Beim 6. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen hat Angela Schanelecs Film Orly den mit 50.000 Euro dotierten Filmkunstpreis in der Kategorie "Bester Film" erhalten. "Orly" war im diesjährigen Forum uraufgeführt worden.
Magical History Tour: Musik, Töne & Geräusche – Sound im Kino
In Ergänzung zur Magical History Tour im März dieses Jahres zum Thema "Stimme, Sprache, Sprechen im Film" beschäftigen wir uns in diesem Monat erneut mit der wenig beachteten Tonspur des Films und ihrer suggestiven Kraft. Ob On-screen- oder Off-screen-Töne, diegetisch oder nicht, ob komplexe Audio-Arrangements, Überwältigungs-Sound oder atemlose Stille: Die Tonspur – bestehend aus Sprache, Musik und Geräuschen – ist integraler Bestandteil der Filmerfahrung. Sie produziert Atmosphäre oder Irritation, greift den Bildern vor oder widerspricht ihnen, verstärkt oder erdrückt. Sie schafft eine Welt, einen Klangraum, in den der Zuschauer, je nach Tonsystem und Audio-Ausstattung des Kinos eintauchen kann. Seit Mitte der 70er Jahre ermöglichen zahlreiche tontechnische, von der Musikindustrie übernommene Innovationen das Gestalten hochkomplexer Klangarchitekturen, an denen Sound Designer, Sound Editoren, Geräuschemacher und Tonmischmeister monatelang arbeiten. Doch auch jenseits der großen Produktionen und Budgets, jenseits von Mehrkanalton, Surround Sound und Dolby Stereo entstehen und entstanden vielschichtige, souveräne Tonspuren, die unsere Aufmerksamkeit verdienen und wichtige Fragen zum Verhältnis von Bild und Ton aufwerfen.
Gefährliches Kino?
"Filme im Konflikt mit Gesetz, Geld und Gesellschaft", lautet das diesjährige Thema des Kolloquiums der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen. Restriktive Maßnahmen wie Zensur und Altersbeschränkungen begleiten den Film seit seiner Geburtsstunde und belegen sein – tatsächliches oder vermutetes – Gefahrenpotenzial. Beispiele aus mehr als 100 Jahren Filmgeschichte geben Aufschluss über Wandelbarkeit und Kontinuität von Zensurentscheidungen mit ihren nicht zu unterschätzenden Auswirkungen auf Filmgeschichtsschreibung sowie Produktions- und Distributionspraktiken. Strafrechtliche Verbote, Jugendschutzgesetze und Zugangsbeschränkungen erweisen sich bis heute häufig genug als juristischer Ausdruck gesellschaftlicher Tabus. So legen die stets erneut aufflammenden Diskussionen darüber, was mit welchen Mitteln zu welchem Zweck dargestellt werden darf, vor allem die sich wandelnden Normen einer Gesellschaft offen. Umgekehrt ist die visuelle Provokation und Tabuverletzung ein wesentlicher Bestandteil filmischer Produktion und stellt für bestimmte Genres geradezu eine Existenzbedingung dar. Welche Funktion erfüllen diese Filme, die sich am Rande des Erlaubten und Erträglichen bewegen, und wie finden sie ihr Publikum? Wie gehen Archive mit den unliebsamen Beständen fragwürdiger und umstrittener Filme um? Wie kann der Herausforderung begegnet werden, die das Internet als neues Verbreitungsmedium von strafrechtlich und urheberrechtlich problematischen Bewegtbildern darstellt? Filmwissenschaftler, Archivare, Festivalkuratoren und Juristen werden an zwei Tagen diese und weitere Fragen zu verbotenen, beschnittenen und skandalisierten Filmen erörtern. Am ersten Kolloquiumstag werden in einem Gang durch die Geschichte Zensurpraktiken vor 1930 untersucht, die filmische Untergrundbewegung aus dem Spanien unter Diktator Franco vorgestellt, sowie das Selbstverständnis der Archive und die Rolle der FSK bei der Bewertung von Filmen thematisiert. Der zweite Tag widmet sich dann den Themen der Gegenwart, wie der Indizierung von Horror- und Gewaltfilmen, der Darstellung von Sexualität, Zensur in autoritären und multireligiösen Staaten wie Nigeria und nicht zuletzt dem Internet und seinen globalen Netzwerken.
FilmDokument: DER GOLDENE GARTEN (BRD 1953)
Ein Farbfilm über Kalifornien, und ein Versuch, die Gattung "Reportage" neu zu definieren. Mit amüsiert-ironischem Kommentar beschreibt Hans Domnick den amerikanischen Lebensstil in Los Angeles, Las Vegas und San Francisco. Er ist aber weniger an den Menschen interessiert als vielmehr an ihrem vom Auto beherrschten Lebensstil. Entsetzt schreibt ein Rezensent von einem "gefilmten Alptraum" und schauert: "Grauenhaft der Gedanke, in einer solchen Welt leben zu müssen, so durch seine Tage gepeitscht zu werden von der Hast des Lebens, von dem rasanten Tempo aller Verrichtungen." So spiegelt der Film über "dieses so völlig unkomplizierte Land" (Domnick) auch das westdeutsche Amerika-Bild, acht Jahre nach Kriegsende. (Jeanpaul Goergen).
Eine Veranstaltung von CineGraph Babelsberg in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek. Einführung: Jeanpaul Goergen (14.6.)
TATİL KİTABI (Summer Book)
Die Schulferien haben begonnen, fröhlich strömen die Kinder in ihren blauen Uniformen ins Freie. Nur ein kleiner Junge scheint betrübt. Ein Klassenkamerad hat ihm das Schulbuch geklaut, jetzt kann er seine Ferienaufgaben nicht erledigen. In diesem Film tritt die Kamera stets einen Schritt zurück und gibt das Bild frei für Leben und Alltag einer türkischen Familie in einer anatolischen Kleinstadt. Die langen und ruhigen Einstellungen lassen Platz für ihre kleinen und großen Probleme.
Distribution start SUBSTITUTE
SUBSTITUTE (Vikash Dhorasoo, Fred Poulet, F 2006). The World Cup 2006 from the perspective of the French national player Vikash Dhorasoo and the writer and musician Fred Poulet. Both shoot with a super-8 camera: the one his everyday experiences as an increasingly frustrated substitute player for the Équipe tricolore; the other everything that happens during his travels throughout Germany and inside the stadium at all the French games. Melancholy instead of euphoria, loneliness instead of "one-for-all-and-all-for-one" rhetoric, a tragic hero instead of a glorious athlete – SUBSTITUTE is the other docu-mentary soccer film. Playing from June 3–9 daily at Arsenal.
FU-Seminar: Chantal Akerman
Anlässlich des FU-Seminars "Französischsprachige Filmemacherinnen der Gegenwart" zeigen wir zwei Filme von Chantal Akerman.
In D'EST (Von Osten, F/Belgien 1993) unternimmt sie eine Reise von Ostdeutschland nach Moskau, die im Sommer beginnt und im tiefsten Winter endet. Sie filmt "alles, was sie berührt" und übermittelt Bilder und Klänge, ohne sie zu kommentieren. Statische Einstellungen, durchkreuzt von Bewegungen der Menschen, wechseln sich ab mit Kamerafahrten entlang von städtischen Landschaften, Menschen und Gesichtern.
Radikal subjektiv ist auch Akermans Tagebuch-Film LÀ-BAS (Down There, F/Belgien 2006). Zurückgezogen in einer Wohnung in Tel Aviv denkt sie über ihre Familie, ihre jüdische Identität, ihr Verhältnis zu Israel, Entfremdung, Exil und eine persönliche Krise nach. Der Blick aus dem Fenster durch die Lamellen von Bambus-Rollos, die Geräusche der Stadt und Telefonate bleiben nahezu der einzige Kontakt zur Außenwelt. Einführung: Dominique Bluher (22.6.)
GIRAVOLTE
Ein Großstadt-Abenteuerfilm in Cinemascope, der unter einer Brücke, auf einem Flohmarkt und in einer nächtlichen Bar spielt. Im Rom unserer Tage. Radio Punto Zero, die Frequenz, die für den Film geschaffen wurde, übermittelt Momente des Schweigens, unmögliche Reportagen über Mode und Design, authentisch klingende Nachrichten, eine Kundgebung zur Verteidigung der Freizeit und einige fantastische Abenteuer Egidios, eines einsamen Reisenden. In GIRAVOLTE (Carola Spadoni, Italien 2001, 16.6. in Anwesenheit der Filmemacherin & 21.6.) dreht sich alles um die Abenteuer der alltäglichen Absurdität. Jenseits von Arbeit, Miete, Handy, Auto und Familie. Abenteuer voller Poesie, Konflikte, spielerischem Widerstand, Einsamkeit, Tragödie, Musik.
Die DEFA-Stiftung präsentiert
Die dritte Ausgabe ihrer monatlichen Filmreihe widmet die DEFA-Stiftung dem Thema Vergangenheitsbewältigung. Den Programmauftakt bildet das Zeitzeugengespräch HEINER MÜLLER: DAS STASI-KONSTRUKT (Thomas Grimm, D 1994). Die Dokumentation ICH WAR EIN GLÜCKLICHER MENSCH (Eduard Schreiber, DDR 1990, zu Gast: Eduard Schreiber) porträtiert den Journalisten und überzeugten Kommunisten Tilbert Eckertz. Im Rückblick auf die lebenslange Arbeit für seine Ideale werden Eckertz die damit verbundenen Entbehrungen und Verluste schmerzlich bewusst. Der zweite Block des Abends beginnt mit dem fiktionalen Kurzfilm DIE KLÄRUNG EINES SACHVERHALTS (Sören Hüper, Christian Prettin, D 2008). Ein unbescholtener Wirtschaftsingenieur gerät in die Mühlen der Staatssicherheit. In STRENG VERTRAULICH ODER DIE INNERE VERFASSUNG (Ralf Marschalleck, DDR 1990) berichten Mitglieder des Bürgerkomitees zur Auflösung des Stasi-Archivs über ihre Arbeit, Erfahrungen und Ängste. (7.6.)
UdK-Seminar: Komposition und Konstruktion filmischer Räume
NAPOLÉON (F 1927) ist in den Augen von Abel Gance ein erster Superheld, ein Übermensch. Natürlich ist der Film von der Bildsprache her Avantgarde, vom Inhalt her nationalistisch, reaktionär, kriegsverherrlichend. Hier ist jedoch ein vom Kino Besessener am Werk. Die Mehrfachbelichtungen, die Farben, die Montage, die 3-D-Effekte, die Triple-Screen-Leinwand, die entfesselte, subjektive Kamera, all das dient Revolution und Evolution der Sprache des Kinos. "Bitte tun Sie mir den Gefallen und erkennen Sie, dass Ihre Augen vielleicht noch nicht die nötige visuelle Erziehung haben", schreibt Gance größenwahnsinnig an sein Publikum. Der vierstündige Film ist dabei nur der erste von insgesamt fünf geplanten Filmen über das Leben Napoleons. Dieser hier umspannt seine Jugend, bis zum Beginn des Italienfeldzugs. (Michael Busch) (15.6.)
Gefördert durch:
Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds
Die internationalen Programme von Arsenal on Location sind eine Kooperation mit dem Goethe-Institut.