Leo McCarey (1896–1969), in den 30er und 40er Jahren einer der erfolgreichsten Filmemacher Hollywoods, realisierte mit einem großen Talent für Komik und Timing und einer Vorliebe für Improvisation in einer ihm eigenen Mischung aus Emotion, Humor, Vitalität und Menschlichkeit einige der schönsten Filme des klassischen Hollywoodkinos. Trotz des Erfolgs und der Verehrung durch Regiekollegen wie Frank Capra, Jean Eustache, John Ford, Howard Hawks, Ernst Lubitsch, Jean Renoir, Alain Resnais und François Truffaut ist der Name Leo McCarey heute nahezu unbekannt. Wir zeigen in Kooperation mit dem Filmfestival Locarno eine Auswahl seines umfangreichen Filmschaffens.
Leo McCarey kam nach einem Jurastudium 1918 nach Hollywood, wo er als Scriptgirl (in his own words) für Tod Browning begann. 1923 wechselte er zu den Hal Roach Studios, arbeitete zunächst als Gagschreiber für Our Gang, in Deutschland besser bekannt als Die kleinen Strolche, und stieg rasch zum Drehbuchautor und Regisseur auf. Bis 1929 realisierte er als Regisseur oder Production Supervisor fast 80 Kurzfilmkomödien, in denen die Situationskomik zunehmend wichtiger wurde als die Gags des Slapsticks. 1927 formte McCarey das Duo Laurel & Hardy, mit dem er die perfekt getimte Eskalation im komödiantischen Schlagabtausch, u.a. durch den slow burn, die Steigerung eines Gags mittels Verzögerung, weiterentwickelte. Der große Erfolg ebnete McCarey den Weg zur Inszenierung von Spielfilmen, die bis Mitte der 30er Jahre ebenfalls von der Zusammenarbeit mit bekannten Komikern bestimmt waren: Eddie Cantor, die Marx Brothers, Charlie Ruggles, Mae West, W.C. Fields, Harold Lloyd. Einsetzend mit RUGGLES OF RED GAP (1935) drehte McCarey verstärkt persönlichere Arbeiten, in denen er romantische und dramatische mit komischen Elementen verband. Im darin zum Ausdruck gebrachten Idealismus, der vom Glauben an die Kraft des guten Beispiels lebt, ist eine gewisse Nähe zu Frank Capra nicht zu übersehen. Der Menschenfreund McCarey, über den Jean Renoir sagte, er verstünde Menschen besser als jeder andere in Hollywood, zeichnete -seine Figuren mit Nachsicht, Verständnis und Empathie. „Mir gefällt ein Anflug von Märchen. Sollen andere die Hässlichkeit der Welt filmen. Ich will den Menschen keinen Kummer bereiten.“ Nach einem schweren Autounfall gewannen ab den 40er Jahren religiöse Motive eine prominentere Rolle in seinen Filmen. In der Nachkriegszeit konnte Leo McCarey nicht mehr an die früheren Erfolge anschließen und drehte bis 1962 nur noch fünf Filme, darunter zwei vom Antikommunismus des Kalten Kriegs geprägte Arbeiten.