Die Legende lebt – Scorsese & Dylan im Arsenal. Parallel zum Kinostart von Todd Haynes' Dylan-Film I'm Not There präsentieren wir zwei Vorführungen von Martin Scorseses legendärer Dylan-Hommage NO DIRECTION HOME: BOB DYLAN (USA/GB 2005) als Berliner Erstaufführung im Kino. "Play it fucking loud!" – So reagierte Bob Dylan, zu seiner Band gewandt, auf die Buh-Rufe aufgebrachter Fans im Jahr 1966, die ihm den Griff zur elektrischen Gitarre und den damit verbundenen Schritt vom Folksänger zum Rockstar übelnahmen und ihn als Verräter beschimpften. Diese Schlüsselszene in Dylans Karriere kombiniert Scorsese mit anderen, seltenen Konzertmitschnitten, Archivaufnahmen, Fotos, Originalmanuskripten, Auftritten in TV-Shows, Amateurfilmen, Erinnerungen von Zeitzeugen wie Joan Baez, Pete Seeger, Allen Ginsberg, D.A. Pennebaker sowie Ausschnitten aus einem zehnstündigen Interview, das von Dylans Manager geführt wird und in dem der medienscheue Rollenspieler wieder einmal sein Leben und sein Werk völlig umschreibt, die neuste Version seiner Lebensgeschichte zum Besten und auf bewährt undurchdringliche Art nur wenig Auskunft über sich selbst gibt. 100 Stunden Material liegen dem Film zugrunde – besonders spannend sind die Szenen aus Eat the Document, einem unveröffentlichten Film von D.A. Pennebaker. NO DIRECTION HOME: BOB DYLAN konzentriert sich auf die Zeit von Dylans Ankunft in New York im Januar 1961 bis zu seinem vorläufigen Verschwinden nach dem Motorradunfall von 1966, der eine Zäsur in seinem Schaffen markierte. Eine dreieinhalbstündige Hommage an eine der amerikanischen Musikerlegenden schlechthin. Und eine ganze Menge Zeitgeschichte. (1. & 14.3.)
arsenal experimental: HAMACA – Videokunst aus Spanien
Der Videokunst-Verleih HAMACA wurde im März 2007 in Barcelona gegründet und ist ein Pionier-Projekt, das zum ersten Mal in Spanien Zugang zu einer großen Sammlung von Videoarbeiten anbietet und sich als Vermittler zwischen Künstlern und Kunstinstitutionen positioniert. HAMACA umfasst Arbeiten von 80 Künstlern und mehr als 400 Videowerke, die alle online zu sehen sind. Ziel ist, mit eigenen Programmen und in Zusammenarbeit mit Kuratoren die spanische Videokunst einem großen Publikum zu vermitteln. Der Name HAMACA (Hängematte) spiegelt die Arbeitsmethode der Struktur wider: eine horizontale, nicht-hierarchische, an verschiedenenen Punkten miteinander verknüpfte Organisation. Am 7. März wird Eli Lloveras, Mitbegründerin von HAMACA, bei uns zu Gast sein, um ein Videoprogramm zum Thema Arbeit und Biopolitik vorzustellen. Die Transformationen, die seit den 1970er Jahren unsere Erfahrung und unser Verständnis der Arbeitswelt erfassen, werden durch eine Auswahl von Filmen hinterfragt.
Berliner Premiere mit Gästen: HÖLLE HAMBURG
Agitprop und Hafenlogistik, Voodoo und Verdi, Platt und Pidgin-Englisch, verdrängte Geschichte und prekäre Gegenwart, dokumentarische Interviews und wilde Inszenierungen bringt HÖLLE HAMBURG (D 2007) von Peter Ott und Ted Gaier mühelos zusammen – "Gib Dich der reflektorischen Erregung hin!"
Im Hamburger Hafen ist ein Schiff von seinen Eignern verlassen worden. Die Mannschaft – Zelle eines mysteriösen Matrosengeheimkultes, übriggeblieben von der Marineabteilung der Komintern – nutzt alte Geheimcodes, den kommunistischen Agitprop der 1943 aufgelösten Organisation und obsessive Trancetechniken, um Kontakt zu den Geister-Kadern der Komintern aufzunehmen. Diese ergreifen vom Bewusstsein einer Dokumentarfilmerin Besitz, die sich wegen ihrer Reportage über den Hamburger Hafen für einen arte-Themenabend mit ihrem Produzenten herumschlagen muß. Als sie von den Geistern der Matrosen infiziert wird, gerät nicht nur ihr Leben, sondern der ganze Hafen durcheinander. Einer der widerständigen Matrosen sagt: "Wat schall dat ööverhaupt sin: Ick. Du bis nich din Egendom. Dat büst du erst, wenn de Revolutschon siegt het." (19.3., mit Peter Ott und Ted Gaier, & 25.3.)
FilmClub: OSDORF
Präsentiert von Radio EINS
Der Film beginnt mit einer langen Kamerafahrt aus dem Zentrum Hamburgs an die Peripherie, nach Osdorf, einer Hochhaussiedlung aus den 60er Jahren, damals ein Projekt der Stadtplanung am grünen Rand, heute das, was man einen "sozialen Brennpunkt" nennt. Hohe Arbeitslosigkeit, hohe Kriminalitätsrate, hoher Ausländeranteil, Großstadt-Ghetto. Was von dort üblicherweise nach außen dringt, sind in erster Linie schrille Schlagzeilen und reißerische Reportagen. Wie kann man Ausgegrenzte anders zeigen? Maja Classen konzentriert sich in ihrem Film OSDORF (D 2007) auf die Ansichten und den Alltag von zwei 17-jährigen Migrantenjungs mit langen Vorstrafenregistern – mit einer Haltung, die die Protagonisten ernst nimmt, ohne moralische Debatte. Hinter den Posen und Angebereien, dem Macho-Gehabe und der Identifikation mit den Ghetto-Regeln können so auch Momente des Zweifels und der Schwäche zutage treten. Und erstaunliche Aussagen darüber, was ein gelungenes Leben sein könnte. (15.3.)
arsenal experimental: Special Presentation: NEW AGE
Die israelische Künstlerin Keren Cytter erzählt Geschichten. Sie tut dies in Form von experimentellem Kino, das aus einer Vielzahl von Genres schöpft, vom Film Noir über den fiktiven Dokumentarfilm bis hin zum Cinéma Vérité. Es sind Geschichten, in denen das Alltägliche mit dem Mysteriösen kollidiert. Es sind zugleich normale wie irrwitzige Geschichten, die eine Gratwanderung zwischen dem Komischen, Grotesken und Tragischen eingehen und gleichzeitig auch als Kommentar zum Medium Film funktionieren. Ihre Filme dokumentieren ihre Umgebung, ihre Freunde und Familie, die als Charaktere in einer Art Traumwelt agieren, in der egozentrische Ziele, tiefliegende Frustrationen, persönliche Bestrebungen und intime Wünsche die Inhalte sind. (Kunsthalle Zürich) Nun hat Cytter einen Langfilm fertig gestellt. NEW AGE "ist die faszinierende psychologische Studie einer jungen Frau Anfang 20, die alt genug ist, wegzugehen und etwas aus ihrem Leben zu machen, aber zu jung, um zu wissen, wo genau in dieser zunehmend gewalttätigen und instabilen Welt ihr Platz ist." (Marc Siegel) Vom 13.–16.3. wiederholen wir in der Black Box aus dem Programm "Forum expanded 2008" Keren Cytters Video-Installation DER SPIEGEL mit Susanne Sachße.
arsenal emotional: L wie labil
Es hätte ein schöner Abend werden sollen: Paolo wartet auf seinen Lebensgefährten Luca zum Abendessen. Doch Luca ist zur falschen Zeit am falschen Ort – er wird zufälligerweise Zeuge eines Attentats auf einen italienischen Politiker und von einer Kugel tödlich getroffen. Während die Nation den Atem anhält, zieht Paolo eine Nacht lang durch Bologna, taumelnd, labil, unruhig und desorientiert und versucht, mit dem Tod seines Geliebten zurechtzukommen, Abschied zu nehmen, zu trauern. Paolos Schock korrespondiert mit der gespannten Atmosphäre in der nächtlichen Stadt, durch die kontinuierlich Polizeistreifen fahren. Andrea Adriatico untersucht in seinem Debütfilm IL VENTO, DI SERA (Der Wind, des Nachts, I 2004) das Verhältnis von Leben und Tod, Liebe und Begehren. (3. & 6.3.)
FilmDokument
Die zweite Folge des Programms "Film im Film" ist dem Tonfilm der Jahre 1929 bis 1945 gewidmet. Wie in den Jahren zuvor dominiert der informierende und belehrende Blick hinter die Kulissen der Filmproduktion. Neu sind historische Rückblicke auf die Geschichte des Films. Mit fortschreitender Kriegsdauer wollen Kurzfilme die ungebrochene Leistungsfähigkeit der deutschen Filmindustrie belegen. 1929, als sich der Siegeszug des Tonfilms abzeichnet, setzt der Schriftsteller Fritz von Unruh noch große Hoffnungen auf die verbrüdernde Kraft des neuen Mediums. Wortreich erläutert Guido Bagier 1929 die Entstehung eines Trickfilms. Der Kulturfilm AUS DEM WUNDERREICH DER TECHNIK (1933) stellt die Technik der Tonfilmproduktion vor. In ALS MAN ANFING ZU FILMEN (1934) blickt Martin Rikli mit Oskar Messter auf die Anfänge des Mediums zurück. In DIE KAMERA FÄHRT MIT von 1936 demonstriert die Wochenschau nicht nur ihre Leistungsfähigkeit, sondern auch ihre Unterwerfung unter den nationalsozialistischen Staat. Der Film 12 MINUTEN MIT EINEM BEKANNTEN SCHAUSPIELER (1942) ist Heinrich George gewidmet: Neben charakteristischen Filmausschnitten enthält er auch einen Auftritt in einer Aufführung des "Prinzen von Homburg". 12 MINUTEN UFA (1943) zeigt u.a. Heinz Rühmann bei den Dreharbeiten zur Feuerzangenbowle.
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv. (28.3., Einführung: Jeanpaul Goergen)
arsenal experimental: Back and Forth – Einmalig undendlich
Die Forum-expanded-Frage, wie sich Künstler und Filmemacher in der Avantgarde- und Undergroundfilmgeschichte positionieren, setzen wir fort. Nicht immer ist es die Geschichte der anderen, es kann auch die eigene künstlerische Arbeit sein, für die neue Wahrnehmungsstrukturen geschaffen werden. Film wird als historisches Dokument Gegenstand einer zeitgenössischen künstlerischen Praxis – bei Michael Brynntrup, der bereits in den frühen 80er Jahren mit Super8 begann und dessen Gesamtwerk einen zentralen Platz in der Geschichte des schwulen Experimentalfilms einnimmt, entsteht daraus eine ganz eigene Art der Autobiografieschreibung. Durch mediale Inszenierungen bildet er nicht chronologisch entstandene, sondern parallel existierende Werkgruppen. So entstehen neue Filme, Fotoausstellungen, Performances, Installationen. Entscheidend ist, dass die Filme nicht multimedial verwertet, sondern fragmentiert, neu gedacht, wieder zusammengesetzt oder geloopt werden. Michael Brynntrup präsentiert: HERZSOFORT.SETZUNG II (autogene Manipulationen, 1996), FACE IT! (Cast Your Self™, 2007), und PLÖTZLICH UND UNERWARTET in seinen verschiedenen medialen Umsetzungen: Der 16mm-Film PLÖTZLICH UND UNERWARTET – eine Déjà-Revue (1993); ein Ausblick auf die interaktive Online-Version PLÖTZLICH UND UNERWARTET – ein Mitspielfilm (2008); und als Vernissage in der Black Box EINMALIG UNDENDLICH [UND PLÖTZLICH UND UNERWARTET UND] (2008). (20.3., in der Black Box bis 27.3.)
Japanischer Filmclub
"Die beherrschenden Themen in JITENSHA TOIKI (Fahrradseufzer, Sion Sono, 1989) kehren so häufig im unabhängigen japanischen Kino wieder, dass sie einen Archetyp der japanischen Nachkriegserfahrung darstellen müssen. Die Flucht aus einem als eintönig oder erstickend empfundenen Alltagsleben ist das Haupthema", so Tony Rayns 1990. Der Film erzählt die Geschichte zweier junger Männer in einer verschlafenen Gegend, die den Sprung auf die Universität nicht geschafft haben. Ihre Frustration nimmt unterschiedliche Formen an, bis sie versuchen, einen Super8-Film fertigzustellen, den sie auf der Schule begonnen hatten. Der Film handelte von einem Baseballspiel. Da sie nicht genug Mitspieler hatten, erfanden sie einen unsichtbaren Läufer. Die Figur nimmt in ihren Träumen von der Flucht aus der Kleinstadt immer mehr Gestalt an … (17.3.)
Fotografie im Dokumentarfilm
Was ist dem Kino die Fotografie? Für den Dokumentarfilm, der sehr häufig mit Fotos arbeitet, sie vorzeigt (wie Beweismaterial) oder begutachtet (wie Fundstücke) ist dieses Verhältnis je spezifisch zu beschreiben. Ein Dokumentarfilm kann von der Fotografie handeln, indem er ein fotografisches Bild in den Blick rückt und davon ausgehend eine Erzählung entwickelt. Aber er handelt ebenso von ihr, indem er sie 'einsetzt', 'verwendet': In jedem Rekurs auf fotografische Bilddokumente ist auch etwas wie eine Idee von Fotografie enthalten, eine Vorstellung von fotografischer Evidenz oder Anschaulichkeit oder Zeugenschaft. Die Fotografie (als Bild, als Tätigkeit) auf der Leinwand zeigen, bedeutet, eine Konzeption von Fotografie in Szene zu setzen und mit dieser Konzeption auch die eines Medienverhältnisses. Einige Facetten dieses Medienverhältnisses untersuchen die zehn Filmbesprechungen des Hefts "Fotografie im Dokumentarfilm". Anlässlich der Präsentation werden zwei Dokumentarfilme gezeigt, die zwei sehr verschiedene Umgangsweisen mit dem fotografischen Bild markieren. Alain Resnais' NUIT ET BROUILLARD (F 1955) (Einführung: Karin Gludovatz) entwickelt den alternierenden Einsatz von Fotos und Filmbildern entlang einer impliziten Mediendifferenz und profiliert dabei vor allem die indexikalischen Qualitäten (mithin: die Zeugenschaft) des fotografischen Bildes. Die Preisgabe der Zeugenschaft und eine konstitutive Verwirrung bezüglich der indexikalischen Qualität inszeniert SEA CONCRETE HUMANS – MALFUNCTIONS #1 (Michael Palm, A 2001) (Einführung: Matthias Wittmann). Das Themenheft der Zeitschrift FOTOGESCHICHTE (Nr. 106, 2007) hat 80 Seiten und zahlreiche Abbildungen. Mehr unter: www.fotogeschichte.info (Stefanie Diekmann) (27.3.)
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Die internationalen Programme von Arsenal on Location sind eine Kooperation mit dem Goethe-Institut.