjährigen Forum uraufgeführt wurde, hat beim Festival Visions du Réel in Nyon den mit 15.000 Schweizer Franken dotierten Preis für den 'besten Schweizer Film aller Sektionen' erhalten. Die internationale Jury verwies auf die bestechende Handschrift des Regisseurs, der es verstehe das filmische Potential der zwei Protagonisten und ihrer unglaublichen Verbindung zueinander zu nutzen. Diese zeitgenössischen Nomaden erlebten ein aussergewöhnliches Abenteuer, das dennoch tief in unserer Gegenwart verwurzelt sei. Der Regisseur erschaffe in seinem ersten langen Dokumentarfilm eine Magie der Einfachheit durch die Kraft der Kameraführung, die Feinheit des Schnitts sowie durch den Einsatz der Musik.
The Archers: Filme von Michael Powell & Emeric Pressburger
"Written, produced and directed by Michael Powell and Emeric Pressburger": Mit diesen Worten und mit dem Signum ihrer Produktionsfirma "The Archers" – eine Zielscheibe in rot, blau und weiß – beginnen die gemeinsamen Filme eines einzigartigen Autoren-Regie-Produzenten-Gespanns. Der Engländer Michael Powell (1905–1990) arbeitete seit der Stummfilmzeit in der britischen Filmindustrie, unter anderem bei Rex Ingram und Alfred Hitchcock. In den 30er Jahren inszenierte er eine Reihe von "Quota Quickies", schnell gedrehte Unterhaltungsfilme, bevor er 1939 vom Produzenten Alexander Korda mit dem Drehbuchautor Emeric Pressburger zusammengebracht wurde. Der gebürtige Ungar Pressburger (1902–1988) war in den 30er Jahren als Autor für die UFA tätig, bevor er vor den Nazis über Frankreich nach England floh. Ihre ersten gemeinsamen Filme waren Propagandafilme, die schon den Einfallsreichtum und die Experimentierfreude ihrer späteren Werke vorwegnahmen. Im traditionell eher am Realismus orientierten britischen Filmschaffen nahm ihr extravagantes Werk eine singuläre Stellung ein. Sie schufen opulente, farbenprächtige und bild-gewaltige Filme, die sich durch funkelnden Charme und einen leichtfüßigen Humor auszeichnen. 1957 trennten sich die Wege von Powell und Pressburger. Powells Karriere fand durch den Skandal um Peeping Tom (1960) ein vorläufiges Ende. Beide erlebten noch die Wiederentdeckung ihres Werks durch jüngere Regisseure wie Martin Scorsese und Derek Jarman in den 80er Jahren.
filmPOLSKA
Im Rahmen des 7. Polnischen Filmfestivals in Berlin – filmPOLSKA –, das vom 12. bis 18. April in verschiedenen Kinos in Berlin und Potsdam stattfindet, widmen wir uns im Arsenal zum dritten Mal polnischen Kameraleuten. In diesem Jahr begrüßen wir Bogdan Dziworski und Wojciech Staroń, die jeweils an zwei Abenden ihre Kamera- und Regiearbeiten vorstellen. Bogdan Dziworski hat mittlerweile weit über 40 Filme gedreht. Seit Mitte der 60er Jahre arbeitet er als Kameramann und Fotograf, wenige Jahre später entstanden erste Arbeiten als Regisseur. Schwerpunkt seines Schaffens ist das dokumentarische Arbeiten. In den 70er und 80ern dreht er Dokumentarfilme für das berühmte "Bildungsfilmstudio" Wytwórnia Filmów Oświatowych in Łódź. Die ehemalige Sowjetunion war Thema einer Reihe von Filmen, an denen Dziworski als Kameramann für die BBC beteiligt war. Seine Fotografien haben in einer Reihe von Ausstellungen und Publikationen große Aufmerksamkeit erhalten. Neben zahlreichen eigenen Projekten ist Dziworski Dekan der Abteilung für Film und Fernsehen an der Schlesischen Universität in Katowice.
Auf Vorschlag von Entuziazm sichten wir am 17. April um 19 Uhr den Film SHIWJOT TAKOJ PAREN (Es lebt so ein Junge, Wassilij Schukschin, UdSSR 1964). Der Film wurde im Jahr 1978 im Programm des Internationalen Forum des Jungen Films neben drei weiteren Filmen Schukschins gezeigt. Bei der Mostra in Venedig wurde er 1964 dafür mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet.
Gefördert durch:
Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds
Die internationalen Programme von Arsenal on Location sind eine Kooperation mit dem Goethe-Institut.