Im Rahmen des diesjährigen Forum Expanded gibt es eine Reihe von Veranstaltungen, die im Zusammenhang mit dem Living Archive Projekt stehen, darunter Projektpräsentationen von TeilnehmerInnen sowie Podiumsgespräche zum Thema Archivpolitik. "Möglichkeitsraum IV - Access: Diamond, Enter, Fin... Archival Viewing Acts (Speculations on the Invention and Emergence of New Subject Constellations in Cinema)" am 10.2. um 21:30 im Arsenal ist eine performative Archivsichtung der Projektteilnehmerinnen Angela Melitopoulos und Constanze Ruhm. Darin zeigen sie Filme bzw. Filmausschnitte rund um das Programm des Forums von 1972 in einem performativen Herstellungsakt als offenen Sichtungsprozess. Am 14.2. um 20 Uhr hält Harun Farocki im Anschluss an die Vorführung von LA VERIFICA INCERTA (Gianfranco Baruchello/Alberto Grifi, Italien 1965, 16mm, 31 min), ein Zusammenschnitt aus Spielfilm-Stücken verschiedener Genres, im HAU2 eine Filmlecture. Am zweiten Samstag des Festivals präsentiert Avi Mograbi im HAU2 "At the Back/The Details" - ein Programm mit Videoperformance und Live-Musik. Zwei Podiusmdiskussionen runden das Pogramm ab: "Cairo: the City, the Images, the Archives" moderiert von Marcel Schwierin am 11.2. um 15 Uhr im Veranstaltungsraum des Filmhauses und "Programming the Archive" am 12.2. um 15 Uhr moderiert von Projektleiterin Stefanie Schulte Strathaus.
James Benning: "Nightfall"
Kurz vor der Berlinale wird am 7. Februar in der Galerie neugerriemschneider James Bennings Projekt Two Cabins eröffnet und seine neue Publikation präsentiert: (FC) Two Cabins by JB, herausgegeben von Julie Ault. Two Cabins widmet sich zwei prominenten Amerikanern: dem Autor Henry David Thoreau (1817–62) und Ted Kaczynski, dem "Unabomber" des 20. Jahrhunderts. Im Arsenal präsentiert Benning seinen neuen Film NIGHTFALL (USA 2011), der nur aus einer einzigen Einstellung besteht, die ein Stück Wald während des Übergangs vom Tag zur Nacht zeigt.
Werkschau Sandrine Bonnaire
Sandrine Bonnaire zählt zu den renommiertesten und populärsten französischen Schauspielerinnen ihrer Generation. Seit ihrem Debüt in Maurice Pialats A NOS AMOURS (1983) hat sie mit einer Vielzahl von Autorenfilmern – so z. B. Claude Chabrol, Raymond Depardon, Jacques Doillon, André Téchiné, Jacques Rivette, Claude Sautet, Agnès Varda – zusammengearbeitet und ihre erstaunliche Wandlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Drei gemeinsame Filme, so viele wie Sandrine Bonnaire mit keinem anderen Regisseur gedreht hat, entstanden unter der Regie von Maurice Pialat, der Sandrine Bonnaire bei einem Casting entdeckte, zu dem die 15-Jährige eigentlich nur ihre Schwester begleiten wollte. Ihre erste Rolle machte Bonnaire, siebtes von elf Kindern einer Arbeiterfamilie aus Clermont-Ferrand, schlagartig bekannt und brachte ihr neben zahlreichen Angeboten auch die erste Auszeichnung, den César als Beste Nachwuchsdarstellerin. Zwei Jahre später folgte für die beeindruckende Interpretation der Vagabundin Mona in Agnès Vardas SANS TOIT NI LOI der César als Beste Hauptdarstellerin. Der frühe Erfolg Sandrine Bonnaires, die nie eine Schauspielschule besucht hat, ist auch deshalb bemerkenswert, weil sich ihre ersten Filme durch den Mut zu unattraktiven Rollen, Widerständigkeit und eine besondere, ungestüme physische Präsenz auszeichnen. Die Körperlichkeit der jugendlichen Jahre ist mittlerweile einem eher zurückgenommenen, introvertierten Spiel gewichen; geblieben ist jedoch das Herbe und Unergründliche. Sandrine Bonnaire ist weder glatte Schönheit, noch strahlende Heldin. Ihr Spiel ist frei von Star-Allüren, nie gefällig, affektiert oder sentimental, sie gibt ihren Figuren Tiefe und bewahrt gleichzeitig ihr Geheimnis. Nachdem die ersten 15 Jahre von Sandrine Bonnaires Filmografie unter dem Stern der großen französischen Autorenfilmer standen, hat sie in den letzten Jahren vor allem mit jüngeren Regisseuren gearbeitet. 2007 wechselte sie zum ersten Mal auf die andere Seite der Kamera und führte bei ELLE S'APPELLE SABINE, einem Dokumentarfilm über ihre autistische Schwester, selbst Regie. Aktuell arbeitet Sandrine Bonnaire an der Fertigstellung ihres Spielfilmregiedebüts.
Programm online!
Das komplette Programm 2012 ist ab sofort online. Unter dem Menüpunkt "programm" finden Sie Informationen und Termine zu allen Filmen und Veranstaltungen von Forum und Forum Expanded.
Kamera: Boris Kaufman
Eine Karriere, die vom französischen poetischen Realismus der 30er Jahre bis zum Hollywood-Kino der 50er und 60er Jahre reichte: Wir widmen dem Kameramann Boris Kaufman (1897–1980) eine kleine Hommage. Mit drei großen Regisseuren ist sein Name verbunden: Jean Vigo, Elia Kazan und Sidney Lumet.
1897 in Byalistok im heutigen Polen geboren, ging Kaufman in den 20er Jahren nach Paris und studierte Philosophie und Literatur. Seine älteren Brüder Denis und Michail schrieben zu der Zeit in Moskau Filmgeschichte: Als Dziga Vertov und dessen Kameramann Michail Kaufman revolutionierten sie mit ihren Manifesten und Filmen den Dokumentarfilm und forderten eine Emanzipation des Kamerablicks gegenüber der bloßen Abbildung einer vorgeblichen Wahrheit vor der Kamera. Von seinen Brüdern beeinflusst, begann Boris 1928, kurze Dokumentarfilme zu drehen und fand 1930 zu einer engen Zusammenarbeit mit Jean Vigo zusammen, die mit dessen verfrühtem Tod 1934 abrupt endete und in wenigen Jahren einige der schönsten Werke des poetischen Realismus erschuf. 1941 gelang es Kaufman, über Kanada in die USA zu fliehen. Sein Durchbruch dort erfolgte 1954 mit der Kameraarbeit für ON THE WATERFRONT, für die er einen Oscar erhielt. Kaufmans Kameraarbeit zeichnet sich durch eine große Sensibilität gegenüber der Eigenheit jedes Films aus, er findet Bilder für Poesie, Realismus und Traum. Boris Kaufman über seine Arbeit: "Für mich war es immer dasselbe: einen Kamerastil zu finden, der optimal und stimmig zum Thema der Geschichte passt; jeden neuen Gegenstand mit einem frischen Blickwinkel zu betrachten; die selben Muster zu vermeiden, die ich in früheren Filmen angewandt habe."
FilmDokument: Zum Holocaust-Gedenktag
DAWIDS TAGEBUCH (Konrad Weiß, DDR 1981) folgt den Spuren von Dawid Rubinowicz. Im Juni 1942 bricht sein Tagebuch ab. Am jüdischen Versöhnungstag wird der Junge mit seiner Familie ermordet. Unter Verwendung von Interviews, Fotos, Filmen und Landschaftsaufnahmen komponiert Weiß ein bewegendes Dokument. Aus Anlass des Internationalen Holocaust-Gedenktages ist DAWIDS TAGEBUCH zusammen mit den an der Hochschule für Film und Fernsehen entstandenen Filmen MEMENTO (DDR 1966, Karlheinz Mund) und FLAMMEN (Konrad Weiß, DDR 1967) zu sehen. Eine Hommage für den Regisseur Konrad Weiß, der im Februar 2012 seinen 70. Geburtstag feiert und bei der Vorführung anwesend sein wird. (Tobias Ebbrecht)
Eine Veranstaltung von CineGraph Babelsberg in Zusammenarbeit mit der DEFA-Stiftung, dem Bundesarchiv-Filmarchiv, der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) "Konrad Wolf" Potsdam-Babelsberg und der Deutschen Kinemathek. (30.1.)
Magical History Tour – Der Kammerspielfilm
Konzentration auf wenige Figuren und Räume, Fokussierung innerer Konflikte und Beschränkung auf einen überschaubaren zeitlichen Rahmen – die Grundkomponenten des Kammerspielfilms, wie er sich Anfang der 20er Jahre entwickelte, klingen eher asketisch. Aus einer auf die Spitze getriebenen Verknappung in Sachen Ort, Zeit und Handlung resultierte indes eine oftmals besondere Dramatik, getragen und verstärkt von wenigen symbolhaften Dekors, von einer stark subjektivierenden Lichtsetzung und mobilen Kamera, die, in unmittelbarer Nähe der Protagonisten positioniert, auch kleine Regungen in Gestik und Mimik aufnimmt. Ausgehend von Max Reinhardts neuem Inszenierungskonzept des modernen Dramas, das er ab 1906 auf der gleichnamigen, neugegründeten Theaterbühne in Berlin umsetzte, erlebte der Kammerspielfilm seine erste (als klassische Form betrachtet vielleicht einzige) Hochphase in den 20er Jahren und markierte in Deutschland einen Übergang von expressionistischen Filmformen hin zu realistischen Tendenzen. Der Nachhall des Kammerspielfilms in der Filmgeschichte ist vielgestaltig und reicht von klassischen Reverenzen an die frühen Vorbilder bis zu kreativen Variationen (einzelner Aspekte) des Genres. Einige davon haben wir in einem wie immer subjektiven Querschnitt in der Magical History Tour zusammengetragen.
Living Archive
Das Projekt "Living Archive – Archivarbeit als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart" geht weiter. In den ersten Monaten des Projekts haben die rund 40 TeilnehmerInnen, darunter StipendiatInnen des Goethe-Instituts, diskutiert, wie man sich einem Filmarchiv mit 8.000 Titeln annähert, denn sie sind eingeladen, auf seiner Grundlage Projekte zu realisieren: Filmreihen, neue Filme, Installationen, Ausstellungen, DVDs, Bücher, Vorträge, Performances und Soundarbeiten. Die Filme, die sie dabei recherchieren, werden erneuert oder digitalisiert und damit erstmalig oder wieder zugänglich gemacht. Das Projekt wirft Fragen auf: Was ist ein Filmarchiv, besteht es nur aus Filmkopien, oder auch aus den Geschichten, die sie begleiten? Was bedeutet "Zugang": Für wen, wozu und in welcher Form gibt es ihn? Wie verändert der Blick aus der Gegenwart ein filmhistorisches Werk? Wie kann eine Sammlung beschrieben werden, die sich als veränderbarer Ausdruck einer kuratorischen Praxis versteht? Diese Fragen werden uns noch bis Juni 2013 – wenn wir die Ergebnisse in einem Festival der Öffentlichkeit vorstellen – und darüber hinaus begleiten.
Ulrike Ottinger
Wir setzen im neuen Jahr unsere Filmreihe mit Arbeiten von Ulrike Ottinger fort und möchten in diesem Zusammenhang auf die Ausstellung im Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k.) hinweisen, in der noch bis 22.1. das unbekannte malerische Frühwerk (1963–68) Ottingers erstmalig ausgestellt wird. Bis Februar lädt das Arsenal in Veranstaltungen mit Gesprächen und Einführungen dazu ein, das filmische Œuvre von Ulrike Ottinger zu entdecken. Das Programm spiegelt und kommentiert Ulrike Ottingers Bewegtbild-Welten zwischen Opulenz und Stilisierung, Variationen des Theatralen und Ethnografischen, Kulturgeschichte und Science-Fiction, Reflexion und Reise.
Special Screenings 2012
Mit einer Reihe von Special Screenings vervollständigen wir unser diesjähriges Programm. In dem Dokumentarfilm LAWINEN DER ERINNERUNG porträtiert Dominik Graf, einer der einflussreichsten deutschen Film- und Fernsehregisseure, eine andere Fernsehpersönlichkeit, den Autor, Regisseur und Produzenten Oliver Storz. Sein Film ist zugleich ein Beitrag zur deutschen Fernsehgeschichte und zur deutschen Geschichte überhaupt. Das dokumentarische Projekt IN ARBEIT / EN CONSTRUCTION / W TOKU / LAVORI IN CORSO von Minze Tummescheit und Arne Hector folgt dem Prinzip des Ketteninterviews. Der erste Interviewpartner führt das Filmteam zum zweiten, und so fort. Alle verbindet die Arbeit in kooperativen Strukturen. Die Frage, die sie verhandeln, ist die ihrer Legitimation: Ist es sinnvoll und überhaupt möglich, sich außerhalb des industriellen Fortschritts, der politischen Öffentlichkeit oder des Weltmarkts zu verorten? Einen festen Platz im Forum haben Wiederaufführungen und "Ausgrabungen" seltener Werke. Mit Filmen von Tom Kalin, Wynn Chamberlain, der legendären US-Regisseurin Shirley Clarke und dem Japaner Kawashima Yuzo setzen wir diese Tradition fort. Ein besonderes Abenteuer ist die Wiederentdeckung des kambodschanischen Kinos der 1960er und frühen 70er Jahre.
Gefördert durch:
Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds
Die internationalen Programme von Arsenal on Location sind eine Kooperation mit dem Goethe-Institut.